14.09.2018 20:30:40

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Börsen-Zeitung: Von den USA abgehängt, Marktkommentar von Christopher

Kalbhenn

Frankfurt (ots) - Auf den ersten Blick wirkt es wie ein

Widerspruch. Die große Finanzkrise ging vom amerikanischen

Immobilien- und Hypothekenmarkt aus und kulminierte vor zehn Jahren

mit dem Zusammenbruch der US-Investmentbank - und dennoch steht der

Aktienmarkt der Vereinigten Staaten eine Dekade später als großer

Gewinner da. Mit einem Anstieg des S&P 500 von 144 Prozent seit dem

15. September 2008 haben US-Aktien europäische Dividendentitel - der

Stoxx Europe liegt mit nur 40 Prozent im Plus - klar abgehängt.

Tatsächlich ist deutlich stärkere Entwicklung der

US-Dividendentitel alles andere als widersprüchlich. Im Crash 2008/09

konnte sich Europa angesichts der engen wirtschaftlichen - und in der

Finanzindustrie sehr ausgeprägten - Verflechtung nicht dem von den

USA ausgehenden Abwärtssog entziehen. Anschließend war Europa, was

Krisenreaktion und Aufräumarbeiten betraf, viel langsamer und weniger

konsequent als die USA. Zudem wurde die Region von der sich

anschließenden Euro-Staatsschuldenkrise bei weitem stärker negativ

beeinflusst als die USA.

Hinzu kommen die grundsätzlichen strukturellen Vorteile der

Vereinigten Staaten, die schon vor Lehman Bestand hatten, darunter

wesentlich günstigere Rahmenbedingungen für Unternehmen, deren höhere

Profitabilität, ein deutlich weiter entwickelter Finanzmarkt, eine

ausgeprägte Risikokultur und hohe Innovationskraft.

Aufschluss bietet auch der Blick auf die Aktienbranchen. Der

größte Verlierer in Europa seit der Lehman-Pleite ist der

Bankensektor mit einer Einbuße des entsprechenden Stoxx-Subindex von

mehr als 40 Prozent. Dagegen hat dieselbe Branche in den USA,

gemessen am KBW Bank Index, um 66 Prozent zugelegt. Nach Lehman wurde

die Bankenbranche in den USA viel schneller und konsequenter wieder

auf die Beine gestellt als in Europa - etwa in Form staatlicher

Kapitalzufuhr. Gerade die europäischen Banken wurden ab 2009 von der

Euro-Krise hart getroffen und kämpfen vielfach immer noch mit

gravierenden Problemen. Nicht zuletzt profitieren die US-Institute

grundsätzlich von einem bei weitem größeren Heimatmarkt. Zudem weist

der amerikanische Aktienmarkt einen besseren Branchen-Mix auf. So hat

- um nur ein Beispiel zu nennen - die boomende Tech-Branche ein

wesentlich höheres Gewicht als in Europa.

Derzeit erweist sich Trump als Trumpfkarte des US-Markts. Die

Steuersenkungen treiben die Gewinne der amerikanischen Unternehmen

an, der Handelskonflikt belastet die Aktienmärkte Europas, das

wesentlich exportabhängiger ist, stärker als die der USA. Zudem wird

Europa vom Chaos in Italien und dem drohenden ungeordneten Brexit

belastet.

Allerdings könnten die europäischen Aktienmärkte ihren Rückstand

durchaus in absehbarer Zeit zumindest teilweise abbauen. Ein Vorteil

sind nämlich relativ zu den USA deutlich günstiger gewordene

Bewertungen. Bei den italienischen Regierungsparteien waren zuletzt

Ansätze fiskalpolitischer Vernunft zu erkennen, für den Brexit

findet sich möglicherweise noch eine Lösung, durch die der Worst Case

abgewendet wird. Über kurz oder lang könnte sich auch der

Handelsdisput zwischen den Vereinigten Staaten und China

entschärfen. Hinter den Kulissen soll es ja entsprechende Gespräche

geben.

Insbesondere wenn die Verunsicherung durch den Handelskonflikt

bzw. die Befürchtung einer Eskalation zu einem Handelskrieg

verschwinden sollte, würde die stark zyklischen und exportabhängige

Aufstellung der europäischen Aktienmärkte vom relativen Nachteil zum

relativen Vorteil mutieren. Dann könnte die Region ihre Vorzüge, den

Performance-Nachholbedarf im Vergleich zu den USA sowie die deutlich

günstigeren Bewertungen, ausspielen.

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