Zahlreiche Probleme |
23.12.2023 22:39:00
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Vom Höhenflieger zum DAX-Flop: So lief das Jahr 2023 für Siemens Energy
• Prognose-Streichung und Milliarden-Bürgschaft: Siemens Energy-Aktie verliert zweimal mehr als ein Drittel an Wert
• Analysten bei Aussichten für 2024 uneinig
Der Anteilsschein von Siemens Energy ist im Jahr 2023 mit einem Verlust von 35,76 Prozent seit Jahresbeginn der größte Verlierer im DAX - noch vor Bayer (-33,56 Prozent) und Zalando (-30,96 Prozent) (Stand: 20. Dezember 2023). Dabei hatte das Jahr 2023 für die Aktie des Energiekonzerns eigentlich noch sehr vielversprechend begonnen. Am ersten Handelstag 2023 hatte sie bei 17,575 Euro eröffnet und anschließend ihre seit Mitte Oktober 2022 laufende Rally fortgesetzt, die sie letztlich bis Ende Mai 2023 auf ein Jahreshoch von 24,81 Euro führte. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Papier seit Oktober 2022 rund 140 Prozent an Wert gewonnen und gehörte zu den größten Gewinnern im deutschen Leitindex in 2023. Doch im Anschluss erfolgte das böse Erwachen und die Kehrtwende für den Aktienkurs, der im weiteren Jahresverlauf zweimal äußerst dramatisch einbrach.
Siemens Energy mit mehreren Gewinnwarnungen wegen Gamesa
Dass Siemens Energy 2023 in der Krise steckte und im abgelaufenen Geschäftsjahr mit rund 4,6 Milliarden Euro den höchsten Verlust seiner Geschichte eingefahren hat, liegt vor allem an Problemen im Geschäft der Windkraft-Tochter Siemens Gamesa. Im Jahr 2022 kündigte Siemens Energy an, den Windanlagenhersteller komplett übernehmen zu wollen und erhoffte sich dadurch Synergien von 300 Millionen Euro pro Jahr. Die Übernahme glückte: Ende 2022 hielt Siemens Energy rund 93 Prozent an Siemens Gamesa, im Februar 2023 folgte der Börsenrückzug des Windkraftunternehmens. Doch etwa zur gleichen Zeit begannen auch die Probleme.
Bereits im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2022/23 verdoppelte sich der Verlust bei Siemens Energy aufgrund der Gamesa-Übernahme auf 598 Millionen Euro, denn dort fielen die Garantie- und Wartungskosten unerwartet hoch aus. Das kam indes nicht völlig überraschend, denn schon im Januar musste Siemens Energy wegen den Problemen bei Gamesa die Prognose für das Gesamtjahr senken. Dabei wurde angenommen, dass die operative Ergebnis-Marge vor Sondereffekten im Geschäftsjahr 2022/23 nun noch bei 1 bis 3 Prozent - statt 2 bis 4 Prozent - liegen werde und es zu einem Verlust auf Vorjahresniveau (647 Millionen Euro) kommen werde. Angepeilt worden war zuvor eigentlich eine deutliche Verlustreduzierung. An der Börse wurde dies damals noch vergleichsweise gelassen aufgenommen, doch das sollte sich noch ändern. Denn weitere Gewinnwarnungen blieben nicht aus.
Nachdem Siemens Energy aufgrund der anhaltenden Anlaufprobleme und Qualitätsmängel bei Windkraftanlagen von Siemens Gamesa auch Mitte Mai 2023 eine Ergebniswarnung ausgeben musste und die Prognose schließlich im Juni vollständig zurückzog, brach die Siemens Energy-Aktie an nur einem Handelstag dramatisch ein: Am 23. Juni sackte das Papier, das am Vortag noch bei 23,38 Euro geschlossen hatte, um 37,34 Prozent auf 14,65 Euro ab. Die bisherige Aufwärtsbewegung war damit auf einen Schlag endgültig beendet.
Erst im August bei der Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal traute sich Siemens Energy wieder eine Jahresprognose zu. Nach einem Verlust von fast drei Milliarden Euro im dritten Jahresviertel wurde für das Gesamtjahr nun ein Minus von rund 4,5 Milliarden Euro erwartet. "Die Situation bei Siemens Gamesa ist ein großer Rückschlag", sagte Konzernchef Christian Bruch dabei im Rahmen der Telefonkonferenz. Zwar sah der Konzern das Geschäftsjahr 2022/23 aufgrund der Integration von Siemens Gamesa bereits seit Januar als "Übergangsjahr", dass es so schlimm kommen würde, hatte das DAX-Unternehmen dann jedoch offenbar trotzdem überrascht.
Letztlich kam im Gesamtjahr bei Siemens Energy ein Verlust von knapp 4,6 Milliarden Euro zusammen, die bereinigte Marge lag bei minus 8,9 Prozent. Die anderen Sparten von Siemens Energy - Gas Services, Grid Technologies und Transformation of Industry -, die ihre Ziele erreichen oder übertreffen konnten, konnten die Verluste aus dem Windkraftgeschäft nicht ausgleichen, so der Konzern in einer Mitteilung.
