20.01.2014 20:28:35

Verlust der Deutschen Bank wird Schule machen in Europa

   Von Ulrike Dauer, David Enrich und Eyk Henning

   FRANKFURT--Der überraschende Milliardenverlust der Deutschen Bank im vierten Quartal ist möglicherweise nur der Beginn einer neuen Aufräumwelle unter Europas Banken. Der deutsche Branchenprimus dürfte Vorreiter für andere europäische Banken sein, die wohl ebenfalls schmerzvolle finanzielle Einschnitte verkraften müssen.

   Die europäischen Behörden, die die Bankenkrise auf dem Kontinent endlich beenden wollen, arbeiten derzeit an einer neuen Runde von Bilanzprüfungen, die später im Jahr abgeschlossen werden sollen. Deren Ziel ist es, versteckte Verluste aufzudecken und die Banken dazu zu zwingen, mehr Geld für zukünftige Kreditverluste zurückzulegen oder - wenn nötig - auch mehr Kapital aufzunehmen.

   Der von der Deutschen Bank ausgewiesene Quartalsverlust von knapp 1 Milliarde Euro netto weckt laut Analysten zum Teil den Anschein, dass das Institut in Erwartung der umfangreicheren regulatorischen Überprüfung gehandelt haben könnte. Die Frankfurter Bank hatte ihre Zahlen am späten Sonntag bekannt gegeben, eine Woche früher als ursprünglich geplant. Damit reagierte sie auf einen am Freitag veröffentlichten Bericht des Wall Street Journals über ihre schwache Geschäftsentwicklung. Der Aktienkurs der Deutschen Bank rutschte am Montag mehr als 5 Prozent ins Minus.

   Der Verlust stand in Kontrast zu den Schätzungen der Analysten, die einen Quartalsgewinn von fast 700 Million Euro erwartet hatten. Die roten Zahlen sind zudem ein weiterer Schlag für das Management der Bank unter Leitung der Co-Vorstandsvorsitzenden Anshu Jain und Jürgen Fitschen.

   Es ist bereits das dritte Mal in den vergangenen fünf Quartalen, dass die Ergebnisse der Deutschen Bank die Markterwartungen verfehlt haben. Und die Bank, eine der nach allen Maßstäben größten Europas, muss sich mit einer wachsenden Zahl an staatlichen Untersuchungen ihres Verhaltens und des Verhaltens ihrer Mitarbeiter auseinandersetzen.

   Europas Banken beginnen offiziell in der kommenden Woche mit der Vorlage ihrer Quartalszahlen. Es wird erwartet, dass sie dem Beispiel der Deutschen Bank folgen und sich im vorauseilenden Gehorsam für die anstehenden Überprüfungen durch europäische Behörden vorbereiten.

   Der Verlust der Deutschen Bank "ist vermutlich ein Vorbote für das, was wir von anderen Banken in dieser Berichtssaison sehen werden", sagte Citigroup-Analyst Kinner Lakhani. "Ich denke, das wird man auch anderswo sehen."

   Deutlich mehr als 100 europäische Banken müssen sich einer Überprüfung ihrer Asset-Qualität durch die Europäische Zentralbank sowie einem "Stresstest" ihrer Bilanzen unterziehen. Der soll feststellen, wie sie einen wirtschaftlichen und finanziellen Sturm überstehen würden. Es ist der jüngste Vorstoß, mit dem Europas Regulierer die Sorgen der Öffentlichkeit um die Gesundheit der Kreditgeber des Kontinents zerstreuen wollen. Mehrere vorangehende Stresstest-Runden waren als zu wenig rigoros verspottet worden. Durch solche Zweifel wurde Europas Finanzkrise verlängert, vor allem im Vergleich zu den USA, wo das entschiedene Durchgreifen der Regulierer und Bankmanager die Finanzkrise von 2008 zu einem recht schnellen Ende gebracht hat.

