10.08.2014 17:07:47

UKRAINE-KRISE/ROUNDUP: Warten auf mögliche Russland-Hilfen - Arbeitsmarkt stabil

BERLIN/MOSKAU (dpa-AFX) - Russlands Import-Boykott für Lebensmittel und Agrarprodukte dürfte auch den Handelspartner Deutschland empfindlich treffen. Das Ausmaß der Folgen für Wirtschaft und Verbraucher bleibt aber vorerst unklar. Landwirte und Firmen der Ernährungsindustrie, die außerhalb des EU-Binnenmarkts relativ viel an russische Abnehmer exportieren, befürchten Einbußen. Ein Wegbrechen des Absatzmarkts im Osten könnte zudem das heimische Angebot an Nahrungsmitteln aufblähen und so die Erzeugerpreise drücken. Moskau erwägt wegen der möglichen Verknappung seinerseits Preiskontrollen. Deutsche Jobs sind nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) bisher kaum gefährdet.

Über die in der EU diskutierten Hilfen für Bauern muss nach Einschätzung von Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) noch genauer beraten werden. Er dämpfte in der "Passauer Neuen Presse" Hoffnungen auf rasche finanzielle Unterstützung wegen rückläufiger Exporterlöse.

"Europa wäre für Hilfsmaßnahmen zuständig, das heißt, wir müssen uns eng mit der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten abstimmen", sagte Schmidt. Aus seiner Sicht kommen auf die Landwirte "spürbare Auswirkungen" zu. Größere Marktturbulenzen drohten jedoch nicht.

Die Importverbote sind eine Reaktion Russlands auf die von der EU und den USA in der Ukraine-Krise verhängten Strafmaßnahmen. Der Westen wirft dem Kreml unter anderem vor, nicht mäßigend genug auf die prorussischen Separatisten in der Ostukraine einzuwirken.

Die EU-Kommission hatte Europas Bauern am Freitag Hilfen in Aussicht gestellt. Agrarkommissar Dacian Ciolos kündigte die Einrichtung einer Arbeitsgruppe an, um die Folgen des abgeschotteten russischen Markts zu prüfen. Man wolle sich auch stärker anderen Zielländern zuwenden.

Nach Zahlen von 2013 führen die EU-Länder jährlich Agrarprodukte im Wert von 11,9 Milliarden Euro nach Russland aus. Von den jüngsten Einschränkungen betroffen sind Güter im Wert von 5,2 Milliarden Euro.

Angesichts erwarteter Preissteigerungen in Russland will die dortige Regierung zu starke Zuwächse durch Industrieabsprachen unterbinden. Agrarminister Nikolai Fjodorow habe mit der Lebensmittelbranche über ein mögliches Memorandum gesprochen, um galoppierende Preise abzuwehren, sagte ein Ministeriumssprecher am Sonntag im Rundfunk. "Ein solches Abkommen soll das Gleichgewicht auf dem Markt wahren."

Ungewiss bleibt auch, ob der Gegenschlag Moskaus das Energiegeschäft trifft. Moskauer Politiker warnten die Ukraine davor, wie angedroht russische Energielieferungen nach Westeuropa zu unterbrechen. "Der Westen wird nicht frieren wollen und stattdessen Russland den vollen Betrieb der nicht ausgelasteten Ostseepipeline Nord Stream erlauben", sagte Igor Morosow vom Auswärtigen Ausschuss des Föderationsrates.

Zur Überraschung westlicher Beobachter genehmigte Präsident Wladimir Putin den Start eines russisch-amerikanischen Milliardenprojekts in der rohstoffreichen Arktis. Er gab grünes Licht für den Betrieb einer Ölplattform, die gemeinsam von Rosneft und ExxonMobil (Exxon Mobil) verwaltet wird.

Der Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik zeigt sich von der Krise nach Einschätzung von BA-Chef Frank-Jürgen Weise unbeeindruckt. Er rechne mit steigender Beschäftigung und leicht sinkender Arbeitslosigkeit, sagte Weise der Nachrichtenagentur dpa: "Wir sehen zwar die Risiken, aber wir spüren auf dem Arbeitsmarkt noch nichts." Die Exporte liefen insgesamt gut. Im Russland-Geschäft gebe es zwar Rückgänge, auf die Beschäftigung der Betriebe habe das aber noch nicht durchgeschlagen. Allenfalls könnte die sich eintrübende wirtschaftliche Lage Polens im Zuge der Ukraine-Krise der deutschen Wirtschaft Probleme bereiten.

Unterdessen mehren sich Vorschläge, benachteiligten Branchen über den Agrarsektor hinaus unter die Arme zu greifen. "Der Staat muss prüfen, wie er helfen kann", sagte Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) der "Welt am Sonntag". Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sei hier gefragt. Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) warnte, Betriebe in Ostdeutschland dürften besonders unter den Sanktionen leiden, die auch die EU verhängt habe. Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) schlug eine rasche Sonderkonferenz mit seinen Kollegen aus den Bundesländern vor.

Auch den Luftverkehr könnte der Schlagabtausch gegenseitiger Sanktionen beeinträchtigen. Die Zahl der Flugbuchungen nach Moskau und Sankt Petersburg sei bereits stark zurückgegangen, sagte der Chef des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, Klaus-Peter Siegloch, der "Saarbrücker Zeitung". Die Regierung soll Berichten zufolge auch ein Flugverbot für westliche Airlines über russischem Territorium erwägen. Routen nach China, Japan oder Südkorea dürften sich durch einen solchen Schritt erheblich verlängern und verteuern./jap/DP/he

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