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Kommt es zum Ausverkauf? 07.02.2016 03:00:02

Achtung, deutsche Maschinenbauer, die Chinesen kommen!

von Kai Lucks, Gastautor von Euro am Sonntag
Die soeben abgeschlossene Über­nahme der KraussMaffei Plas­tic Machinery hat Aufsehen erregt. Sie ist in der Tat mit einem Kaufpreis von 925 Millionen Euro die größte Übernahme, die die Chinesen auf dem deutschen Markt für Maschinenbau je getätigt haben, größer als 2012 die Übernahme der Kion-Gruppe (ehemals Linde Gabelstapler) für 738 Millionen Euro durch Weichai Power, der bislang größte chinesische Deal in Deutschland. Unsere Übernahmen in China liegen in der gleichen Größenordnung. Im Maschinenbau liegt China jedoch vorn - und ist weiter im Kommen.


Viele haben auch geunkt, dass in Deutschland ein Ausverkauf von Unternehmen an China stattfindet. Zumindest mit Blick auf China ist das nicht richtig: Die M & A-Bilanz (M & A = Fusionen und Übernahmen) zwischen beiden Ländern ist insgesamt ausgewogen. Bis 2010 hatten die Deutschen einen Überhang an Übernahmen in China. Seit 2011 ziehen chinesische Übernahmen jedoch deutlich an und liegen vorn, während die deutschen Übernahmen stetig bis auf drei Einheiten im Jahr 2014 zurückgefallen sind. 2015 holten die deutschen Übernahmen in China mit zwölf Einheiten wieder stark auf. China baut seinen Vorsprung seit 2010 jedoch gleichmäßig aus, mit 23 Übernahmen in Deutschland im vergangenen Jahr.

Chinesen sind keine
guten Restrukturierer

Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Deutschen ihre durch M & A erworbenen Positionen durch organischen Ausbau stark gefestigt haben. Früher waren Chinesen bekannt für billige Übernahmen konkursreifer Unternehmen ohne erkennbare strategische Richtung und unter Verlagerung der Fertigung nach China. Die gingen regelmäßig schief, denn Chinesen sind keine guten Restrukturierer - das passt nicht in ihre Kultur der Konsensgesellschaft.

Die chinesischen Unternehmen haben aus diesen Fehlschlägen gelernt, sie tätigen zunehmend sorgsam geplante strategische Übernahmen unter Vermeidung alter Fehler. Sie streben die Kontrolle ganzer Branchen an. Ihre Unternehmen agieren zunehmend unter systematischer Analyse der ganzen Wertschöpfungskette.

So hat China die Marktführer bei ­Betonpumpen aufgekauft. Die haben eine Schlüs­selfunktion beim Bau von Hochhäusern. Etwa 2012 die Übernahme der Firma Putzmeister durch Sany und der Kauf von Schwing aus Herne durch den chinesischen Maschinenbauer XCMG. Dadurch verfügt China über die weltweit führenden Betonpumpen-Hersteller. Anders als früher werden den deutschen Zielunternehmen jedoch große Freiräume eröffnet und China entpuppt sich als echter "strategischer Investor". So beschränkt sich Sany auf den chinesischen Massenmarkt und überlässt das gesamte sonstige Weltgeschäft der Tochter Putzmeister mit ihren kundenspezifischen Speziallösungen. Die Integration beschränkt sich auf das "Anhängen" an die chinesische Mutterorganisation. Aus dem Tagesgeschäft halten sich die Chinesen heraus.


Die Übernahme von KraussMaffei ­Plastic Machinery ist gleichfalls ein ­strategischer Kauf aus chinesischer Sicht: Der Erwerber, die ChemChina, ist zum Beispiel bei Kunststoffteilen im ­Automobilbereich aktiv. Sie betreibt damit eine Rückwärtsintegration auf Maschinen, die man in der eigenen Fertigung einsetzt.

