Entscheidung erwartet 03.07.2024 17:51:00

Lufthansa-Aktie gefragt: Ita-Übernahme durch Lufthansa genehmigt

Lufthansa-Aktie gefragt: Ita-Übernahme durch Lufthansa genehmigt

Mit einem Abschluss der Transaktion werde im vierten Quartal gerechnet, teilte die deutsche Luftfahrtgesellschaft mit. Auch weitere Behörden außerhalb der EU müssten den Zukauf noch genehmigen, bei dem die Lufthansa zunächst 41 Prozent an dem Alitalia-Nachfolger durch eine Kapitaleinlage von 325 Millionen Euro erwirbt, aber Optionen für eine vollständige Übernahme im nächsten Jahr hat.

Die Lufthansa will ITA als eigenständige Marke weiterführen, aber eng in den Konzern integrieren und dabei Kostensynergien heben. Unmittelbar nach dem Closing sollen die Streckennetze durch Codesharing miteinander verknüpft werden. Rom-Fiumicino werde das sechste Drehkreuz der Lufthansa, heißt es in der Mitteilung.

Um Wettbewerbsbedenken aus Brüssel zu zerstreuen, wird die Lufthansa im Wesentlichen Start- und Landerechte am Flughafen Mailand-Linate an einen Wettbewerber im Kurzstreckenverkehr übertragen. Zwischen Italien und den Lufthansa-Heimatmärkten soll dieser Wettbewerber einzelne Strecken übernehmen, auf denen die Lufthansa-Gruppe und ITA Airways heute noch als Konkurrenten auftreten. Zusätzliche Zubringerflüge ab Rom zu Drehkreuzen europäischer Wettbewerber sollen darüber hinaus für einen verbesserten Wettbewerb auch auf Langstrecken ab Rom nach Nordamerika sorgen.

Langes Tauziehen

Die Verhandlungen und Prüfungen um den Einstieg des umsatzstärksten Luftverkehrskonzerns Europas bei der bisherigen italienischen Konkurrenz ziehen sich schon seit mehr als einem Jahr hin. Die Italia Trasporto Aereo (ITA) ging 2020 aus der staatlichen Fluglinie Alitalia hervor, die immer wieder in schwere Turbulenzen geraten war. Zurzeit hat das Unternehmen noch etwa 4.500 Beschäftigte. Zum Vergleich: Der Lufthansa-Konzern zählt aktuell fast 99.000 Beschäftigte und hat in der Vergangenheit mit Swiss, Austrian und Brussels Airways bereits drei frühere Staatsairlines integriert. Die Marken wie auch die Drehkreuze in den Heimatländern Schweiz, Österreich und Belgien blieben erhalten. Die Ita ist nicht offizielle Rechtsnachfolgerin der Alitalia, hat sich aber die Rechte an dem legendären Namen gesichert, der laut Konzernkreisen bald wieder belebt werden könnte.

Zugang zum italienischen Markt

Lufthansa-Chef Carsten Spohr hatte sich zuletzt optimistisch gezeigt, zügig die Genehmigung aus Brüssel zu bekommen. Die Lufthansa verschafft sich mit der Übernahme Zugang zum italienischen Markt, der vor allem wegen der engen Beziehungen in die USA sehr lukrativ ist. Dass mit der Ita eine weitere Airline der von Air France dominierten Allianz "Sky Team" gebrochen wird, ist ein erwünschtes Nebenergebnis.

Ita kann allein nicht überleben

Nach Meinung vieler Experten könnte Ita allein nicht überleben. Im Heimatmarkt wurde sie von Billigfliegern wie Ryanair und easyJet in die zweite Reihe gedrängt. Auf den gewinnbringenden Strecken über den Atlantik tut sie sich schwer, gegen die Macht der sehr viel größeren US-Anbieter anzukommen. Das ist in einem starken Verbund wie mit der Lufthansa erheblich einfacher, wie auch die EU-Kommission anerkannt hat

Gerade an diesem Punkt hatten die EU-Wettbewerbshüter Bedenken angemeldet, weil Lufthansa über dem Nordatlantik in einem Joint Venture auch Absprachen mit United und Air Canada trifft. Auf dem lukrativsten Luftverkehrsmarkt der Welt sind aber auch sämtliche anderen US-Carrier sowie die europäischen Lufthansa-Konkurrenten IAG um British Airways und AIR France-KLM aktiv. Die Kommission war im März überzeugt, dass der von anderen Fluggesellschaften ausgehende Wettbewerbsdruck auf Strecken zwischen Italien und den USA sowie von und nach Kanada sowie Japan vernachlässigbar sei.

