20.03.2015 19:52:55

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Börsen-Zeitung: Zinsfantasien, Marktkommentar von Stefan Schaaf

Frankfurt (ots) - Wieder nichts mit der Zinswende. Dabei hat die

US-Notenbank Federal Reserve dieser Tage den nächsten Schritt zur

Normalisierung der Geldpolitik getan. Sie strich offiziell das Wort

"geduldig" als Charakterisierung ihrer Geldpolitik aus ihrer

Verlautbarung. Damit hat die Fed, gemessen an ihren eigenen

Ankündigungen, die Tür geöffnet für eine Zinserhöhung im Juni. Das

wäre ein historischer Schritt zur Normalisierung der Geldpolitik, die

der Notenbank in Washington wieder Spielraum eröffnen würde. Sie wäre

auch ein klares Zeichen, dass zumindest in den Vereinigten Staaten

die Finanzkrise zunehmend abgehakt wird - auch dank des gewohnt

hemdsärmeligen und pragmatischen Zupackens der Amerikaner.

Nur, die Märkte mochten in den vergangenen Tagen keine rechten

Zinsfantasien entwickeln. Im Gegenteil, die Renditen von

US-Staatsanleihen sanken direkt nach der Pressekonferenz von Janet

Yellen, die Rendite zehnjähriger Treasuries fiel wieder unter die

Marke von 2%. Zugleich erlitt der Dollar einen regelrechten, wenn

auch kurzzeitigen Schwächeanfall. Einige Marktteilnehmer sprachen gar

von einem Flash Crash am Devisenmarkt in der Nacht von Mittwoch auf

Donnerstag. Der Euro schoss binnen Stunden um mehr als vier US-Cent

nach oben, um bald darauf - auch wegen neuer Griechenland-Nervosität

- wieder zurückzufallen. Aber auch beim Dollar-Yen-Kurs schoss die

Volatilität in die Höhe. Von einer Dollar-Rally war nichts zu sehen,

Gewinne wurden mitgenommen.

Frage der Geschwindigkeit

Die Marktteilnehmer glauben doch nicht an die Zinswende in den

USA, so hat es den Anschein. Zu dieser Erwartung trugen Yellens

Bemerkungen bei, dass die Fed flexibel anhand der Daten handeln

werde. Sie hat die Tür aufgestoßen, aber offengelassen, ob sie im

Juni bereits hindurchgehen wird. Und noch unklarer ist, in welcher

Geschwindigkeit die Notenbank den Zinspfad beschreiten wird.

Die noch immer gedämpfte Inflation und jüngste Konjunkturdaten

sprechen für ein langsames Vorgehen: Die Zahl der unter

Markterwartungen liegenden US-Daten ist zuletzt gestiegen, während in

der Eurozone vermehrt positive Überraschungen vermeldet wurden. Auch

dies ein Grund, warum die Abwertung des Euro zuletzt trotz der

Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) weitgehend zum

Stillstand kam. Sie waren bereits eingepreist, die positiven

Überraschungen auf der Konjunkturseite noch nicht. Doch der

Dollar-Kurs und die Zehnjahresrendite sind nur ein Ausschnitt der

Markterwartungen. Zumal die US-Treasury-Renditen eng mit denen für

Bundesanleihen korreliert sind, da dies die beiden global liquidesten

"AAA"-Anlagen sind. Wegen der quantitativen Lockerung in der Eurozone

stehen bei deutschen Staatsanleihen die Zeichen auf einen weiteren

Renditerückgang, im Zehnjahresbereich wurden zum Wochenschluss

erstmals 0,168% erreicht. Dies bremst auch die US-Renditen.

Aussagekräftiger für Zinserwartungen sind ohnehin die Renditen der

zweijährigen Treasuries, denn wer weiß schon, wie in sieben, acht

oder gar neun Jahren das Zinsumfeld sein wird. Zwei Jahre sind

überschaubarer. Und für diesen Zeitraum zeigt die US-Zinstendenz seit

Mitte Januar weitgehend nach oben.

Aktien preisen Zinswende ein

Und auch andere Marktsegmente preisen offenbar eine Zinswende in

den USA ein. Die ohnehin schon hoch bewerteten US-Aktienmärkte

schwächeln seit Wochen, der Leitindex S&P 500 entfernt sich immer

weiter von seinem Rekordniveau und hält sich gerade noch so über der

Marke von 2000 Punkten. Doch insbesondere Anlagen aus den

Schwellenländern stehen unter Druck, ihre Währungen werten auf

breiter Basis ab. Das ist in Fällen wie Brasilien (Petrobras-Affäre,

Reformstau) oder der Türkei (Angriffe der Politik auf die

Unabhängigkeit der Notenbank) auch hausgemacht. Doch in der Breite

droht den Schwellenländern ein Kapitalabfluss, wenn die USA wieder

mit höheren Zinsen locken.

Flexibilität heißt Volatilität

Die Märkte bleiben also weiterhin für eine US-Zinswende

positioniert, wenngleich dafür wohl mehr Geduld nötig sein wird, als

mancher noch vor einer Woche erwartet hatte. Da die Fed sich flexibel

an den Konjunkturdaten orientieren will, dürfte es in den kommenden

Wochen ein stetes Auf und Ab der Zinsfantasien geben. Die Folge wird

ein deutlicher Anstieg der Volatilität sein, die Ereignisse von

Mittwochnacht geben einen Vorgeschmack. Auch geduldige Investoren

brauchen dann starke Nerven.

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