14.10.2013 20:35:58

DER STANDARD-KOMMENTAR "Der koalitionäre Ekel" von Michael Völker

SPÖ und ÖVP brauchen inhaltlich wie atmosphärisch eine Anregung von außen - Ausgabe vom 15.10.2013

Wien (ots) - Es geht auch um Inhalte. Um Sachthemen, um Positionen, um Ideologien und Überzeugungen. Es wird um einen Koalitionsvertrag gehen, um ein Regierungsübereinkommen. Es geht aber auch um die Stimmung. Und die ist schlecht. SPÖ und ÖVP mögen einander nicht, ganz generell gesagt. Beide Parteien blicken auf ausreichend Erfahrung zurück, um diese Gefühlsbestimmung gut belegen zu können. Ihren Höhepunkt erreichte diese Abneigung im Jahr 2000, als ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel die SPÖ aus der Regierung kickte und gemeinsam mit der FPÖ eine Regierung bildete - als Dritter. In den folgenden Jahren wurde die Feindschaft zwischen Rot und Schwarz offen ausgelebt - und für die SPÖ waren es sieben schmachvolle Jahre in der Opposition. In der nachfolgenden Koalition wurde diese Aversion nicht wirklich überwunden. Sie wurde gepflegt. Inhaltlich raufte man sich zusammen, oft mehr schlecht als recht, atmosphärisch blieb die Zusammenarbeit immer eine fragile Angelegenheit. Das ist auch einer Gründe, warum die große Koalition so unbeliebt ist und einen derart schlechten Ruf genießt: Man spürt die Abneigung, die Antipathie, von der sie getragen ist. Das macht es ihren Protagonisten auch so schwer, die angestrebte Fortsetzung als lohnend darzustellen. Vom neuen Stil, der von den Spitzen nahezu flehentlich beschworen wird, ist nichts zu spüren. Im Gegenteil: Das taktische Hinhalten und das offen vor sich hergetragene Unglück, jetzt wieder zusammenarbeiten zu müssen, nähren auch in der Bevölkerung die Skepsis, ob das was Gescheites werden kann. Eher nein, würde man vermuten. Auch inhaltlich scheint klar, dass man die Gegensätzlichkeiten, die im Zuge der Wahlauseinandersetzung geradezu zelebriert wurden, nicht wird überwinden können: Den Kompromissen in Bildungsfragen oder der Steuerpolitik wird immer der schlechte Geruch anhaften, dass das jeweils nur die zweit- oder drittbeste der möglichen Lösungen ist. Nicht der große Wurf, sondern der kleinste gemeinsame Nenner. Das Wissen um diesen eingeengten Handlungsspielraum, diese perspektivische Kleingeistigkeit bremst jede Dynamik koalitionärer Anbahnung schon im Ansatz. Die Sehnsucht nach etwas anderem und Neuen ist auf beiden Seiten vorhanden und verständlich - und nicht nur in diesen Parteien, erst recht außerhalb dieses Refugiums. Um den Schmerz der Zweisamkeit zu lindern, gibt es innerhalb der SPÖ, innerhalb der ÖVP und erst recht außerhalb gewichtige und lauter werdende Stimmen, die sich dafür einsetzen, doch noch jemanden dazunehmen. Die Grünen böten sich an oder auch die Neos. Wenn sie sich sonst schon nicht einig sind, da entdecken Werner Faymann und Michael Spindelegger ihre Übereinstimmung: zu kompliziert. Gerade diesen Aufwand sollten die beiden Parteichefs aber nicht scheuen: Einen neuen Stil werden sie nicht finden und kreieren können, wenn sie weitermachen wie bisher und nur das Marketing, den Verkauf ändern. Ein Aufbruch, ein neuer Stil, frischer Schwung wird nur möglich sein, wenn sie auch etwas wagen, auch wenn es kompliziert sein mag und etwas mehr Koordination bedarf: Allein schaffen das SPÖ und ÖVP nicht. Salopp gesagt: Sie brauchen noch einmal einen Tritt in den Hintern. Grüne oder Neos hätten den Schwung dazu und das Herz, diesen auszuführen.

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