Garantien in Milliardenhöhe nötig
Doch der Milliarden-Verlust war nicht das einzige große Problem von Siemens Energy im Jahr 2023. Ausgerechnet ein starker Auftragseingang sowie ein hohes Auftragspolster von mehr als 100 Milliarden Euro verursachten weitere Schwierigkeiten. Denn um den Auftragsbestand abarbeiten zu können, war Siemens Energy auf milliardenschwere Garantien angewiesen. Banken wollten diese laut "Reuters" aufgrund des Klumpenrisikos und der Bonität des Unternehmens, die sich verschlechtert hatte, aber nicht mehr alleine stemmen. Als Ende Oktober bekannt wurde, dass der DAX-Konzern mit dem Bund über staatliche Bürgschaften in Milliardenhöhe verhandelt, kam es zum zweiten Mal in 2023 zu einem massiven Kursrutsch bei Siemens Energy: Am 26. Oktober 2023 krachte die Aktie erneut um 35,49 Prozent in die Tiefe und schloss bei 6,87 Euro. Im Handelsverlauf markierte sie an diesem Tag auch ein 52-Wochen-Tief bei 6,40 Euro.
Mit dem Abschluss des Garantiepakets konnte sich Siemens Energy jedoch rund zwei Wochen später bilanziell wieder Luft verschaffen. So wurde Mitte November bekannt, dass der Konzern Garantielinien über insgesamt 15 Milliarden Euro erhält. 12 Milliarden Euro davon stammen von privaten Banken und werden teilweise durch eine Bürgschaft des Bundes abgesichert. Weitere drei Milliarden Euro kommen von anderen Beteiligten. Auch beim Aktienkurs kehrte in der Folge vorerst wieder Ruhe ein und die Titel konnten sich zuletzt wieder bis auf 11,38 Euro erholen (Stand: Schlusskurs vom 15. Dezember 2023).
Wie geht es 2024 für Siemens Energy weiter?
Auch im Jahr 2024 dürfte Siemens Gamesa weitere Verluste einfahren, das Konzernergebnis von Siemens Energy soll jedoch wieder einen Überschuss von einer Milliarde Euro aufweisen. Dieser dürfte jedoch hauptsächlich durch den Verkauf von Firmenanteilen zustande kommen. So wurde etwa bereits ein Anteil an Siemens India für 2,1 Milliarden Euro an die ehemalige Konzernmutter Siemens veräußert, von der sich Siemens Energy 2022 abgespalten hatte. Operativ könnte es wegen Gamesa allerdings erneut zu roten Zahlen kommen, denn die Sparte dürfte erst im Geschäftsjahr 2025/26 die Gewinnschwelle erreichen.
Analysten blicken derweil unterschiedlich auf die Aktie und das Geschäft von Siemens Energy. So senkte Analyst Andrew Wilson von JPMorgan Anfang Dezember das Kursziel für das Unternehmenspapier auf 9,60 Euro und setzte es auf die Liste der "Stocks to avoid" - also der Aktien, die man meiden sollte. Angesichts der negativen Überraschungen bei Siemens Gamesa sei das Vertrauen in das Management ausgehöhlt, so der Experte. Er sehe "keinen einfachen Weg der Wertschöpfung" bei Siemens Energy und halte weitere Kapitalmaßnahmen für wahrscheinlich. Sollte es 2024 tatsächlich zu einer Kapitalerhöhung kommen, dürfte das den Aktienkurs von Siemens Energy erneut belasten.
Positiver eingestellt ist indes die US-Bank Goldman Sachs. Sie empfiehlt die Aktie mit einem Kursziel von 18,60 Euro weiterhin zum Kauf. Die Streichung der Einstufung "Credit Watch Negative" durch die Ratingagentur Standard & Poor's könnte Bedenken am Markt über die Bilanz des Energietechnikunternehmens mildern, schrieb Analyst Ajay Patel. Das gelte auch für die Sorgen über eine kurzfristig mögliche Kapitalerhöhung. Auch Barclays-Analyst Vladimir Sergievskiy zeigte sich mit einem "Overweight"-Rating und einem Kursziel von 19 Euro zuversichtlich für die Zukunft der Siemens Energy-Aktie. Das Windgeschäft könnte zwar womöglich noch bis über 2026 hinaus Barmittel verbrennen, doch die wohl noch lange währende Erholungsreise starte genau jetzt, so der Analyst.
Womöglich erreicht Siemens Energy also im Jahr 2024 - nach den kräftigen Verlusten im Jahr 2023 und einem Verlust von rund 22 Prozent 2022 - endlich wieder eine positive Jahresperformance. Immerhin ging es auch seit dem Oktober-Tief inzwischen wieder um rund 77 Prozent aufwärts (Stand: Schlusskurs vom 15. Dezember 2023).
Redaktion finanzen.at
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