29.03.2020 12:56:41
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VIRUS/Wirtschaft: Corona-Hilfen erreichen Mittelstand nicht
BERLIN/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Handwerk und Reisebranche beklagen in der Corona-Krise mangelnde Unterstützung und eine Förderlücke. "In dieser Extremlage brauchen neben den kleinen Betrieben auch solche mit mehr als zehn Mitarbeitern Soforthilfen", sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Weite Teile des Mittelstandes fielen durch das Raster von direkten Zuschüssen. Ähnlich äußerte sich der Deutsche Reiseverband (DRV). "Die Bundesregierung muss dringend Maßnahmen für mittelständische Unternehmen bewilligen", forderte DRV-Präsident Norbert Fiebig.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) versuchte, die Kritik zu entschärfen. "Wir helfen mit umfassenden Maßnahmen der gesamten Wirtschaft von klein bis groß und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, mit dieser Extremsituation umzugehen", heißt es in einem der dpa vorliegenden Brief Altmaiers an Wirtschaftsverbände. Zugleich stellte er weiteren staatlichen Anschub für die Zeit nach der Krise in Aussicht.
"Wir brauchen ein umfassendes Fitnessprogramm für die deutsche Wirtschaft", sagte Altmaier der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Die Rettungspakete allein werden nicht genügen." Das Konzept solle sich nicht auf klassische Konjunkturprogramme beschränken, sondern strukturell die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft verbessern.
So müssten Deutschland und Europa den Rückstand bei der Digitalisierung aufholen und dafür sorgen, dass Arbeitsplätze der Zukunft nicht nur in Amerika und Asien entstünden. Zudem müssten Bereiche wie Arzneimittel und Biotechnologie auch hierzulande angesiedelt sein. Als strategisches Ziel nannte Altmaier, eine wettbewerbsfähige Stahl- und Automobilindustrie zu erhalten.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen setzt für die Zeit nach der Krise auf hohe Investitionen in den Klimaschutz und die Digitalisierung. "Die werden beim Wiederaufbau eine ganz dominante Rolle spielen", sagte sie der dpa. Gerade in der Krise helfe ja vor allem digitale Technik, ob nun beim Lernen der Schulkinder, bei Videokonferenzen im Homeoffice oder beim 3D-Druck von medizinischen Schutzvisieren gegen Corona. "Wir werden in ganz Europa massiv neu investieren müssen", sagte von der Leyen. "Dabei sollten wir ganz bewusst auf Zukunftstechnologien setzen und auf saubere Technologien."
Bundesregierung und Parlament hatte verschiedene Hilfsprogramme beschlossen. Ein unbegrenztes Kreditprogramm der staatlichen Förderbank KfW soll Liquidität sichern. Daneben geht es um Steuerstundungen, ein erweitertes Kurzarbeitergeld, einen Stabilisierungsfonds für große Unternehmen sowie ein milliardenschweres Paket mit direkten Zuschüssen für kleine Firmen mit bis zu zehn Beschäftigten - die häufig keine Kredite bekommen oder über keine Sicherheiten verfügen.
Das Bundeswirtschaftsministerium veröffentlichte am Wochenende eine Checkliste für Unternehmen. Es soll sie dabei unterstützen, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Die Liste umfasst neun Punkte - von der Beurteilung der Finanzlage über Gespräche mit Lieferanten, Kunden und Vermietern bis zur Prüfung von Kurzarbeit.
In seinem Brief betonte Altmaier: "Ich weiß, die Hilfen der Bundesregierung können unseren Unternehmen dabei nicht ersetzen, was die Pandemie für Umsätze und Gewinne bedeutet. Aber wir tun alles, damit wir Sie als Partner durch die Krise hindurchbegleiten."
Einer Umfrage des DRV zufolge haben 90 Prozent der befragten Unternehmen von den Kredithilfen über das KfW-Programm noch kein Geld gesehen. "Und das in dem Wissen, dass sie ohne schnelle und unbürokratische Liquiditätshilfen bald am Ende sind", sagte Verbandspräsident Fiebig. Von den fast 700 teilnehmenden Unternehmen gaben mehr als 540 an, welches Problem sie mit den Hilfen haben. Die meisten davon teilten mit, das ihnen das Verfahren zu lange dauere - beim KfW-Kreditprogramm spielen die Hausbanken der Firmen bei Prüfungen eine Schlüsselrolle. Banken und Sparkassen werden überrannt von Anfragen.
Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks forderte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung", dass die Hilfen schneller und besser verfügbar sein sollten. Vieles sei noch zu bürokratisch, die örtliche Arbeitsagentur sei vielfach nicht erreichbar, teilte der Verband mit./hoe/DP/fba
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