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Chancen verpasst 16.03.2021 22:09:00

Versäumte Gewinne? ETFs investieren nicht in IPOs

Versäumte Gewinne? ETFs investieren nicht in IPOs

• Zeitraum zwischen Börsengang und Indexaufnahme bietet Chancen
• Klassische ETFS kaufen neue Wertpapiere erst nach der IPO-Rally
• IPO-ETFs ermöglichen eine diversifizierte Partizipation an Neuemissionen


Trotz der Pandemie und weltweiten Corona-Lockdowns gab es vergangenes Jahr so viele Neuemissionen wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. So wagten sich insgesamt über 1.300 Unternehmen an die Börse und das weltweite Emissionsvolumen stieg auf insgesamt 263 Milliarden US-Dollar.

IPO-Boom trotz Pandemie

"Auf den ersten Blick erscheint es widersinnig, dass in einem so schwierigen Jahr wie 2020 Börsengänge derartig boomen. [Die] enorm hohe Liquidität, die im Markt ist und nach Anlagemöglichkeiten sucht [ist jedoch ein wichtiger Treiber]", so Marin Steinbach, IPO-Experte bei Ernst & Young (EY), gegenüber dem Manager Magazin.

Ein besonders starker Anstieg an Neuemissionen war dabei in den USA festzustellen. Laut einer Studie von EY kletterte das Emissionsvolumen dort auf insgesamt 86 Milliarden US-Dollar, was einem Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr von 69 Prozent entspricht.

Mit Erlösen in Höhe von 3,5 Milliarden US-Dollar bei der Reiseplattform Airbnb, 3,4 Milliarden US-Dollar bei dem Lieferdienst DoorDash, 3,4 Milliarden US-Dollar bei der Softwarefirma Snowflake und weiteren 2,6 Milliarden US-Dollar beim Datenanalysespezialist Palantir ereigneten sich im vergangenen Jahr somit einige sehr lukrative Neuemissionen, die letzten Endes auch ihren Investoren hohe Gewinne bescherten.

So ging die Airbnb-Aktie am Tag des IPOs mit einem Kurs von 146 US-Dollar in den Handel, obwohl der Ausgabepreis des Papiers lediglich bei 68 US-Dollar lag. Der Börsenwert des Online-Zimmervermittlers stieg somit unmittelbar über 100 Milliarden US-Dollar.

ETF-Investoren verpassen IPO-Rallys

Trotz dieser hohen Renditen beteiligen sich ETFs und Indexfonds, zum Leidwesen vieler Investoren, jedoch fast nie zum ursprünglichen Angebotspreis an solchen Neuemissionen. Stattdessen erwerben die meisten ETF-Betreiber die neuen Aktien erst kurz vor dem Zeitpunkt, an welchem die entsprechende Firma in den jeweiligen Index aufgenommen wird.

Je nach Index erfolgt solch eine Aufnahme häufig jedoch erst am Ende des Quartals oder sechs bis zwölf Monate nach dem Börsengang. Darüber hinaus steigt der Preis der neuen Aktie in der Regel nochmals an, sobald sich das Datum der Indexaufnahme nähert, da viele Marktteilnehmer davon ausgehen, dass die Indexnotierung eine Vielzahl von neuen Käufern mit sich bringt. Ein solcher Effekt konnte beispielweise auch wenige Tage und Wochen vor der Aufnahme von Tesla in den S&P 500 festgestellt werden.

MIT-Dozent ermittelt versäumte Chancen für ETFs

Um zu beweisen, dass es sich für ETF-Anbieter durchaus lohnen dürfte, Wertpapiere schon vor der offiziellen Indexaufnahme zu erwerben, untersuchte der MIT-Dozent und ehemalige Präsident von Fidelity Investment, Robert C. Pozen, diverse Datensätze zu Börsengängen von 2010 bis 2018.

Pozen analysierte für diese Studie somit insgesamt 932 US-Börsengänge, wovon einige innerhalb der ersten sechs Handelsmonate nach ihrer Neuemission in den Russell 1000 aufgenommen wurden. Der ehemalige Fidelity-Präsident verwendete für seine umfassende Erhebung dabei extra den breiten Russell 1000-Index, da dieser rund 92 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung aller börsennotierten Aktien am US-Aktienmarkt umfasst und somit die größtmöglichen Rückschlüsse zulässt.

Der Russell 1000, welcher 1.000 US-Unternehmen mit dem höchsten Börsengewicht beherbergt, ist dabei so konzipiert, dass am Ende jedes Quartals ausschließlich die Marktkapitalisierung eines Konzerns über die Aufnahme in den Index entscheidet. Pozen kam so zu dem Ergebnis, dass ETFs durch den frühzeitigen Kauf eines IPOs eine deutliche Überschussrendite hätten erzielen können. Die höchsten Renditen wurden nämlich häufig gerade in dem Zeitraum zwischen der Erstausgabe an der Börse und der Indexaufnahme generiert.

Frühzeitiger Kauf geht mit Risiken für ETF-Anbieter einher

Zwar konnte Pozen feststellen, dass es sich für ETF-Anbieter lohnen kann, wenn sich diese frühzeitig an Neuemissionen beteiligen, jedoch würden sich diese gleichzeitig auch einem unkalkulierbaren Risiko aussetzen. Denn zum Zeitpunkt des IPOs weiß natürlich noch niemand, ob und wann eine Aktie überhaupt in einen Index aufgenommen wird.

Kauft ein ETF also eine IPO-Aktie, die schlussendlich nicht in den Index aufgenommen wird, müsste der Fonds die jeweilige Aktie womöglich wieder mit Verlust verkaufen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass es dem ETF am Tag des Börsengangs sehr schwerfallen würde, die IPO-Aktie richtig zu gewichten, da sich die zukünftige Position der Aktie innerhalb eines Index nur bedingt abschätzen lässt.

Des Weiteren würde ein ETF, welcher sein Geld einfach in neuemittierte Wertpapiere investiert, zwangsläufig einen Tracking Error zu seiner Benchmark aufweisen, da der Fonds über mehrere Monate Aktien im Besitz hätte, die nicht im Vergleichsindex enthalten sind. Sofern es sich in diesem Zusammenhang um einen positiven Tracking Error handeln würde, wären die Investoren des ETFs wahrscheinlich jedoch nicht übermäßig besorgt über die Abweichungen.

IPO-ETFs bieten Investoren einen Lösungsansatz

Der ehemalige Fidelity Präsident und MIT-Dozent Robert C. Pozen konnte zwar feststellen, dass frühzeitige Engagements bei Neuemissionen für ETF-Anbieter durchaus sinnvoll sein könnten, gleichzeitig muss er jedoch eingestehen, dass ein solcher Ansatz auch viele Probleme und Risiken mit sich bringt.

Mit sogenannten IPO-ETFs lässt sich jedoch auch dieses Dilemma lösen. So bieten manche Vermögensverwalter und Indexanbieter ihren Kunden spezielle ETFs an, die ihr Kapital ausschließlich in Neuemissionen anlegen, welche in der Regel nach spätestens zwei Jahren wieder liquidiert und frisch investiert werden. Derartige ETFs bieten ihren Kunden somit ein schnelles und diversifiziertes Engagement am IPO-Markt, egal ob es die jeweilige Aktie in absehbarer Zeit in einen größeren Index schafft oder nicht.

Pierre Bonnet / Redaktion finanzen.at

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