26.05.2017 20:50:40

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Börsen-Zeitung: Genügend Warnungen, Marktkommentar von Dietegen Müller

Frankfurt (ots) - An Warnungen vor zu hohen Bewertungen am

Aktienmarkt hat es selten gefehlt. Angesichts der Rekordjagd am

US-Aktienmarkt nehmen sie sogar wieder zu. In dem am Mittwoch

veröffentlichten Sitzungsprotokoll der US-Notenbank Fed steht, der

Bewertungsdruck in einigen Märkten sei "bemerkenswert". Das daraus

womöglich entstehende Schadenspotenzial scheine seit Januar gestiegen

zu sein, wenn auch noch nicht stark genug, um anzunehmen, dass es

"hoch" sei. Die Investoren zeigen sich unbeeindruckt: Am Donnerstag

schlossen sowohl der S&P 500 als auch der Technologieindex Nasdaq auf

einem Rekordhoch.

Nun ist es so, dass die Notenbanken mit ihren Maßnahmen nicht

explizit Assetpreise steuern wollen. Auch ist die akademische

Debatte, ob die Herausbildung von Preisblasen vor ihrem Platzen

überhaupt erkennbar ist, und wenn ja, wie, nicht abgeschlossen.

Strapazierte Bewertungen

Die Tatsache, dass die Fed vor hohen Bewertungen warnt, ist zudem

nicht neu. Im Juni 2016 sagte die Notenbank, die

Kurs-Gewinn-Verhältnisse auf Sicht der kommenden zwölf Monate seien

auf ein Niveau deutlich über dem Mittelwert (Median) der vergangenen

drei Dekaden gestiegen. 2014 hatte die US-Notenbank deutlich

strapazierte Bewertungen in Internet- und Biotech-Aktien

festgestellt. Schon vor der Finanzkrise vor zehn Jahren meinten laut

Fed-Sitzungsprotokoll im Januar 2004 einige Fed-Mitglieder, die

Erwartung einer anhaltend lockeren Geldpolitik habe zu Bewertungen

geführt, die wenig Raum für Abwärtsrisiken ließen.

Als Schlüsselmoment für Warner gilt der 5. Dezember 1996. Der

damalige Fed-Chef Alan Greenspan stellte in einer Rede die Frage, wie

sich feststellen ließe, ob irrationaler Überschwang die Preise für

Vermögenswerte übermäßig hochgetrieben habe. Zu diesem Zeitpunkt

hatten sich die Aktienkurse an Wall Street gemessen am Dow Jones

Industrial seit dem Börsen-Crash im Oktober 1987 fast vervierfacht.

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis betrug 24, weit über dem damaligen

historischen Mittel von 16. An der Fed-Sitzung vom 17. Dezember 1996

wurde dann explizit festgehalten, der Anstieg der vergangenen Jahre

habe die Marktbewertungen "auf ziemlich hohe Niveaus bezogen auf

Bewertung und Dividenden" getrieben.

Auch wenn Greenspans "irrationaler Überschwang" zum geflügelten

Wort wurde, ging die Sause an Wall Street und anderen Aktienmärkten

bis Januar 2000 weiter - bis die Blase platzte. Die Fed ist dabei

nicht die einzige Warnerin. Im Juni 2014 warnte auch die Bank der

Notenbanken, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, vor der

Gefahr von Blasen und Übertreibungen im Finanzsystem. Wegen der sehr

niedrigen Zinsen und Renditen würden institutionelle Investoren immer

höhere Risiken eingehen. Eine Position im Übrigen, die zu einer

BIZ-internen Debatte geführt hat, ob die Geldpolitik auch Bewertungen

an den Finanzmärkten berücksichtigen soll oder nicht. Welche

Handlungsanleitungen lassen sich für Investoren daraus heute ziehen?

Wer die Fed-Protokolle nach warnenden Stichworten zum Punkt

"Bewertung" durchgeht, findet laut dem US-Sender CNBC sechs Stellen.

Nur in zwei der sechs Fälle lagen ein Jahr später die Kurse höher -

das mahnt zur Vorsicht. Doch auf welchen Bewertungsniveaus bewegt

sich der Markt heute? Die DZ Bank schätzt das Kurs-Gewinn-Verhältnis

für den S&P 500 auf Basis der Prognosen für 2017 auf über 18 und auf

fast 14 für den Dax. Laut Bloomberg beträgt das KGV für den US-Index

derzeit über 21, auf Basis der Schätzungen für 2018 knapp 17. Die

Diskrepanz ist im Dax ähnlich hoch: Das KGV beträgt hier laut

Bloomberg derzeit fast 20, auf Basis der Schätzungen für 2018 aber

nur 13. Entscheidend ist also, dass die Gewinnerwartungen eingehalten

werden. Die Berichte für das erste Quartal haben diesbezüglich

Zuversicht geweckt.

Erwartungsmanagement

Die Warnungen der Notenbank und der BIZ sollten Investoren dennoch

nicht auf die leichte Schulter nehmen. Hier wird Erwartungsmanagement

betrieben. Angesichts einer anstehenden Straffung der Geldpolitik

steigt die Gefahr von Turbulenzen am Markt. Darauf sollte jeder

vorbereitet sein. Hält der Gewinnauftrieb wie erwartet an, sind die

Bewertungen vertretbar. Dass der Spielraum für weitere Kursgewinne

aber bald ausgereizt sein dürfte, zeigt der von US-Investorenlegende

Warren Buffett verwendete Indikator, der die Marktkapitalisierung des

Wilshire 5000 Index - er umfasst alle aktiv gehandelten US-Aktien -

im Verhältnis zum US-Bruttosozialprodukt zeigt. Marktbewertungen

unterliegen am Ende eben doch realwirtschaftlichen Grenzen.

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