28.06.2015 18:24:39
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ROUNDUP: Grexit nach Einschätzung vieler Ökonomen kaum noch zu vermeiden
FRANKFURT (dpa-AFX) - Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone ist nach Einschätzung von Ökonomen kaum noch zu vermeiden. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte am Sonntag mit der Entscheidung, den Geldhahn nicht noch weiter aufzudrehen, die griechische Regierung unter Zugzwang. In dieser Woche läuft zudem das Hilfsprogramm von Euro-Partnern, Internationalem Währungsfonds (IWF) und EZB für den griechischen Staat aus. Gravierende Folgen werden vor allem für Griechenland erwartet, während die Eurozone insgesamt als relativ stabil gilt.
"Das Ende des Hilfsprogramms wird zu großer Unruhe in Griechenland führen und Automatismen auslösen, die auf einen Austritt zulaufen", sagte Michael Heise Chefvolkswirt der Allianz der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Die Banken würden am Montag wohl weitgehend ihre Geschäftstätigkeit einstellen müssen und der Staat könne seine Ausgaben nicht mehr decken. "Nur durch das Drucken einer Ersatzwährung kann der Staat dann noch zahlungsfähig bleiben."
REFERENDUM EINE LETZTE CHANCE
Eine letzte Chance, den Verlust des Euro und eine Staatspleite abzuwenden, sehen manche Experten in dem am kommenden Sonntag anstehenden Referendum. "Wenn die Griechen für einen Kompromiss mit der Staatengemeinschaft stimmen, wird die Staatengemeinschaft dieses demokratische Votum nicht übergehen können und die Verhandlungen mit Griechenland wieder aufnehmen", erwartet Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Die EZB würde dann die Notfallkredite Ela auch weiter gewähren.
Uneins sind sich die Ökonomen über die Folgen für Griechenland. Der Chef des Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn erwartet nach einer Abwertung der neuen Währung, dass die Wirtschaft nach ein bis zwei Jahren wieder wachse. "Die neue Währung würde abwerten gegenüber dem Euro und damit würde das Land wieder wettbewerbsfähig." Großzügige Hilfen der Europäer für kritische Importe sind laut Sinn erforderlich, zum Beispiel bei Medikamenten.
'GRIECHENLAND VOR DEM ABGRUND'
Sehr skeptisch äußert sich hingegen die Berenberg Bank. Griechenland würde nach einem Austritt aus der Währungsunion am "Abgrund" stehen, schreibt Chefvolkswirt Holger Schmieding. Ein massiver Anstieg der Einfuhrpreise treffe dann vor allem die schwächsten Griechen, die nicht genügend Euro angespart hätten. Er sieht eine soziale Katastrophe, die die ersten Jahre der Sparprogramme (2010 bis 2012) deutlich in den Schatten stellen würden. Angesichts des wirtschaftlichen Chaos und der an Venezuela orientierten Wirtschaftspolitik der Regierungspartei Syriza, würde eine Erholung lange auf sich warten lassen.
Die Perspektiven für die Eurozone werden von den Ökonomen deutlich positiver gesehen. "Langfristig kann die Eurozone auch gestärkt aus der Krise herausgehen", sagte Michael Heise Chefvolkswirt der Allianz. Ohne Griechenland werde die Eurozone stabiler und einheitlicher. Man habe klar gemacht, dass Regeln gelten und keine faulen Kompromisse gemacht würden. "Dies kann auf die anderen Staaten der Eurozone eine disziplinierende Wirkung haben."
'KEIN NEUES LEHMAN'
Einen "Grexit" könne man nicht mit der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers vergleichen, sagte Chefvolkswirt Jörg Krämer von der Commerzbank. "Die ausländischen Banken haben ihr Engagement in Griechenland in den letzten Jahren massiv zurückgefahren." Ein Sturm der Banken sei in anderen hochverschuldenten Ländern wie Spanien und Italien nicht zu erwarten. Schließlich sei Griechenland politisch und wirtschaftlich ein Sonderfall. Krämer verwies zudem auf die Entschlossenheit der EZB alle verfügbaren Instrumente einzusetzen, um die Eurozone zu schützen./jsl/he

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