08.04.2018 16:10:40

ROUNDUP: Harte Fronten in der GroKo - Nahles greift Union an

BERLIN (dpa-AFX) - Nur dreieinhalb Wochen nach ihrem Start liegt die große Koalition bei wichtigen Themen über Kreuz und streitet über den Ton in der Bundesregierung. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles griff am Wochenende die Minister Horst Seehofer (CSU) und Jens Spahn (CDU) an: Ihnen gehe es "viel zu sehr um Eigenprofilierung", sagte die designierte SPD-Vorsitzende den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Mit Blick auf die Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg in der kommenden Woche forderte Nahles, es müsste "langsam mal ein Bild von dieser Regierung entstehen: Sie muss trotz aller Unterschiede gemeinsam für dieses Land arbeiten."

Seehofer hatte unter anderem mit seinem Satz, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, ein hitzige Debatte entfacht. Spahn hatte mit scharfen Äußerungen zu Schwangerschaftsabbrüchen und mit seiner Forderung nach mehr "Recht und Ordnung" für Wirbel gesorgt. In der SPD wird über eine Reform von Hartz IV diskutiert. An diesem Dienstag und Mittwoch geht das neue Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel in Klausur, um Schwerpunkte der Regierungsarbeit abzusprechen.

Strittig sind zwischen Union und SPD unter anderem der Umgang mit der Dieselkrise und drohenden Fahrverboten, die Verantwortung für den Kohleausstieg und der Familiennachzug von Flüchtlingen. SPD-Vize Ralf Stegner betonte in der "Bild am Sonntag" mit Blick auf die Pläne von Seehofer, seine Partei werde eine Verkleinerung des Kontingents beim Familiennachzug nicht mitmachen. Wenn in einem Monat weniger als 1000 Angehörige kommen, müssten nicht genutzte Plätze auf andere Monate übertragen werden können. Laut Koalitionsvertrag wollen Union und SPD pro Monat maximal 1000 Familienangehörigen den Nachzug erlauben. Über die Ausgestaltung der Vereinbarung gibt es aber Streit.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hielt in der "Bild am Sonntag" dagegen: Eine Übertragung des Kontingents komme nicht in Frage. "Die SPD-Einwanderungs-Agenda in unsere Sozialsysteme widerspricht dem Koalitionsvertrag und hat in dieser Koalition keinen Platz. Ich rate der SPD deshalb dringend zur Vertragstreue."

Angesichts des Zankes zwischen Union und SPD sagte Nahles, sie erwarte von der Kabinettsklausur einen klaren Fahrplan für die nächsten zwölf Monate. "Vornehmste Aufgabe der Kanzlerin ist es nun, das Regierungsgeschäft ans Laufen zu bekommen", sagte die SPD-Politikerin, die selbst nicht der Bundesregierung angehört. "Mitarbeiter, die große Reden schwingen, aber ihre Arbeit nicht erledigen, nerven die Kollegen und bekommen im wahren Leben Ärger mit dem Chef", stichelte sie gegen Spahn.

FDP-Chef Christian Lindner warf allen GroKo-Parteien vor, um sich selbst zu kreisen: "Die Regierungsparteien beschäftigen sich jeweils mit ihren Dämonen. CSU-Chef Horst Seehofer mit dem Islam und die SPD mit der Agenda 2010", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Sie müssten sich aber mit den Fragen des Landes beschäftigen und mit dem, was den Alltag der breiten Mitte in Deutschland besser mache.

Der konservative Flügel der Union, zu dem auch Spahn zählt, will Druck auf Kanzlerin Merkel ausüben. Die Merkel-Kritiker der Werte-Union, einer konservativen Gruppierung, verabschiedeten am Wochenende im badischen Schwetzingen ein "konservatives Manifest" und forderten einen Richtungswechsel weg vom Mitte-Kurs. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, eine Vertraute Merkels, lud die Konservativen zum Dialog ein.

Uneinigkeit in der Sache gibt es in der Koalition auch darüber, wer für die Kommission zur Vorbereitung des Kohleausstiegs zuständig ist. Die SPD besteht auf eine gemeinsame Verantwortung von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), die Union hält Altmaier alleine für zuständig. "Daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben", sagte der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Joachim Pfeiffer (CDU), der dpa. "Wenn jetzt das Bundesumweltministerium nicht gleichberechtigt mit am Tisch sitzt, können wir uns die Kommission gleich ganz sparen", sagte dagegen SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch.

Weiteres Thema der Kabinettsklausur dürfte der Diesel werden. Wie der "Spiegel" berichtete, gibt es in der Regierung Überlegungen, zumindest einen Teil der Dieselflotte technisch wirksam nachrüsten zu lassen, damit Luft-Grenzwerte eingehalten und Fahrverbote vermieden werden. Dazu werde geprüft, ob Autokonzerne fünf Milliarden Euro in einen Fonds einzahlen. Die Regierung würde Geld zuschießen.

Das SPD-geführte Bundesfinanzministerium bremste jedoch: Das Programm sei dem Ministerium nicht bekannt. Ähnlich äußerte sich am Sonntag das Umweltministerium. "Wir wüssten auch nicht, wozu der (Fonds) gut sein soll", sagte ein Ministeriumssprecher. "Unsere Position ist bekannt: Wir halten Hardware-Nachrüstungen für erforderlich, die von den Herstellern zu bezahlen sind."/ted/sk/bvi/hoe/rm/wo/DP/mis

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