29.10.2021 19:18:38

OTS: Börsen-Zeitung / Von den Gewinnen getragen, Marktkommentar von ...

Von den Gewinnen getragen, Marktkommentar von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots) - Der Oktober hat bei vielen einen schlechten Ruf. Denn sie

verbinden ihn mit einigen der schlimmsten Marktzusammenbrüche der Geschichte,

den Crashs der Jahre 1929 und 1987. Dass er diesen Ruf als besonders schlechter

Börsenmonat zu Unrecht hat, beweist der Oktober in diesem Jahr. Zwar gab es

jenen Taucher unter die Marke von 15 000 Zählern im Dax. Doch auch dieser

Schwächeanfall wurde von den Marktteilnehmern umgehend für Käufe genutzt und

ausgebügelt. Unterm Strich stand am Freitag ein Monatsplus von knapp 3 % zu

Buche.

Dabei gab es plausible Gründe für einen schwachen Monat zuhauf. Um nur einige zu

nennen: die Angst vor einem Lehman-gleichen Kollaps des chinesischen

Immobilienentwicklers Evergrande, in die Höhe schießende Energiepreise, damit

verbunden zusätzlich befeuerte Inflationssorgen sowie letztlich die Befürchtung

früher als zuvor gedacht einsetzender Leitzinserhöhungen der großen Notenbanken,

die nächste Coronawelle etc. All dies wurde, abgesehen von dem unverändert

bestehenden Mangel an Alternativen zu Dividendentiteln, von der Berichtssaison

überlagert, die erneut die Erwartungen übertraf. Von dem runden Drittel aller

Stoxx-600-Unternehmen, die bislang ihre Quartalsberichte vorgelegt haben, haben

58 % den Marktkonsens übertroffen, so Bank of America. Kaum ein Tag verging

zuletzt, an dem nicht mehrere namhafte Unternehmen ihre Jahresprognosen anhoben,

manche zum dritten Mal innerhalb eines kurzen Zeitraums.

Fokus auf der Inflation

Es gab aber auch Enttäuschungen, bei denen sich Engpässe bzw.

Lieferkettenprobleme sowie deutlich steigende Preise bzw. Kosten bemerkbar

machten. So zuletzt bei Amazon und Apple, was den Wochenschluss am Aktienmarkt

eintrübte, zählen sie doch zu den wenigen Mitgliedern der

Marktkapitalisierungsbillionäre. In diesem Zusammenhang ist eine Auswertung der

Bank of America sehr interessant. Danach wurde in den Analystenkonferenzen der

Stoxx-600-Unternehmen, die bislang Zahlen vorgelegt haben, im Durchschnitt

dreimal das Wort "Inflation" verwendet, der bislang höchste registrierte Wert,

seit diese Daten erhoben werden (2007). Das Wort "Lieferkette" tauchte

durchschnittlich zweimal auf, auch das ein Rekord und eine Vervierfachung im

Vergleich zum Auftaktquartal des Jahres.

Unter den derzeit außergewöhnlichen Umständen kann auch der Rest der

Quartalsberichtssaison mit Spannung verfolgt werden. Nicht minder spannend wird

sein, ob die Unternehmensgewinne auch in den kommenden Quartalen die

Aktienmärkte treiben werden oder zumindest die erreichten Kurshöhen abstützen,

so den zuletzt wieder auf ein Rekordhoch gestiegenen S&P 500.

Das Research der Bank of America befürchtet, dass das Aufwärtspotenzial für die

gleitende Zwölfmonatsprognose für den aggregierten Gewinn je Aktie des Stoxx 600

mittlerweile eng begrenzt ist. Nach einer Erholung um 50 % seit dem Tief vom

Juni 2020 gibt es ihrer Einschätzung nach nur noch ein Aufwärtspotenzial von

einem einzigen Prozentpunkt bis zum ersten Quartal 2022. Der Zyklus der

Aufwärtsrevisionen der Gewinnschätzungen gehe seinem Ende entgegen.

Nun kann es auch nicht verwundern, dass so wie das gesamtwirtschaftliche

Wachstum auch das Gewinnwachstum aufgrund des Basiseffektes des Vorjahrescrashs

im Sommer den Zenit überschritten hat. Lag das Gewinnwachstum der

Stoxx-600-Unternehmen im Vorjahresvergleich im zweiten Quartal noch bei 187 %,

geht der Konsens für das dritte Quartal von 42 % aus. Für das vierte Quartal

wird noch ein Wachstum von 34 % erwartet, für die ersten drei Monate 2022 ein

Rückgang um 4 %.

Rückenwind lässt nach

Auf Sicht wird damit der Rückenwind für die Aktienmärkte seitens der

Unternehmensgewinne nachlassen. Zunächst aber stellt sich die Frage, welche

Treiber sich durchsetzen, wenn die Berichtssaison ausläuft bzw. beendet ist. Gut

möglich, dass das dann wieder die Themen Inflation und Zinsen, die

Wachstumsverlangsamung, das Lieferkettenproblem, Evergrande etc. sein werden,

vielleicht auch die neue Coronawelle. Eine kaum berechenbare Mischung aus

potenziell markttreibenden Faktoren, die nicht zwangsweise nur belastend sein

werden, sondern auch für Auftrieb sorgen könnten, wenn sich etwa der

Inflationsdruck abschwächen sollte.

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung

Redaktion

Telefon: 069-2732-0

www.boersen-zeitung.de

Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/30377/5060129

OTS: Börsen-Zeitung

Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!