06.11.2023 19:26:38
|
ROUNDUP 2/Gewerkschaftsbund: Staat verliert durch Tarifflucht Milliarden
(neu: Arbeitgebervereinigung BDA/Kampeter im letzten Absatz)
BERLIN (dpa-AFX) - Durch Tarifflucht von Arbeitgebern verliert der Staat nach einer DGB-Analyse Milliardeneinnahmen. Insgesamt entgingen den Sozialversicherungen in Deutschland jährlich rund 43 Milliarden Euro an Beiträgen, Bund, Länder und Kommunen nähmen rund 27 Milliarden Euro weniger Steuern ein. Das geht aus Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes hervor, die am Montag vorgestellt wurden.
Als Tarifflucht versteht man den Versuch eines Arbeitgebers, einen Tarifvertrag zu umgehen, um niedrigere Löhne und Gehälter zu bezahlen. Dies kann etwa durch Austritt aus einem Arbeitgeberverband geschehen. Diese Tarifflucht führt laut DGB auch zu weniger Einzahlungen in die Sozialversicherungen - also geringere Einnahmen bei der Arbeitslosen-, Renten- und Krankenversicherung. Auch die Steuereinnahmen durch die Einkommensteuer fielen geringer aus.
Die mangelnde Tarifbindung wirkt sich laut DGB auch auf die Kaufkraft der arbeitenden Bevölkerung aus: Mit einer flächendeckenden Tarifbindung hätten die Beschäftigten insgesamt rund 60 Milliarden Euro mehr pro Jahr im Portemonnaie. Betrachte man dies über ganz Deutschland und über alle Branchen hinweg, bedeute das unter dem Strich, dass Beschäftigte, die keinen Tarifvertrag haben, jährlich 3022 Euro netto weniger hätten als Tarifbeschäftigte.
Der DGB kritisierte, dass derzeit aktuell nur noch rund die Hälfte aller Beschäftigten von tarifvertraglichen Regelungen und ihrem Schutz profitierten. "Dieser Trend gefährdet unseren Wohlstand, schwächt die Demokratie und kommt uns teuer zu stehen", sagte DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi. "Wir werden weiter Druck machen auf die politischen Akteure in den Ländern und im Bund, damit sie sich für mehr Tarifbindung einsetzen - auch durch neue gesetzliche Regelungen. Denn der volkswirtschaftliche Schaden durch die Tarifflucht der Arbeitgeber über drei Jahrzehnte hinweg ist enorm. Das darf die Politik nicht länger ignorieren."
Die Gewerkschaft fordert, dass öffentliche Aufträge und Fördergelder generell nur an Unternehmen vergeben werden, die Tarifverträge anwenden. Außerdem müsse es auch in der Privatwirtschaft bessere Gesetze geben, um die Tarifbindung zu stärken.
Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) kritisierte die Kampagne des DGB. "Die Gewerkschaften suchen immer die Schuld und Verantwortung bei anderen", sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter der "Süddeutschen Zeitung". Tarifverträge und Tarifbindung seien aber in erster Linie eine Gemeinschaftsaufgabe der Sozialpartner. "Der DGB verzwergt sich selbst mit seinen dauernden Hilferufen in Richtung Politik." Nach Worten Kampeters ist "eher eine Flucht aus den Gewerkschaften als aus den Arbeitgeberverbänden" festzustellen. "Der Gesetzgeber soll dieses Defizit für die Gewerkschaften ausgleichen", warf er dem DGB vor./svv/DP/he

Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!