12.08.2022 20:46:39
|
OTS: Börsen-Zeitung / EU-Boykott treibt Ölpreis an, Marktkommentar von Dieter ...
EU-Boykott treibt Ölpreis an, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn
Frankfurt (ots) - Die Internationale Energieagentur IEA, die die westlichen
Industrieländer in Fragen der Energiepolitik berät, hat für ihre Zielgruppe eine
schlechte Nachricht. Wenn die Europäische Union wie geplant Anfang 2023 ihr
relativ weitgehendes Verbot der Einfuhr russischen Erdöls umsetzt, wird dies den
globalen Ölmarkt und in der Folge den Preis des Energieträgers in einer Weise
beeinflussen, der für die EU nicht vorteilhaft ist. Die IEA geht davon aus, dass
dem Markt dann rund 2 Mill. Barrel pro Tag (bpd) entzogen werden. Zuletzt hatte
Russland über Tankschiffe - dieser Bereich ist von dem EU-Verbot umfasst - rund
3,5 Mill. bpd exportiert. Sollte die IEA recht behalten, wird der EU zwar nicht
die vollständige Isolierung Russlands auf dem Ölmarkt gelingen, aber die Folgen
dürften deutlich spürbar sein. Es ist mit weiteren kräftigen Anstiegen des
Ölpreises zu rechnen.
Sieht man sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage an, so hat es bereits
zuletzt eine deutliche Angebotslücke gegeben, die mit rund 2 Mill. bpd zu
veranschlagen ist. Nun allerdings ist mit einer Rezession zu rechnen, in deren
Folge die Nachfrage nach Öl sinken wird. Der Markt bildet dies auch ab: In
kurzer Zeit ist der Brent-Ölpreis von rund 110 Dollar je Barrel auf zeitweise
unter 95 Dollar gesunken.
Für die 2 Mill. bpd an russischem Öl, die laut IEA fehlen werden, ist kein
Ersatz in Sicht. Die Opec plus, dieser Ansicht ist auch die Energieagentur, wird
kaum bereit und in der Lage sein einzuspringen. Für den September hat sich das
erweiterte Ölkartell trotz erheblichen Drucks der US-Regierung nur zu einer
symbolischen Anhebung um 100000 bpd durchringen können. Viele Opec-Länder
verfügen praktisch über keinerlei freie Kapazitäten mehr, um die Produktion
auszuweiten. Andere Staaten wie das Schwergewicht Saudi-Arabien sind dazu nur in
begrenztem Maß bereit, einerseits wegen des schlechten Verhältnisses zum Weißen
Haus und andererseits, um das für die Opec plus "wichtige Verhältnis zu Russland
nicht zu zerstören. Und die Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran stecken
in der Sackgasse, größere Mengen iranischen Öls auf dem Weltmarkt sind daher
nicht zu erwarten.
Hinzu kommt, dass die von US-Präsident Joe Biden verfügte Alimentierung des
Ölmarktes aus der strategischen Reserve der Vereinigten Staaten um 1 Mill. bpd
am 31. Oktober zu Ende geht, was das Gesamtangebot zur Unzeit verkleinert. Dabei
ist noch nicht berücksichtigt, dass die USA ihre Reserve wieder auffüllen
müssen, dass also in den kommenden Monaten zusätzliche Nachfrage geschaffen
wird.
Nach Einschätzung der IEA wird noch ein weiterer Faktor für einen zusätzlichen
Ölverbrauch sorgen. Die durch den Ukraine-Krieg und die westlichen Sanktionen
ausgelöste Gaskrise hat diesen Energieträger so stark verteuert, dass Industrie
und Kraftwerksbetreiber so weit wie möglich auf andere Energiequellen
ausweichen, unter anderem auf das relativ preisgünstigere Rohöl. Für das
laufende Jahr geht die Agentur jetzt von einem Wachstum der weltweiten
Ölnachfrage um 2,1 Mill. bpd aus, dies sind 380000 bpd mehr als bislang
erwartet.
Das kommende EU-Verbot sorgt noch auf andere Weise für einen steigenden Ölpreis.
Es kommt unweigerlich zu einer Neuordnung der weltweiten Lieferbeziehungen:
Europa kauft sein Öl bei neuen Lieferanten, Russland findet neue Abnehmer
vornehmlich in Asien, und überall halten neue Mittelsmänner zusätzlich die Hand
auf. Dies führt zu erheblichen Ineffizienzen und Friktionen auf dem Markt.
Dabei ist es zweifelhaft, dass Russland der gewünschte Schaden beigebracht und
damit die Finanzierung des Ukraine-Kriegs gefährdet wird. Die Angelegenheit
dürfte ungefähr so ausgehen wie bei Erdgas: Russland wird zwar weniger Öl
exportieren, dafür aber durch den höheren Ölpreis teilweise oder sogar ganz
entschädigt. Die Sanktionen werden über den steigenden Ölpreis vor allem die
europäischen Verbraucher zusätzlich treffen.
Wie stark wird aber der Ölpreisanstieg ausfallen? Im Frühjahr, als die
Diskussion über einen Ölboykott der EU und der G7-Länder aufkam, prognostizierte
J.P. Morgan bei vollständiger Umsetzung einen Brent-Ölpreis von 187 Dollar je
Barrel - damals zeichnete sich allerdings die nachfragedämpfende Rezession noch
nicht so klar ab. Unterstellt man eine Reduzierung der russischen Ölexporte
gemäß dem IEA-Szenario, so ist nicht auszuschließen, dass ein Ölpreis von 140
Dollar erreicht wird.
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/30377/5295953
OTS: Börsen-Zeitung
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!