Überbewertung auf Höhepunkt |
05.07.2021 23:42:00
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Jeremy Grantham: Der Bullenmarkt neigt sich dem Ende zu
• Bitcoin-Crash als Warnschuss für den breiten Markt
• Traditionelles 60/40-Portfolio jetzt laut Grantham "besonders gefährlich"
Die Anleger in den USA scheinen weiterhin in Partylaune zu sein: Erst kürzlich erreichten der breite S&P 500 und der NASDAQ Composite neue Rekordstände, die jüngsten Sorgen um den Inflationsanstieg wurden offenbar bereits wieder verdrängt. Dabei gibt es zahlreiche Anzeichen dafür, dass sich der Markt in einer gewaltigen Blase befindet und diese bald platzen wird, warnt der Markt-Historiker Jeremy Grantham. "Die letzten zwölf Monate waren ein klassisches Finale für einen elfjährigen Bullenmarkt", so der Mitgründer der Investmentfirma GMO im Interview mit "Bloomberg". Wenn dieser jedoch zu Ende gehe und die Blase platze, werde es laut dem Experten besonders gefährlich, da momentan sowohl Aktien als auch Anleihen und Immobilienpreise aufgebläht seien und sich selbst Rohstoffe in einem Höhenflug befänden. Eine solche Situation habe es laut Grantham zuvor noch nirgendwo gegeben - entsprechend schmerzhaft und unvorhersehbar dürften die Folgen eines Crashs ausfallen.
Alle Anzeichen für erreichten spekulativen Höhepunkt gegeben
"Nachdem alle notwendigen Kästchen eines spekulativen Höhepunkts angekreuzt sind, ist der US-Markt historisch gesehen seit Ende Januar soweit, dass er anfangen könnte in sich zusammenzubrechen", sagte Grantham gegenüber "Bloomberg". Tatsächlich warnt der Experte auch bereits seit Jahresbeginn vor einem solchen Kursrutsch. Dieser werde dann völlig anders aussehen als der COVID-Crash im Frühjahr 2020. Denn dabei habe es sich um einen externen Effekt gehandelt, der gekennzeichnet sei durch einen kurzen Schlag mit einer anschließenden steilen Erholung, so der Experte gegenüber dem US-Nachrichtenmagazin. Das klassische Ende eines langen Bullenmarkts bestehe jedoch aus einer Blase, die am Ende platze.
Anzeichen für eine solche Blase gibt es laut Grantham genug. So befände sich die Überbewertung in zahlreichen Bereichen auf einem Höhepunkt. Das Kurs-Umsatz-Verhältnis sei etwa jetzt noch größer als auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase und auch die Verschuldung befinde sich auf einem Rekordniveau, so der GMO-Mitgründer. Daneben hätten auch spekulative Messgrößen wie etwa das Handelsvolumen von Call-Optionen oder Penny Stocks Rekordstände erreicht. Auch Kryptowährungen sind für den Marktkenner ein Indiz für eine Blasenbildung: "Kryptowährungen repräsentieren mit ihrem gesamten Anlegewert mehr als eine Billion US-Dollar an Forderungen, während sie überhaupt nichts beitragen - pure Aufblähung", so Grantham.
Grantham: "Das Ausmaß der Verrücktheit" am Markt ist größer als je zuvor
Dass die Blase bislang trotzdem noch nicht geplatzt ist, hat laut Jeremy Grantham mehrere Gründe. So habe etwa das Ausmaß und die Geschwindigkeit des neuen Stimulus-Programms in den USA überrascht, ebenso wie der Erfolg des Impfprogramms in den meisten Teilen der entwickelten Welt. "Zusammen sollten sie die Blase langlebiger und größer machen", sagte Grantham gegenüber "Bloomberg".
