Prozess |
03.09.2024 18:01:00
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VW-Aktie leichter: Langjähriger Strafprozess zu VW-Dieselaffäre startet endlich - VW-Pläne verunsichern Belegschaft
"Heute geht es mir ganz gut", sagte Winterkorn kurz vor dem Prozessauftakt. Von mehreren Operationen ist der einst bestbezahlte Topmanager des Landes sichtbar gezeichnet. Mit betontem Lächeln drückte er aber vor und auch im Gerichtssaal seine Zuversicht für das Verfahren aus. "Unser Mandant weist die gegen ihn erhobenen Vorwürfe entschieden zurück", teilte sein Verteidiger Felix Dörr für ihn mit. "Wir sind zuversichtlich, dass wir zu einem guten Ergebnis für unseren Mandanten gelangen werden", sagte der Anwalt. Für die Verteidigung steht fest, Winterkorn habe "nicht betrogen" und "niemanden geschädigt".
Mehr als 32 Milliarden Euro für juristische Aufarbeitung
"Dieselgate" mit Abgasmanipulationen bei Millionen VW-Fahrzeugen war im September 2015 durch Nachforschungen von US-Umweltbehörden und Wissenschaftlern aufgeflogen. Die Affäre um die Schummel-Software - mal Akustikfunktion, mal Umschaltlogik genannt - sollte Volkswagen allein für die juristische Aufarbeitung mehr als 32 Milliarden Euro kosten. Winterkorn trat wenige Tage nach Bekanntwerden zurück und übernahm damit die politische Verantwortung. Eine persönliche Verantwortung wies er stets zurück.
In dem Prozess werden dem früheren Konzernboss gewerbsmäßiger Betrug, Marktmanipulation und uneidliche Falschaussage vorgeworfen. Winterkorn soll VW-Käufer über die Beschaffenheit der Autos getäuscht und in den entscheidenden Septembertagen 2015 den Kapitalmarkt vorsätzlich nicht rechtzeitig über Risiken durch Strafzahlungen informiert haben. 2017 soll er dann vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags uneidlich falsch dazu ausgesagt haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Anklage: Winterkorn wusste früher Bescheid
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Braunschweig wusste Winterkorn aber deutlich früher über Abgasmanipulation Bescheid, als er bisher angegeben hat. Spätestens seit Mai 2014 war der Angeklagte über den Einsatz einer illegalen Software in den USA informiert, hieß es in der ersten Anklageschrift. Allein die Verlesung des ersten Anklageteils mit den Betrugsvorwürfen dauerte knapp anderthalb Stunden.
Nach Mai 2014 habe Winterkorn es "pflichtwidrig unterlassen", den Verkauf betroffener Autos zu stoppen, sagte der Staatsanwalt. Obwohl ihm seine Pflichten als Vorstandschef bewusst gewesen seien, habe er es zugelassen, dass Autos in den USA mit unrichtigen Angaben weiter vermarktet worden seien. Der Verantwortung Winterkorns werden von den Strafverfolgern etwas mehr als 65.000 Autos zugerechnet. Den entstandenen Schaden bezifferte die Staatsanwaltschaft auf rund 1, 3 Milliarden Euro.
Im Bundestag gelogen?
"Aus meiner Sicht können wir weitermachen", antwortete Winterkorn lächelnd auf die Frage, ob er vor weiteren Vorwürfen eine Pause brauche. Also setzte die Staatsanwaltschaft mit der Anklage fort, nach der Winterkorn 2017 vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags uneidlich falsch ausgesagt haben soll. Diese Anklage kommt ursprünglich aus Berlin, wurde aber mit den Vorwürfen der Braunschweiger Strafverfolger verbunden. Der Vortrag in diesem Fall dauerte nur etwa fünf Minuten.