Zudem hatten die EU-Beamten Bedenken, dass sich bei der Lufthansa auch auf Kurzstrecken zwischen Italien und mitteleuropäischen Ländern zu viel Marktmacht konzentrieren könnte. Konkurrenz gebe es zwar - in erster Linie durch Gesellschaften wie Ryanair - solche Billigfluggesellschaften starteten aber oft von abgelegenen Flughäfen. Lufthansa ist auch seit Jahren mit der eigenen Regionalgesellschaft Air Dolomiti in Norditalien aktiv.

Höhere Ticketpreise befürchtet

Die EU-Kommission befürchtete vor allem Nachteile für Verbraucher. Denn wenn es nur wenig Konkurrenz auf Strecken gibt und sich viel Marktmacht bei einem Anbieter konzentriert, kann dieser theoretisch Preise über dem marktüblichen Niveau verlangen. Kundinnen und Kunden können dann nicht oder nur eingeschränkt auf günstigere Wettbewerber umsteigen. Auch deswegen gibt es in der EU strenge Wettbewerbsregeln.

Italiens Rechts-Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni mutmaßte zwischenzeitlich, dass andere Konkurrenten die Übernahme in Brüssel ausbremsen wollten. Aus Rom gab es auch offene Vorwürfe in Richtung Frankreich und Air France.

Sparrunden bei Flotte und Personal bereits überstanden

Ähnlich wie bei der 2007 übernommenen Swiss handelt es sich bei der Ita um ein saniertes Unternehmen, das schmerzhafte Sparrunden bei Flotte und Personal hinter sich hat. Mit dem gemeinsamen Einkauf und besserer Planung könnte sie schnell operativ Gewinne einfliegen, meinen die Lufthansa-Experten. Und für 2027 sah der gemeinsame Businessplan von Lufthansa und römischem Finanzministerium aus dem Vorjahr bereits einen Umsatz von 4,1 Milliarden Euro vor (2022: 1,6 Mrd).

Risikofaktor italienische Regierung

325 Millionen Euro sollen als erste Rate für 41 Prozent der Anteile in das Eigenkapital der Airline mit 71 tiefblau lackierten Flugzeugen fließen. Der italienische Staat, angesichts der schnellen Regierungswechsel durchaus ein Risikofaktor, bleibt zunächst noch an Bord. Ab 2025 kann Lufthansa unter genau definierten Bedingungen die Option für weitere 49 Prozent ziehen und unter Umständen sogar alleiniger Eigentümer der Airline werden. Für die Übernahme der restlichen 10 Prozent vom Staat muss noch die geschäftliche Entwicklung bewertet werden.

Als neuer Ita-Chef ist Lufthansa-Strategiechef Jörg Eberhart im Gespräch, der bereits knappe acht Jahre lang die in Norditalien aktive Regionaltochter Air Dolomiti geleitet hat. Er könnte mit einem weiteren Lufthanseaten in den fünfköpfigen Ita-Verwaltungsrat einziehen.

Lufthansa-Chef Spohr sieht bei Ita-Übernahme viele Gewinner

Die Lufthansa sieht in der Übernahme der staatlichen italienischen Fluggesellschaft Ita auch eine Stärkung für die europäische Luftfahrt insgesamt. Vorstandschef Carsten Spohr sprach bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der italienischen Seite in Rom von einem "Tag mit vielen Gewinnern". Dazu gehöre auch Europa, das starke Fluggesellschaften brauche, um mit der weltweiten Konkurrenz mithalten zu können.

Spohr kündigte nach der Erlaubnis durch die EU-Kommission an, den italienischen Hauptstadt-Flughafen Rom-Fiumicino zu einem weiteren Drehkreuz für die Lufthansa auszubauen. "Das wird es uns erlauben, mehr Verkehr in die südliche Hemisphäre zu bringen", sagte der Konzernchef. Von den neuen Verbindungen würden auch die Kunden der Lufthansa und der Ita profitieren.

Für die deutsche Fluggesellschaft sei die Genehmigung durch Brüssel ebenfalls ein Gewinn. "Ita wird uns unterstützen, unsere Position als Nummer 1 in Europa weiter auszubauen." Offen ließ Spohr, wer künftig Ita leiten werde. "Es ist noch zu früh, um Namen zu nennen", sagte er.

Via XETRA stieg die Lufthansa-Aktie schlussendlich um 3,55 Prozent auf 5,95 Euro an.

BRÜSSEL/FRANKFURT/ROM (dpa-AFX) / FRANKFURT (Dow Jones)

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