24.11.2012 10:04:35
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HINTERGRUND: Niedrigzins und Rekorddividende - Versicherer zwischen den Extremen
"Die deutsche Lebensversicherung ist sicher." Mit dieser Botschaft, angelehnt an Norbert Blüms Slogan "Die Rente ist sicher", trat der Versicherungsverband GDV zuletzt Berichten entgegen, denen zufolge manche Lebensversicherer ihre Zinsgarantien in einigen Jahren möglicherweise nicht mehr erfüllen können. Auch die Ratingagentur Standard & Poor's sieht für die nächsten fünf Jahre keine solche Gefahr. Was danach kommt, hängt von dem künftigen Zinsniveau ab, das die Europäische Zentralbank derzeit auf einem Rekordtief hält.
Die Versicherer müssen Garantiezinsen und Überschussbeteiligungen irgendwie erwirtschaften. Deutsche Staatsanleihen sind aus ihrer Sicht als Anlage längst uninteressant. Sie decken nicht einmal die jüngst auf 1,75 Prozent gesenkte Garantieverzinsung ab. Die Versicherer müssen jedoch für Millionen Altverträge mit höheren Garantien geradestehen. Versicherungsexperte Christian Badorff von der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) rät deshalb, die Überschussbeteiligungen für die Kunden 2013 erneut zu senken - auf 3,6 bis 3,7 Prozent.
Um dem Zinstief auszuweichen, investieren Versicherer wie die Allianz und Rückversicherer wie die Munich Re (Muenchener Rueckversicherungs-Gesellschaft) in Immobilien und Infrastrukturprojekte und kaufen ganze Windparks. Auch Unternehmensanleihen und Staatspapiere aus Ländern außerhalb der Eurozone gelten etwa bei der Allianz als interessant. Zuletzt warnte allerdings die Deutsche Bundesbank die Branche davor, sich mit neuartigen Anlagen zu große Risiken in die Bilanzen zu holen.
Die Risikobewertung ist auch ein Knackpunkt bei den geplanten neuen Eigenkapitalvorschriften für Versicherer, die seit Jahren unter dem Namen "Solvency II" diskutiert werden. Die Regeln fordern in ihrer vorläufigen Fassung für Immobilien einen Eigenkapitalpuffer von 25 Prozent, Staatspapiere von EU-Ländern gelten hingegen als risikofrei. Wie wenig Wahrheitsgehalt darin steckt, hat spätestens der Schuldenschnitt für Griechenland gezeigt. Doch "Solvency II" birgt ein weiteres Problem: Die Kapitalanforderungen würden stark schwanken, wenn der Wert der Anlagen an den Börsen sinkt oder die Zinsen am Markt zeitweise unter die Garantiezinsen fallen.
Kritiker argumentieren, dass Stichtagsbewertungen im langfristigen Lebensversicherungsgeschäft wenig Sinn ergäben. "Wir müssen uns auf gute und kluge Regeln für die Bewertung von langfristigen Garantien einigen", sagt auch der Chef der europäischen Versicherungsaufsicht, Gabriel Bernardino. Eine Lösung steht noch aus. Dass "Solvency II" wie geplant im Jahr 2014 eingeführt wird, glaubt kaum jemand mehr. Vor 2016 werde es kaum soweit sein, sagt Bernardino.
Trotz trüber Aussichten kann die Branche von der klassischen Lebensversicherung hierzulande kaum lassen. Selbst in der Niedrigzinsphase schließen die Kunden vor allem traditionelle Verträge ab. Fondsgebundene Verträge ohne Garantien ließen sich kaum verkaufen, sagt S&P-Experte Badorff. Carsten Zielke von der Société Générale hält dagegen eine Nullzins-Garantie für ein gutes Konzept - sie biete den Kunden die Chance auf höhere Erträge, weil die Garantiekosten niedriger seien.
Unterdessen schütten die Konzerne munter Dividenden aus. Der weltgrößte Rückversicherer Munich Re, zu dem auch der Erstversicherer Ergo gehört, will die Ausschüttung für die Aktionäre auf ein neues Rekordniveau heben, ebenso der Branchendritte Hannover Rück (Hannover Rueckversicherung). Der Versicherer Talanx (HDI, HDI-Gerling) will prozentual gesehen noch mehr ausschütten, und Europas Branchenprimus Allianz hat mindestens die Dividende aus dem Vorjahr im Blick.
Insgesamt fließen auf diese Weise Milliardensummen an die Aktionäre. An fehlendem Eigenkapital soll es nicht scheitern: Zuletzt haben die Versicherer dank alter, hochverzinster Anleihen milliardenschwere Bewertungsgewinne verbucht. Eine Kapitalschwemme auf Zeit, ausgelöst ausgerechnet von der Tiefzinspolitik./stw/zb
--- Von Steffen Weyer, dpa-AFX ---
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