Nach einer Mittagspause stand der mutmaßliche Verstoß gegen Wertpapierhandelsgesetz im Zentrum. Winterkorn wird dabei Marktmanipulation vorgeworfen, weil er den Kapitalmarkt vorsätzlich nicht rechtzeitig über Risiken aus dem Einbau einer verbotenen Software informiert haben soll. Der damalige Vorstandschef habe die nötige Ad-hoc-Mitteilung nicht gemacht, sondern auf gute Beziehungen zu den amerikanischen Behörden und eine andere Klärung gehofft, sagte die Staatsanwaltschaft zum dritten Anklageteil, dessen Verlesung erneut anderthalb Stunden dauerte.
"Mr. Volkswagen" selbst vor Gericht
Zur Dieselaffäre bei Volkswagen gibt es längst Urteile, Bußgelder, Verfahrenseinstellungen gegen Geldauflagen und Entschädigungen. Die genauen Hintergründe und Abläufe beim Wolfsburger Autobauer bleiben bis heute aber im Verborgenen. Auch der erste große Betrugsprozess gegen vier andere Ex-VW-Manager sowie -Ingenieure brachte nach drei Jahren Verhandlung bisher keine großen Erkenntnisse hervor. Eigentlich sollte Winterkorn schon bei diesem Verfahren ab 2021 mit auf der Anklagebank sitzen. Aus gesundheitlichen Gründen wurde sein Komplex aber abgetrennt. Jetzt steht "Mr. Volkswagen" selbst vor Gericht.
Für den Strafprozess hat das Landgericht 89 Termine bis September 2025 angesetzt. Ein Urteil gegen Winterkorn wäre nach dieser Planung fast genau zehn Jahre nach dem Auffliegen der Dieselaffäre möglich. Offen bleibt weiter, was sich in dem aufwendigen Verfahren beweisen lässt. Am zweiten Verhandlungstag am Mittwoch (ab 10.00 Uhr) will sich der Angeklagte selbst mit einem Statement äußern.
Wirtschaftsweise warnt vor staatlichen Rettungsversuchen bei VW
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hat sich gegen eventuelle staatliche Rettungsmaßnahmen für den kriselnden Autobauer Volkswagen ausgesprochen. "Der Staat sollte sich da raushalten", sagte Grimm der Rheinischen Post. "Der Staat hat durchaus eine Rolle, wenn es darum geht, den Strukturwandel zu begleiten. Da geht es um Umschulung und Weiterbildung und um die Entwicklung von Standorten, an denen die Produktion etablierter Unternehmen zurückgefahren wird", sagte das Mitglied im Wirtschafts-Sachverständigenrat der Bundesregierung. "Direkt die Automobilindustrie zu retten, halte ich aber nicht für den richtigen Weg", erklärte sie. "Es kann durchaus zur Werksschließungen kommen. Die Automobilindustrie ist in einem Strukturwandel." Die Automobilindustrie habe lange in Brüssel lobbyiert, um die Transformation hinauszuschieben. Auch die deutsche Politik habe hier lange Zeit nicht vorausschauend agiert.
Frei vor Migrationstreffen: Vor allem über Zuwanderungsbegrenzung sprechen
Die Unionsfraktion erwartet von ihrem Migrationsgesprächen mit der Ampel-Koalition vor allem Verhandlungen über eine Zuwanderungsbegrenzung - und will die Treffen andernfalls nicht fortsetzen. "Es braucht einen grundlegenden Kurswechsel in der Migrationspolitik", sagte der CDU/CSU-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Mit dieser Haltung werden wir in die Gespräche gehen." Frei wird laut den Angaben am Dienstagnachmittag für seine Fraktion an der parteiübergreifenden Bund-Länder-Runde im Bundesinnenministerium teilnehmen. Die Union wolle mit der Bundesregierung "vor allem über die Frage des Zugangs und der Aufnahme von Asylbewerbern in Deutschland" sprechen. Der Ausgang der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen habe die Bedeutung des Themas noch einmal für jeden erkennbar unterstrichen, sagte Frei.
