27.06.2022 16:33:40

Stabilitätsausschuss: Kriegsauswirkungen für deutsches Finanzsystem verkraftbar

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Der Ausschuss für Finanzstabilität (AFS) sieht bisher keine gravierenden Funktionsstörungen im deutschen Finanzsystem aufgrund des Ukraine-Kriegs. "Die direkten Auswirkungen des Krieges sind für das deutsche Finanzsystem insgesamt verkraftbar, die direkten Forderungen deutscher Finanzintermediäre gegenüber Schuldnern in Russland, der Ukraine und Belarus sind in der Summe gering", erklärte das Gremium, dem Vertreter des Bundesfinanzministeriums, der Bundesbank und der Finanzaufsicht Bafin angehören.

Im Zuge des Krieges habe sich das makroökonomische Umfeld jedoch eingetrübt. So habe die Inflation deutlich zugenommen, und gleichzeitig hätten sich die Wachstumsaussichten verschlechtert. Der AFS werde die Auswirkungen des Krieges weiter analysieren und bewerten. "Risiken für die Finanzstabilität dürften besonders dann bestehen, wenn eine ungünstige realwirtschaftliche Entwicklung und ein abrupter Zinsanstieg zusammentreffen sollten", erklärte das Gremium in seinem Jahresbericht an den Bundestag über den Zeitraum vom 1. April 2021 bis 31. März 2022, wie das Finanzministerium mitteilte.

Der Ausschuss stellte demnach zudem fest, dass im Berichtszeitraum pandemiebedingte Risiken im deutschen Finanzsystem abgenommen, sich aber zuvor bereits bestehende Verwundbarkeiten weiter aufgebaut hätten. "So erhöhten sich Zinsänderungsrisiken ebenso wie das Risiko einer Unterschätzung von Kreditrisiken und einer Überbewertung von Vermögenswerten, insbesondere von Wohnimmobilien." Der Ausschuss begrüßte laut den Angaben vor dem Hintergrund der verschärften Risikolage das im Januar vorgestellte makroprudenzielle Maßnahmenpaket der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin).

Das Ziel der Maßnahmen sei es, die Widerstandsfähigkeit des deutschen Finanzsystems präventiv und zielgenau zu stärken. Die Bafin hatte den antizyklischen Kapitalpuffer auf 0,75 Prozent der inländischen Risikopositionen erhöht und ergänzend einen sektoralen Systemrisikopuffer in Höhe von 2 Prozent auf mit Wohnimmobilien besicherte Risikopositionen festgesetzt. Zudem hatte die Aufsicht die Kreditgeber gemahnt, bei der Vergabe von Wohnimmobiliendarlehen besonders umsichtig zu sein und konservative Standards anzuwenden.

Der AFS erachte das Maßnahmenpaket "im aktuellen makrofinanziellen Umfeld weiterhin als angemessen" und werde die Entwicklung weiter beobachten und bewerten. Bei Bedarf könne der AFS empfehlen, die Maßnahmen flexibel einer veränderten Risikolage anzupassen. Bundesbank und Bafin prüften zudem fortlaufend, ob weitere Maßnahmen ergriffen werden müssten, beispielsweise eine Begrenzung der Darlehensvolumen-Immobilienwert-Relation (Loan-to-Value-Ratio, LTV). Der AFS diskutierte außerdem laut den Angaben mögliche Auswirkungen von Klima- und Cyberrisiken auf die Finanzstabilität. "Letztere gewannen durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine weiter an Relevanz", hieß es.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

DJG/ank/mgo

(END) Dow Jones Newswires

June 27, 2022 10:34 ET (14:34 GMT)

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