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"Nicht angemessen" 26.11.2015 18:01:00

Stöger vermutet Salamitaktik bei VW

"Mir ging das alles ein bisschen zu langsam. Ich halte die Salamitaktik für den Konzern nicht angemessen", sagte der Minister am Donnerstag zur APA. Heute habe ihm VW zugesichert, auch den österreichischen Betroffenen "Ersatzmobilität" zur Verfügung zu stellen, wenn ihr Auto in die Werkstatt muss. Ähnliches hatte der Wolfsburger Autobauer bereits gestern in Deutschland angekündigt, ebenso einen Verjährungsverzicht für Gewährleistungsansprüche bis Ende 2016. Der österreichische Generalimporteur, die Salzburger Porsche Holding, ließ auf Anfrage wissen, dass man sich beim Vorgehen am deutschen Konzern orientieren wolle.

"Mir geht es um die Kundinnen und Kunden. Die sind verärgert und haben ein Recht darauf zu erfahren, inwieweit sie betroffen sind", kritisiert der österreichische Verkehrsminister. Nun habe ihm VW zugesagt, auch in Österreich kulant zu reagieren. Was "Ersatzmobilität" genau bedeutet, ist noch offen. Ob die betroffenen Autofahrer, wenn ihr Auto im Laufe 2016 nachgerüstet werden muss, einen Ersatzwagen bekommen oder zum Beispiel ein Öffi-Ticket, wird wohl vom Händler abhängen. "Das ist bei jeder Werkstätte unterschiedlich, jede hat eine andere Tradition", so Stöger. "Ein Tagesticket wäre sogar die beste Lösung", meint der Minister.

Was die Verjährung etwaiger Ansprüche aus Gewährleistung, Garantie oder Irrtum betrifft, steht ebenfalls noch nicht fest, inwieweit der Konzern Kunden, die sich geschädigt fühlen, da entgegenkommt. "Ich erwarte mir vom Konzern, dass er mit den Kunden kulant umgeht, sodass sie nicht klagen müssen", sagt Stöger dazu. Puncto eines etwaigen Generalvergleichs, wie ihn der Verein für Konsumenteninformation (VKI) für alle betroffenen Kunden in Europa anstrebt, ist Stöger zurückhaltend. Fragen wie jene einer Geldzahlung durch VW "hängen von konkreten Sachverhalten ab. Jede Fahrzeugtype ist anders. Mir geht es darum, dass der Konzern eine Lösung anbietet, wo die Kunden sagen, das ist in Ordnung."

Wenn Kunden aus dem Skandal steuerlichen Nachteile - etwa eine höhere Normverbrauchsabgabe (NoVA) - entstehen, müsse das jedenfalls der Konzern übernehmen. "Mir liegt ein Schreiben des VW-Konzerns an Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) vor, laut dem der Konzern alle Steuern, die da fällig werden, trägt."

Sollten sich für die Betroffenen nun Werte ändern, die für den Typenschein und die Zulassung relevant sind, sei auch da VW in der Pflicht, seine Kunden zu informieren. Dass die Behörden "in jedem einzelnen Typenschein herumkritzeln müssen", glaube er jedenfalls nicht. Diese Fragen seien auf EU-Ebene zu klären.

Erneut kritisch äußert sich Stöger zu den unrealistischen Abgastests im Labor. Die Grenzwerte hätte nur durch Tricksen erreicht werden können. Umso wichtiger sei es, dass sich die EU jetzt endlich auf Tests unter realen Bedingungen (RDE-Verfahren, Real Driving Emission) geeinigt habe. Ab 2017 komme das RDE-Verfahren zum Einsatz, wobei die wesentlichen Luftschadstoffe (etwa Kohlenmonoxid/CO oder Stickoxide/NOx) natürlich höher ausfallen dürfen als im Labor.

Eine entscheidende Frage bei den Verhandlungen in Brüssel sei gewesen, wie stark nun die Werte abweichen, erklärte Stöger. "Meine Techniker haben mir gesagt, ab 2017 wäre ein Faktor von 2,5 machbar und ab 2020 ein Faktor von 1,4." Geeinigt habe man sich letztendlich auf 2,1 ab 2017. Das sei ehrgeizig, aber "die Herren Ingenieure dürfen sich anstrengen", so der Minister.

Stöger sieht jetzt auch die Fahrzeugindustrie gefordert, alternative Formen der Mobilität zu entwickeln. "Wenn sie die Kreativität haben zu tricksen, können sie auch die Kreativität haben, neue Antriebe zu entwickeln." Insofern sei der VW-Skandal auch eine Chance. Stöger verwies in dem Zusammenhang auf laufende Elektromobilitätsprojekte des Verkehrsministeriums, beispielsweise E-Taxis in Wien.

Auch bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zu alternativen Kraftstoffen sei sein Ressort federführend, so Stöger. Ob im Zuge dessen doch der umstrittene Biosprit E10 kommen könnte? "Das glaube ich eher nicht. Wir sollten nicht Menschen das Essen wegnehmen, nur damit wir mit ein bisschen mehr Autos fahren können."

E10 ist Sprit mit zehnprozentiger Ethanolbeimischung, hergestellt aus Nahrungspflanzen. In Deutschland hatte sich der Agrosprit zu Beginn als veritabler Flop erwiesen, in Österreich wollte ihn der damalige Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) im Oktober 2012 einführen, musste aber zurückrudern, da kurz vorher EU-Pläne zur Reduktion der Beimengungsziele bekannt geworden waren. "E10 ist möglich", sagte dann Anfang Oktober 2015 der Chef des heimischen Zuckerrübenkonzerns Agrana, Johann Marihart. Durch den VW-Skandal sei "der Dieselmotor etwas entzaubert", so Marihart.

snu/sp

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