27.11.2020 19:26:38

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Immer tiefer und tiefer / Kommentar zur Entwicklung von

Peripherieanleihen von Kai Johannsen

Frankfurt (ots) - Am Staatsanleihenmarkt der Eurozone wird vermutlich schon in

den kommenden Handelstagen der nächste Meilenstein gesetzt. Wer sein Geld auf

der Iberischen Halbinsel anlegt, d.h. in spanischen oder portugiesischen

Staatsanleihen, wird entlang der Laufzeitenkurve bis hin zu zehn Jahren

Parkgebühren in Form negativer laufender Renditen bezahlen müssen. Denn sowohl

Spaniens als auch Portugals Zehnjahresbonds liegen bei der Rendite an der

Nulllinie. Das gab es bislang noch nie. Wohlgemerkt: Es handelt sich um

ehemalige Krisenstaaten, die heute Geld von Anlegern fürs Schuldenmachen

obendrauf bekommen. Es gab mal Zeiten, da wollte die internationale

Investorenschaft diesen Ländern nicht mal mehr für 7% Rendite einen Cent leihen.

Gut, das ist ja auch schon ein paar Jährchen her. Die Erinnerung verblasst.

Der Renditeabsturz in der Eurozonenperipherie in diesem Jahr ist enorm. Spaniens

Zehnjahressatz lag am 31.12.2019 bei 0,47%, stieg bis zum 18.März auf das

Jahreshoch von 1,23%, um dann bis Freitag der abgelaufenen Handelswoche bis auf

knapp unter 0,05% zu fallen. In Portugal das gleiche Bild: Von 0,45% am

Jahresultimo erfolgte bis zum 18. März der Anstieg auf 1,40%, um dann bis

Freitag auf 0,01% abzurutschen. Anleger, die in der Eurozonenperipherie bei zehn

Jahren Laufzeit noch eine positive laufende Rendite haben möchten, müssen

beispielsweise in Italien investieren, dort gibt es noch 0,56%, oder in

Griechenland. Bei Letzteren sind es dann noch 0,68%. Aber es ist wohl nur eine

Frage der Zeit, bis auch Hellenen und Italiener für zehn Jahre Laufzeit

Parkgebühren nehmen.

Den neuerlichen Schub nach unten erfuhren die Renditen abermals durch die

Europäische Zentralbank (EZB). Äußerungen aus den Reihen der

Zinsverantwortlichen werden immer wieder als sehr "dovish" aufgenommen, also

taubenhaft. Das bedeutet, dass in der Eurozone nicht mit raschen Zinserhöhungen

gerechnet werden kann. Die Märkte erwarten, dass es auf der Zinssitzung im

Dezember wo­möglich zu einer Ausweitung der Kaufprogramme für Anleihen kommen

wird. Das könnte in zeitlicher Form und volumenmäßig der Fall sein. Das würde

bedeuten, dass die Währungshüter der Eurozone die wirtschaftliche Lage bedingt

durch die Covid-19-Pandemie noch schlechter einschätzen, als sie es bisher

ohnehin schon getan haben, und deshalb weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der

Wirtschaftskrise einleiten.

Durch neuerliche Käufe wird der Zentralbank-Put also noch größer. Die Konsequenz

ist, dass die Bondanleger dort zugreifen, wo sie noch eine positive Rendite

bekommen. Das war bislang auch noch bei den portugiesischen und spanischen

Zehnjahresbonds der Fall. Durch die Käufe steigen die Kurse, die Renditen fallen

immer weiter ins Bodenlose. Die Anleger sind ja auch auf der sicheren Seite. Zum

einen kassieren sie Kursgewinne, zum anderen haben sie die Gewissheit, dass sie

die Papiere bei Kursrückgängen immer noch zur EZB durchreichen können. Das Spiel

läuft seit Jahren.

Und somit werden auch die Crowding-out-Prozesse am Markt weitergehen. Kauft die

EZB immer weiter und treibt mit ihren Käufen die Renditen mit nach unten,

wandern die Anleger auf der Suche nach Rendite auf andere Marktsegmente bzw.

längere Laufzeiten aus mit dem Ergebnis, dass auch dort die Kurse steigen und

die laufenden Renditen fallen. Die Investoren gehen also immer mehr ins

Laufzeiten- und Kredit-, sprich Bonitätsri­siko.

Für die Emittenten ist das natürlich eine schöne Sache, schließlich gibt es

Fremdkapital zu immer günstigeren Konditionen. Und welcher Finanzminister freut

sich nicht, wenn er für die Kreditaufnahme keine Zinsen bezahlen muss, sondern

im Gegenteil noch etwas bezahlt bekommt? Das spornt natürlich nicht zur

Schuldendisziplin an. Und solange die Anleger kräftig zugreifen, wird dieses

Spiel auch noch weitergehen. Das Ergebnis sind immer größer werdende

Schuldenberge. Diese werden zwar immer wieder mal auf Konferenzen thematisiert,

aber an den Märkten werden sie derzeit nicht als ein größerer Risikofaktor

wahrgenommen. Doch wenn das einmal der Fall wird, könnte schnell die Situation

entstehen, dass alle zur gleichen Zeit mit einem großen Koffer voller Anleihen

durch die gleiche Tür raus wollen. Das sollte man zumindest mal im Hinterkopf

behalten. Fragt sich nur, wann das einmal Realität werden könnte: Wenn alle

Länder der Eurozone entlang der gesamten Laufzeitenkurve im Minus liegen? Dann

hat der Markt noch eine schöne Kursrally vor sich.

(Börsen-Zeitung, 28.11.2020)

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