SPD-Fraktion: Stellenabbau und Standortschließungen bei VW nicht akzeptabel
Die SPD-Bundestagsfraktion hält den Sparkurs bei Volkswagen mit Stellenabbau und Standortschließungen für nicht akzeptabel. "Bei allem Verständnis für die Herausforderungen der Automobilindustrie mit Blick auf die zunehmende internationale Konkurrenz, hohe Energiekosten und große Investitionsbedarfe in der Transformation, sind Werksschließungen und Stellenabbau keine überzeugende Strategie. Im Gegenteil: VW hat Jahrzehnte sehr gut in Deutschland verdient", sagte Bernd Westphal, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Dies sei vor allem der gut ausgebildeten und motivierten Arbeitnehmerschaft zu verdanken. Die Automobilhersteller müssten jetzt alles dafür tun, wieder wettbewerbsfähig zu werden durch Technologieführerschaft, Qualität und bezahlbare Produkte. Die Wachstumsinitiative der Regierung enthalte zudem verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten und eine ausgeweitete Forschungszulage. Die SPD-Bundestagsfraktion forderte außerdem wettbewerbsfähige Strompreise, gesichert durch einen Transformationsstrompreis, und wo nötig Investitionsprämien.
Kommunen fordern vor Migrationsgipfel härtere Maßnahmen
Der Deutsche Landkreistag hält die Regierungspläne zur Erleichterung von Abschiebungen und Leistungskürzungen bei bestimmten Flüchtlingsgruppen nicht für ausreichend. Das geht aus einem Positionspapier hervor, wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtete. Die im Zuge des Attentats in Solingen von der Ampelkoalition vorgestellten Maßnahmen könnten "nur ein erster Schritt" sein, schreibt der Landkreistag demnach. "Was bislang fehlt, ist ein Gesamtkonzept für eine grundsätzlich andere Migrationspolitik." Deutschland müsse sich auch einen nationalen Aufnahmestopp vorbehalten - als "Ultima Ratio". Kein Staat sei gezwungen, "Flüchtlinge in einem Umfang aufzunehmen, der mit akuten Gefahren für das Funktionieren seiner Institutionen verbunden ist". Indizien hierfür könnten eine überforderte Verwaltung sowie fehlende Kapazitäten für Unterbringung oder Integration sein.
Krise bei VW: Habeck schaltet sich ein
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schaltet sich in die Krise bei Volkswagen ein. Der Grünen-Politiker teilte in Berlin mit, Entscheidungen müssten in enger Abstimmung mit den Sozialpartnern erfolgen und das Ziel im Blick behalten, dass Deutschland ein starker Automobilstandort bleibe. "Alle Beteiligten müssen ihrer Verantwortung für die Beschäftigten in den Standorten gerecht werden."
Europas größter Autobauer hatte angekündigt, dass im Rahmen eines Sparprogramms bei der Kernmarke VW Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht länger ausgeschlossen sind. Die mit dem Betriebsrat geschlossene Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung werde aufgekündigt, kündigte das Unternehmen an. Diese schloss betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 aus. Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaft zeigten sich entsetzt.
Habeck nannte die Autoindustrie einen Eckpfeiler des Industriestandorts Deutschland. "Das soll auch so bleiben." Die großen Automobilhersteller und ihre Zulieferer seien gute Arbeitgeber für zigtausende Beschäftigte, "Wohlstandsmotor" in Regionen quer durch das Land und Innovationstreiber über Branchengrenzen hinweg. "Für VW als zweitgrößtem Automobilhersteller gilt das umso mehr und das Unternehmen trägt hier eine hohe Verantwortung."
Die Transformationsanstrengungen für die Autoindustrie seien aktuell enorm, so Habeck mit Blick auf den Wandel hin zur E-Mobilität. Die deutschen Autobauer müssten in diesem Wettbewerb mithalten. Entscheidend als Standortfaktor sei auch die langfristige Planungssicherheit. Die EU-Vorgabe, wonach ab 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge neu zugelassen werden dürfen, schaffe diese Sicherheit.
Dieses faktische Verbot neuer Autos mit Verbrennern ist heftig umstritten. Nach dem Stopp der staatlichen Förderung beim Kauf von E-Autos sind die Neuzulassungen in Deutschland eingebrochen.
