11.03.2022 20:49:38

ROUNDUP: VW kann Folgen der Chipkrise eindämmen - Vorsicht wegen Ukraine-Krieg

WOLFSBURG (dpa-AFX) - Trotz erheblicher Probleme wegen der Chipkrise hat Volkswagen (Volkswagen (VW) vz) 2021 wieder deutlich mehr verdient - aber der Krieg in der Ukraine und die zähen Lieferengpässe halten den Konzern unter Druck. Wie die Wolfsburger am Freitagabend mitteilten, stieg der Gewinn von Europas größter Autogruppe auf Basis vorläufiger Zahlen gegenüber 2020 unter dem Strich um fast 75 Prozent auf 15,4 Milliarden Euro. Der Umsatz konnte nach den coronabedingten Schwierigkeiten des Vorjahres ebenso zulegen. Er wuchs um 12,3 Prozent auf 250,2 Milliarden Euro.

Bei der am Aktienmarkt stark beachteten operativen Marge konnte VW überzeugen. Vor Zinsen, Steuern und Sondereinflüssen blieben acht Prozent vom Umsatz als Gewinn übrig - mehr als von Analysten zuvor im Schnitt geschätzt. In diesem Jahr nimmt VW die Spanne von 7 bis 8,5 Prozent ins Visier, das hatten Experten in etwa so auch auf dem Zettel. Der Dividendenvorschlag fällt mit 7,56 Euro je Vorzugsaktie überraschend hoch aus. Die im Dax notierte Aktie legte auf der Handelsplattform Tradegate gegenüber dem Xetra-Schluss nachbörslich um 2,2 Prozent zu. Der Ausblick auf 2022 sei sehr solide, urteilte JPMorgan-Analyst Jose Asumendi. Die Ausschüttungsquote von weniger als 30 Prozent könnte bei den Investoren jedoch Fragen aufwerfen.

Viele Auto-Kunden von VW müssen derzeit lange auf ihren Wagen warten. Die Preise könnten infolge zunehmender Energie- und Rohstoffkosten ebenfalls anziehen, deutete Finanzvorstand Arno Antlitz an. Vieles hänge von Entwicklung und Dauer des Konflikts in Osteuropa ab. Sollte dieser länger anhalten, könnte sich womöglich auch unternehmensintern zusätzlicher Sparbedarf ergeben. An den Investitionen halte VW (Volkswagen (VW) vz) fest.

Während sich die Finanzkennzahlen 2021 stark verbesserten, schnitt der Konzern bei den Auslieferungen schlechter ab. Die Zahl der weltweit übergebenen Fahrzeuge sank um 4,5 Prozent auf knapp 8,9 Millionen. Auch nach den ersten beiden Monaten dieses Jahres wurde ein Rückgang gemeldet, es ging um rund ein Sechstel abwärts. Die Kernmarke verhängte wegen fehlender Teile gerade einen Bestellstopp für Plug-in-Hybride. Besonders schmerzlich für VW: Der wichtigste Markt China lag im Januar und Februar beinahe 17 Prozent im Minus.

Die Toyota (Toyota Motor)-Gruppe lieferte etwa 10,5 Millionen Autos aus und übernahm in dieser Betrachtung die Führung. Der VW-Konzernabsatz lag zuletzt noch um 2,4 Millionen unter dem Wert des Vor-Corona-Jahres 2019. Jedoch entwickelte sich die Nachfrage nach E- und Hybridautos gut. Bei reinen Stromern verdoppelten sich die Auslieferungen fast.

Engpässe mit Elektronik-Bauteilen belasteten die Industrie in den letzten Monaten schwer. Die Knappheit dürfte noch eine Zeit anhalten. Antlitz gab sich relativ zuversichtlich: "Wir sehen, dass sich die Versorgung mit Halbleitern verbessern wird, vor allem im zweiten Halbjahr." Der Chipmangel bleibe aber ein strukturelles Problem.

