18.11.2012 14:48:00

Kritik an Verbund-Braunkohlekraftwerk in der Türkei nimmt zu

Das vom österreichischen Stromkonzern Verbund in der Türkei geplante Braunkohlekraftwerk steht zunehmend in der Kritik. Diese Woche verschärfte die Umweltschutzorganisation "Global 2000" ihre Vorwürfe gegen die 450-MW-Anlage, die bis 2015 bei Tufanbeyli in der Provinz Adana vom Verbund/Sabanci-Joint-Venture EnerjiSA errichtet werden soll - und erstmals hagelte es auch Proteste deutscher Umweltverbände, die bereits Stromhändler zum Boykott von Verbund-Strom aufrufen. Vorwurf: Der Verbund rede immer nur von seiner immensen Stromerzeugung aus Wasserkraft.

Aus diesem Grund hat sich Mitte der Woche "Greenpeace Energy" medial in die Proteste eingeklinkt und unter Verweis auf einen aktuellen "taz"-Bericht über das Kraftwerk die börsenotierte Verbund AG aufgefordert, aus dem Projekt auszusteigen, das der Erzeugung von rund 2,6 TWh Strom im Jahr dienen soll - laut RWE eine Kapazität, die etwa einem Prozent des Strombedarfs der gesamten Türkei entspricht.

Greenpeace Energy bezieht nach eigenen Angaben seit 2005 Strom aus Verbund-Wasserkraftwerken, aktuell aus den Anlagen Leoben, Melk und Pfarrwerfen sowie dem in Deutschland gelegenen Laufwasserkraftwerk Feldkirchen. "Die Rahmenverträge laufen bis 2016 und sind 2010 ausgehandelt worden. Zum damaligen Zeitpunkt war uns die Beteiligung der Verbund AG am Projekt Tufanbeyli nicht bekannt", betont Greenpeace Energy.

Deutsche Umweltorganisationen empfehlen deutschen Ökostromlieferanten bereits, die Verträge mit dem Verbund aufzukündigen oder zumindest keine weiteren Verträge mehr abzuschließen, wenn an Tufanbeyli festgehalten wird, erklärte "Global 2000" am Freitag; etwa die Organisation "Robin Wood" hat sich schon dementsprechend geäußert, auch in der "taz". Denn, so Global 2000, der Verbund werbe zwar damit, Strom zu 100 Prozent aus Wasserkraft zu produzieren, zugleich errichte man aber das Braunkohlekraftwerk - praktischerweise direkt bei einer Kohlemine. Vom Verbund fordert die Umweltorganisation Aufklärung: "Wenn die Türkei-Plänen stimmen, ist das ein massiver Widerspruch zum Leitbild des Unternehmens."

Darauf nimmt auch "Die Presse" (Samstag) in einem Hintergrundbericht Bezug. Denn auch für die große Kapitalerhöhung habe das zu 51 Prozent staatseigene Unternehmen vor zwei Jahren bei der heimischen Politik mit dem Wasserkraft-Argument geworben. Als dann die Kapitalaufstockung im Ausmaß von einer Milliarde Euro "durch" gewesen sei, hätten die Medien folgerichtig getitelt "Verbund bekommt Geld für Wasserkraft."

Verbund-Konzernchef Wolfgang Anzengruber relativiert allerdings laut "Presse" folgendermaßen: "Wir sind erst im Jahre 2007 in das türkische Unternehmen EnerjiSA eingestiegen. Und da war das Braunkohleprojekt bereits fixer Teil des Portfolios." Auch investiere der Verbund nicht direkt ins Kraftwerk Tufanbeyli, betont Anzengruber der Zeitung zufolge: "Ein kleiner Teil der Kapitalerhöhung" sei lediglich in das Eigenkapital der Türkei-Beteiligung geflossen. Im Verbund-Neunmonatsbericht vom 24. Oktober heißt es: "Im Quartal 3/2012 wurde ein wichtiger Schritt für den Bau des Braunkohlekraftwerks Tufanbeyli gesetzt. Der Finanzierungsvertrag über 750,0 Mio. Euro wurde unterzeichnet."

Auch von ungewohnter Seite kam - bereits Anfang November - Kritik am Verbund-Projekt in der Türkei, nämlich von der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH), die ja ansonsten nicht gerade für die Ablehnung von Bauvorhaben bekannt ist. Allerdings erklärte man zum Tufanbeyli-Vorhaben: "Wenn der Verbund weiterhin den Bau von kalorischen Kraftwerken im Ausland finanziert, ist das weder aus arbeitsmarktpolitischer Sicht für Österreich noch aus klimapolitischer Sicht sinnvoll." Da die Anlage in der Türkei etwa 700 Mio. Euro koste, fordere die GBH den Verbund auf, "seine Gewinne in Österreich zu investieren".

(Schluss) sp

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