Die Bundesregierung will nun die Nachfrage nach E-Autos als Dienstwagen ankurbeln. Geplant sind stärkere steuerliche Anreize. Ein entsprechender Gesetzentwurf im Rahmen der "Wachstumsinitiative" soll am Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden, wie es aus Kreisen des Wirtschaftsministeriums hieß. Habeck hatte bereits von einem Schub gesprochen, um die Nachfrage nach E-Mobilität wieder hochzuziehen.
Experte zu VW: Das ist notwendiger Weckruf
Die jüngste Ankündigung von VW zu möglichen Werkschließungen ist nach Ansicht eines Branchenexperten ein notwendiger Weckruf für den Wolfsburger Autobauer. Angesichts der aktuellen Probleme müsse VW nun dringend gegensteuern, um wettbewerbsfähig zu bleiben, sagte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach der Deutsche Presse-Agentur. "Und das geht schlichtweg nicht mit den aktuellen Kostenstrukturen. Das ist eine unbequeme Wahrheit."
Europas größter Autobauer hatte am Montag angekündigt, dass im Rahmen des Sparprogramms bei der Kernmarke VW Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht länger ausgeschlossen sind."Das ist jetzt ein großer Weckruf", sagte Bratzel. "Und der ist auch notwendig." Denn, so Bratzel weiter: "So gern man Standort- und Beschäftigungssicherung hat. Längerfristig kann man Beschäftigte und Standorte nur sichern, wenn man wettbewerbsfähig ist."
Ohne einschneidende Maßnahmen drohe Volkswagen, in einigen Jahren zum Sanierungsfall werden, warnte der Experte. "Sie Situation ist jetzt nicht kurzfristig unternehmensgefährdend, aber mittel- und langfristig schon", so Bratzel. "Die Situation ist noch im Griff, aber in wenigen Jahren kann das ganze existenzgefährdend werden." Und dem müsse man nun vorbeugen. "Jetzt ist noch Zeit. Aber die Situation spritzt sich zu."
Grund für die Krise seien unter anderem das schwächelnde China-Geschäft, neue Konkurrenz aus Asien und der stockende Hochlauf der E-Mobilität bei zugleich hohem Investitionsbedarf in die neue Antriebstechnik. "Die Party der Automobilindustrie, von der wir profitiert haben in den letzten 20, 30 Jahren, die ist vorbei. "
Das betreffe nicht nur VW, sondern die gesamte Branche. VW sei wegen seines traditionell hohen China-Anteils aber besonders stark betroffen. Zudem tue sich VW meist schwerer als andere Unternehmen mit Veränderungen. "Diesen Tanker in Bewegung zu setzen, ist enorm schwer", sagte Bratzel. "Das muss jetzt gelingen."
VW-Pläne verunsichern Belegschaft
Volkswagen bereitet sich auf eine turbulente Betriebsversammlung vor. Nach der Ankündigung vom Montag, Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht länger auszuschließen, muss sich der Vorstand am Mittwoch den Fragen der Mitarbeiter stellen. Betriebsratschefin Daniela Cavallo rechnet bei der Betriebsversammlung in Wolfsburg mit deutlichen Unmutsbekundungen. "Die Belegschaft ist aktuell natürlich sehr verunsichert." Und das werde sie am Mittwoch auch deutlich machen, wenn Markenchef Thomas Schäfer im Beisein von Konzernboss Oliver Blume aufs Podium trete.
Goldman belässt Volkswagen auf 'Neutral' - Ziel 127 Euro
Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat die Einstufung für die Volkswagen-Vorzugsaktien auf "Neutral" mit einem Kursziel von 127 Euro belassen. Der Autobauer peile zusätzliche Kostensenkungen an, um seine Ziele zu erreichen, schrieb Analyst George Galliers in einer am Dienstag vorliegenden Studie. Die verstärkte Kostenorientierung dürfte Anleger zuversichtlich stimmen. Angesichts des sich verändernden Marktumfelds seien aber schrittweise noch mehr Maßnahmen erforderlich.
Am Dienstag tendierten die Vorzugsaktien von Volkswagen letztlich im XETRA-Handel 0,49 Prozent im Minus auf 102,20 Euro.
(dpa-AFX / Dow Jones Newswires)
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