   Eine wachsende Zahl europäischer Banken scheint nun vorzusorgen. So kündigte beispielsweise die österreichische Raiffeisen Bank International in diesem Monat eine Kapitalerhöhung über mindestens zwei Milliarden Euro an. Im vergangenen Jahr hatte die Bank Vermögenswerte abschreiben müssen.

   In Großbritannien hat die Royal Bank of Scotland bereits vor Belastungen in Höhe von bis zu 4,5 Milliarden Britischen Pfund auf faule Kredite gewarnt. Das Institut legt seine Quartalsergebnisse noch im Januar vor. RBS-Chef Ross McEwan hatte vor kurzem erklärt, die staatlich kontrollierte Bank könne sich dank dieser Belastungen schnell von unerwünschten Assets trennen.

   Ein großer Teil des Verlustes des Deutschen Bank stammt aus Rückstellungen in Höhe von 689 Millionen Euro für künftige Kreditverluste. Das ist der höchste Betrag in mindestens zwei Jahren und zudem fast 60 Prozent mehr als im Vorjahr.

   "Ich bin mir sicher, dass ein grosser Teil des Anstiegs der Risikovorsorge im Kreditgeschäft mit dem AQR (Asset Quality Review der Europäischen Zentralbank) zu tun hat", sagte Dirk Becker, ein Analyst bei Kepler Cheuvreux. "Sonst wäre es schwer zu erklären, warum die Kreditvorsorge 2013 so stark anstieg - der Wirtschaft ging es nicht schlecht."

   Der Finanzvorstand der Bank, Stefan Krause, begründete den sprunghaften Anstieg mit einer Routine-Untersuchung, ob die Rückstellungen der Bank noch angemessen seien. Er sei zum Teil auf einige wenige Kredite in Spanien und Deutschland zurückzuführen.

   Die Regulierer der EZB wollen bei der neuen Bilanzprüfungsrunde vor allem auf Gewerbeimmobilienkredite schauen, von denen viele wegen der rückläufigen Immobilienmärkte und schrumpfenden Wirtschaften an Wert verloren haben.

   "Niemand will sich bei der AQR vorhalten lassen, dass die Risiken auf den Büchern zu hoch sind", sagte Becker. "Banken werden eher zuviel als zuwenig abschreiben."

   Für die roten Zahlen bei der Deutschen Bank im Schlussquartal war auch ein starker Rückgang der Einnahmen aus dem Anleihen- und Währungshandel verantwortlich. Das bekamen auch Wall-Street-Banken wie Citigroup und Goldman Sachs zu spüren.

   Zudem legte die Deutsche Bank auch mehr Geld für die erwarteten Kosten von Rechtsstreitigkeiten und staatlichen Untersuchungen zurück, unter anderem auch für die andauernde Untersuchung mutmaßlicher Manipulationen der Zinssätze im Interbankengeschäft, wie dem Libor.

   Im Dezember musste die Deutsche Bank 725 Millionen Euro Strafe zahlen, um Vorwürfe der Europäischen Union beizulegen, die Bank habe sich an der Manipulation mehrer Referenzzinssätze wie dem Libor beteiligt zu haben. In den USA und Großbritannien wird gegen die Bank deswegen noch ermittelt.

   Zudem steht der Bank eine Untersuchung wegen des Verdachts auf Manipulation von Wechselkursen ins Haus. Die Bank zählt zu den größten Akteuren im riesigen Devisenmarkt und hatte im vergangenen Jahr mehrere Händler entlassen. Nun will die deutschen Bankenaufsicht BaFin den Druck erhöhen und auch Ermittler in Büros der Deutschen Bank schicken, wie ein Informant sagte. Die Aufseher gehen derzeit weltweit bei verschiedenen Banken dem Verdacht nach, dass Wechselkurse manipuliert worden sein könnten.

   Mitarbeit: Max Colchester

   Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

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   January 20, 2014 13:55 ET (18:55 GMT)

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