Die Ambitionen für das neue Jahr sind groß. Die VW-Spitze rechnet - wenn es gut läuft - mit einer höheren Ertragskraft, der Umsatz soll um 8 bis 13 Prozent zulegen. "Aber all dies ist unter dem Vorbehalt der weiteren Entwicklung", so Antlitz. "Es ist noch unklar, wie sich der Ukraine-Konflikt auf die Gesamtlieferketten und auf die Weltkonjunktur auswirken wird."

So sind bei VW schon jetzt einige Standorte auf dem Trockenen, weil in der Westukraine gefertigte Kabelbäume fehlen. Nach den Werken in Sachsen soll es unter anderem am Stammsitz Wolfsburg erneut zu Schichtausfällen und Kurzarbeit kommen. "Wir bekommen aktuell noch einiges an Versorgung, aber es ist natürlich schwierig", meinte der Finanzchef zur Lage in der Ukraine. "Wir versuchen, die Zulieferer zu stützen. Es wird in den nächsten Tagen aber sukzessive zu weiteren Einschränkungen kommen. Wir arbeiten auch an Strategien, um auf andere Lieferanten in Europa und Nordamerika auszuweichen."

Es sei nicht auszuschließen, dass die weiter steigenden Energiepreise am Ende zum Teil auch auf die Verbraucher überwälzt werden müssten. Zwar sorgten entsprechende Sicherungsgeschäfte für Stabilität. "Aber natürlich wird das mittelfristig unser Geschäft beeinflussen - und natürlich wird man das eine oder andere weitergeben müssen."

Neue Sparprogramme hatte die Leitung nach einem Streit zwischen Betriebsratschefin Daniela Cavallo und Vorstandschef Herbert Diess Ende vorigen Jahres ausgeschlossen. Falls die Kosten weiter gesenkt werden müssen, dann nur im Rahmen bestehender Vereinbarungen. Bis 2023 war ein Rückgang um fünf Prozent geplant. Mit Blick auf die Ukraine meinte Antlitz, die großen Investitionsprojekte hätten Bestand. Aber: "Wenn die Krise anhält, kann es zu einer Situation kommen, wo man auf der normalen Fixkostenseite noch einmal deutlich anpassen muss."

Diess strebt vor allem eine höhere Produktivität und Effizienz an. Parallel dazu steckt der Konzern über die nächsten fünf Jahre aber eine hohe zweistellige Milliardensumme in Digitales und E-Modelle. Zum Jahresende 2021 hatte die VW-Gruppe rund 672 800 Beschäftigte.

Die Produktion in Russland will Volkswagen wie viele andere Firmen zunächst aussetzen. Gleiches gilt für Autoexporte in das Land. Diess warnte, der Krieg könnte noch heftigere Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft haben als die Corona-Krise. Eine in die Länge gezogene militärische Auseinandersetzung würde die Region wohl "sehr viel schlimmer" treffen als die Verbreitung des Covid-19-Erregers, sagte der Manager jüngst der "Financial Times". Auf Dauer beschädigte globale Lieferketten dürften demnach "zu riesigen Preiserhöhungen, Knappheit an Energie und Inflation" führen. "Das könnte sehr riskant sein für die europäische und die deutsche Wirtschaft."

Einstweilen sprudeln die Gewinne aber wieder stärker - die Aktionäre sollen davon profitieren. Der Hauptversammlung am 12. Mai soll eine Dividende von 7,50 Euro pro Stamm- und 7,56 Euro pro Vorzugsaktie vorgeschlagen werden, über die Hälfte mehr als im Jahr zuvor. Die Dachgesellschaft Porsche SE (Porsche SE Vz), in der die Familien Porsche und Piëch ihre Anteile an VW gebündelt haben, erwartet einen Vor-Steuer-Zufluss von rund 1,18 Milliarden Euro aus den Ausschüttungen./jap/men/he

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