Kritik prallt ab 21.10.2018 16:47:00

Italien: Keine Änderung der Schuldenpläne - 'Lächeln' gegen Abstufung

Italien: Keine Änderung der Schuldenpläne - 'Lächeln' gegen Abstufung

In Europa mehren sich Stimmen, die das Risiko einer neuen Wirtschaftskrise sehen. Aber auch eine Mehrheit der Italiener ist laut einer Umfrage überzeugt, dass eine zunehmende Neuverschuldung machbar ist. Finanzminister Giovanni Tria muss der EU-Kommission nun bis Montagmittag zu deren starken Bedenken Rede und Antwort stehen. Premier Giuseppe Conte sagte vorab: "Wir wollen erklären, wie und warum wir diesen Haushalt so aufgestellt haben."

Sein Vize Luigi di Maio erwartet den "sehr raschen" Start eines Defizitverfahrens. Der Chef der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung - Koalitionspartner der rechtsnationalen Lega in Rom - hatte am Wochenende klargemacht, dass man trotz Warnungen von EU-Kommission, Ökonomen und Finanzexperten nicht nachgeben werde. "Ich denke, ich kann im Namen der ganzen Regierung sprechen, wenn ich jedwede Neubewertung des Defizitziels von 2,4 Prozent ablehne", sagte er.

In Höhe dieses Anteils am Bruttoinlandsprodukt (BIP) will sich Italien neu verschulden. Weil der Wert weit über den zunächst zugesagten 0,8 Prozent der Vorgängerregierung liegt, sprach Brüssel von einer "nie da gewesenen" Abweichung von den Regeln der Eurozone. Die Kommission muss über ein mögliches Verfahren noch entscheiden. Di Maio gab sich aber "hoffnungsvoll", dass ein Kompromiss gelingt.

Die vor allem international umstrittene Regierung hat in der Frage der Schulden große Teile der Bevölkerung auf ihrer Seite. 59 Prozent der Teilnehmer sprachen sich in einer Umfrage des Instituts Ipsos für eine stark erhöhte Kreditaufnahme aus, wie der "Corriere della Sera" meldete. Weil Italien einen riesigen Schuldenberg von gut 130 statt der erlaubten 60 Prozent des BIP angehäuft hat, muss es nach früheren Beschlüssen strengere Werte einhalten. Normalerweise liegt die Grenze für das Defizit bei 3,0 Prozent. Das letzte Kabinett versprach 0,8 Prozent. Aber nun will Rom die Staatsausgaben ausweiten - etwa für höhere Sozialleistungen und Pensionen - sowie Steuern senken.

Eine weiter steigende Verschuldung könnte indes Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen immer höher werden lassen - mit möglichen Gefahren für das Vertrauen in die Staatshaushalte und Stabilität des Euro. Die Ratingagentur Moody's stufte die Kreditwürdigkeit des Landes herunter. Sie kritisierte, die Pläne zeigten keine "kohärente Reformagenda", die das maue Wachstum Italiens berücksichtigen würde.

Di Maio gab sich gelassen: Die Einschätzung der Bonitätswächter beantworte man "mit einem Lächeln". Lega-Chef Matteo Salvini betonte, die Schuldenpläne stünden - "trotz Ratingagenturen, EU-Kommissaren und interner Missverständnisse". Es gebe allerdings "keinerlei Absicht, die Eurozone oder die EU zu verlassen - im Gegenteil".

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte die Regierung am Freitag zur Einhaltung der EU-Schuldenregeln aufgefordert. "Die Europäische Union ist eine Wirtschafts- und eine Wertegemeinschaft, und die funktioniert, weil es gemeinsame Regeln gibt, an die sich alle halten müssen", sagte er. Conte entgegnete am Wochenende mit Blick auf ein mögliches Defizitverfahren: "Damit können wir klarkommen. Die Reaktion der Märkte ist schwieriger zu beherrschen."

Unter Druck standen auch Anleihen anderer südeuropäischer Länder. Beobachter verwiesen zudem auf Streitereien innerhalb der Regierung und sahen ein zunehmendes Überschwappen auf andere Märkte.

Wirtschaftswissenschaftler zeigen sich ebenfalls zunehmend besorgt. Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, sagte der "Rheinischen Post" (Samstag): "In der nächsten Wirtschaftskrise könnte das Vertrauen der Investoren in die italienischen Staatsfinanzen ganz kollabieren." Der Chefökonom der Dekabank, Ulrich Kater, warnte, es könnte "fatal sein, wenn ein weiterer Schock hinzukäme, etwa ein Konjunktureinbruch oder der Zusammenbruch einer Bank". FDP-Bundestagsfraktionsvize Christian Dürr verlangte: "Die EU-Kommission muss hart bleiben und die Regeleinhaltung strikt einfordern, sonst droht Ansteckungsgefahr für die ganze Eurozone."

ROM/BRÜSSEL (dpa-AFX)

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