Eine große Rolle spiele jedoch auch die neue Generation der Anleger, die durch Trading-Apps wie Robinhood an die Börse gekommen ist. Diese neue Art von Investoren habe keine Erfahrung mit früheren Blasen und deren Platzen, daher "ist das Ausmaß der Verrücktheit größer", so der Markt-Historiker, der heftige Kritik am Investmentstil von einigen dieser Anleger übt. So sei es "eine völlig nihilistische Parodie auf das eigentliche Investieren", Meme-Aktien wie GameStop oder AMC zu kaufen. Denn in diese werde investiert, "einfach weil es lustig ist". Ähnlich verhalte es sich auch bei Kryptowährungen wie dem Dogecoin. Sie würden laut Grantham nicht einmal vorgeben, ernsthafte Investments zu sein und kämen dennoch auf eine Marktkapitalisierung im Milliardenbereich. "Das ist es Leute, der größte US-Fantasy-Trip aller Zeiten", so das wenig schmeichelhafte Urteil des Experten.
Doch auch die US-Notenbank Federal Reserve - oder besser deren Chefs - bekommen die Kritik von Grantham zu spüren. Wie der Experte gegenüber "Bloomberg" sagte, hätten alle Fed-Chefs nach Paul Volcker, der von August 1979 bis August 1987 Vorsitzender der US-Notenbank war, den potenziellen wirtschaftlichen Schaden durch aufgeblähte Asset-Preise unterschätzt. Die Fed sei in der Vergangenheit "ziemlich ratlos gewesen und bleibt es weiterhin", so Grantham. Wäre er der Vorstand der US-Notenbank, würde er momentan daraufhin arbeiten, bei allen Asset-Preisen die Luft so vorsichtig wie möglich abzulassen, denn "ein früherer Rückgang, egal wie schmerzhaft, wäre kleiner und weniger gefährlich als abzuwarten". Als "angemessen schmerzhafte" Analogie zieht Grantham in diesem Zusammenhang auch den Vergleich zu dem Sprung aus einem Bus, der allmählich immer schneller wird.
Erste Warnschüsse für den breiten Aktienmarkt bereits zu hören
Dass das Risiko am Aktienmarkt momentan steigt, zeigt laut Grantham auch ein Blick in die Vergangenheit. So sei dem Platzen der letzten drei großen Blasen in der US-Geschichte jeweils eine Phase von mehreren Monaten vorausgegangen, in der Standardwerte besser abgeschnitten hätten als aggressivere Titel. So seien etwa im Jahr 2000 Tech-Aktien innerhalb von fünf Monaten bereits um rund 50 Prozent eingebrochen, während der S&P 500 immer noch seitwärts tendiert habe. Ein ähnliches Verhalten können man laut dem Markt-Historiker auch jetzt beobachten. So hätten viele führende Wachstumsaktien wie etwa Tesla seit Februar massiv an Wert verloren. Der beste Gradmesser sei jedoch der Bitcoin, denn bei diesem handle es sich um "die Anlageklasse, die dem NASDAQ aus dem Jahr 2000 am meisten ähnelt". Seit seinem Allzeithoch im April ist der Bitcoin-Kurs deutlich eingebrochen, zeitweise war das Cybergeld - ausgehend vom Rekordstand - sogar nur noch weniger als die Hälfte wert. "Im Jahr 2000 war der Kurseinbruch um 50 Prozent beim NASDAQ sechs Monate im Voraus ein perfekter Warnschuss für den breiten Markt", so Grantham.
Da alle großen Anlageklassen überteuert seien, sei es momentan für Anleger allerdings schwer, sich vor den größten Folgen des bevorstehenden Crashs zu schützen - zumal das klassische 60/40-Portfolio, das aus 60 Prozent Aktien und 40 Prozent festverzinslichen Wertpapieren besteht, aufgrund der rekordtiefen Zinsen momentan laut Grantham "besonders gefährlich erscheint". Gegenüber "Bloomberg" empfahl der Mitgründer der Investmentfirma GMO, stattdessen auf eine Cash-Reserve für Flexibilität sowie auf eine große Aktienposition aus der Schnittmenge von Emerging-Markets- und Value-Aktien zu setzen. Dabei handle es sich laut Grantham um relativ günstige Sektoren, die den S&P 500 outperformen werden. Von Bitcoin und anderen Kryptowährungen sollten Anleger hingegen seiner Meinung nach die Finger lassen.
Redaktion finanzen.at
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