Ist dies eine Bedrohung für den Standort Deutschland? Nein - genau das Gegenteil ist der Fall. KM Plastic Machinery und Putzmeister sind keine strategischen Schlüsseltechnologien für den Standort Deutschland. KMP wurde jahrelang (seit der Übernahme der Mannesmann-Industriesparte durch Siemens) lieblos hin- und hergeschoben und hat nun unter chinesischer Führung ein dauerhaftes strategisches Zuhause gefunden. Die chinesischen Mütter haben kein Interesse, die technologischen Kerne von Putzmeister und KMP abzuziehen, solange die deutschen Werke versprechen, die besseren Technologiestandorte für die Unternehmen zu sein.

Die übergeordnete Strategie im aktuellen Fünfjahresplan der Regierung in Peking verfolgt also nicht mehr die Lokalisierung in China, sondern die Lokalisierung im besten Standort auf der Welt. Dabei geht China systematisch und nun differenziert vor. In Peking hat man erkannt, dass der Technologietransfer am besten dadurch stattfindet, dass man Technologieführer in den chinesischen Markt einlädt, um dort Wertschöpfung zu erbringen - und möglichst dort auch zu entwickeln. Der Technologietransfer findet dann im Zusammenspiel mit deren Kunden und Lieferanten statt.

Zwar ist hier Vorsicht geboten, denn "der Feind hört mit" - sprich: Das Problem des vielfältigen Kopierens durch chinesische Konkurrenten ist nicht vom Tisch. Aber die chinesischen Mütter von KMP und Putzmeister haben größtes Interesse, ihre Töchter vor chinesischen Kopierern zu schützen. Und der chinesische Staat weiß, dass der Urheberrechtsschutz eine der wichtigsten Voraussetzungen ist, Technologien in großer Breite ins Land zu holen.

China will in die erste Liga
der Industrieländer aufrücken

Dies gilt insbesondere auch für Hunderte von Technologieparks. Ein Beispiel ist Kaicang in Südchina, das als deutsche Heimat in China gilt: hier sind rund 240 deutschstämmige Unternehmen aktiv. Ein anderes Beispiel ist Shen­yang im Norden, dem einstigen "Ruhrgebiet" Chinas, in dem zehn Industrieparks im Aufbau sind, die vor allem Hochtechnologie-Unternehmen aus dem Ausland anziehen sollen.

Um die Lokalisierung von Auslands­unternehmen voranzutreiben, geht die chinesische Regierung auf Werbetour. Mit der deutschen Bundesregierung wurde ein Aktionsplan vereinbart, der unter das Motto "Innovationen gemeinsam gestalten" gestellt wurde. Daneben wurden Agenturen geschaffen, die Unternehmen aus dem Ausland anziehen sollen, so die Hong Kong Trade Authority und die zum Wirtschaftsminis­terium gehörige CIIPA Chinese Inter­national Investment Promotion Agency, beide mit Sitz in Frankfurt.

Der neue Weg Chinas zielt auf Teilhabe an der Spitzenentwicklung, denn nur so kann China in die Liga der führenden Industrieländer aufrücken. Man ist heute bereit, dies auf differenzierterem Wege anzugehen, etwa durch Minderheitsbeteiligungen und Verflechtungen zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen. China macht jetzt den Schritt vom Schwellenland zur modernen Hochtechnologie- und Konsumgesellschaft, und da muss man den Unternehmern überlassen, den Pfad, der für sie der erfolgversprechendste ist, selbst zu wählen. Das hat die chinesische Zentralregierung erkannt.

Kurzvita

Kai Lucks, Vorsitzender des
Bundesverbands Mergers & Acquisitions

Professor Lucks hat 35 Jahre Berufserfahrung. Bis 2009 war er Leiter der Abteilung Bereichsstrategien in der Siemens-Zentrale, mit dem Kompetenzzentrum für M & A-Integration.
Der Bundesverband Mergers & Acquisitions betreibt industrieübergreifenden und inter­nationalen Wissens­transfer zu M & A. So bestehen enge Verbindungen zum chinesischen M & A-Verband (CMA) und der US-amerikanischen Alliance of M & A Advisors (AM & AA).

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