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Traditionelle Lehren 20.02.2016 03:00:02

China: Management by Konfuzius

von Peter Balsiger, Euro am Sonntag

Die globale Wirtschaftskrise von 2008 hatte bei Chinas Wirtschaftsführern tiefe Spuren hinterlassen. 30 Jahre lang hatten sie geglaubt, dass der "American Dream" auch in China Wirklichkeit werden könnte. Alles sollte größer, reicher und stärker werden - und die Unternehmer verinnerlichten begeistert westliche Managementmethoden, lernten Englisch und schrieben sich an renommierten amerikanischen Business Schools ein. "Lange Zeit konnte es ihnen nicht westlich genug sein", kommentiert Professor Rolf Cremer, der ehemalige Dekan der China Europe International Business School.


Der Schock von 2008 änderte alles. "Der amerikanische Traum ist zu Ende und mit ihm das westliche Management­modell", stellt Charles-Edouard Bouée, Vorstandsvorsitzender und Ex-Asien-Chef der Unternehmensberatung Roland Berger, in seinem Buch "China’s Management Revolution" fest. "Alles, woran wir geglaubt hatten, brach zusammen", zitiert er einen hohen Regierungsbeamten. Kritische Stimmen kamen auch von der chinesischen Presse. Der amerikanische Traum habe zu einem raffgierigen Individualismus in der reichen Elite geführt, die keine Rücksicht auf die einfachen Menschen genommen und die Stabilität des Finanzsystems gefährdet habe.

China wusste, dass es nun umdenken und einen eigenen Weg finden musste. Das begriffen neben den Managern auch die Regierenden. Gerade jetzt, da sich das Wachstum abschwächt, muss die kommunistische Partei ihren Führungs­anspruch anders als mit dem Versprechen rasch steigenden Wohlstands legitimieren.

Eine Lösung fand man ausgerechnet im Gedankengut von Konfuzius, einem 551 vor Christus in einem chinesischen Dorf geborenen Weisen, der Werte wie Harmonie, Gerechtigkeit und Vertrauen lehrte und von den Herrschenden tugendhaftes und vorbildliches Handeln und Loyalität mit den Untergebenen verlangte.


Der Konfuzianismus hat in China eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Während zwei Jahrtausenden galt er als Staatsideologie, jeder, der eine höhere Schule besuchen oder in den Staatsdienst eintreten wollte, musste seine Lehren kennen. Maos Kulturrevolution markierte das vorläufige Ende des Konfuzianismus. Er galt jetzt als feudales Relikt, die Statuen des Weisen wurden von den Roten Garden geschändet.

Erst seit ein paar Jahren erlebt er eine Renaissance. Gefördert wird er von den Mächtigen, die in ihm ein Gegenstück zu westlichen Idealen wie Demokratie oder individuelle Freiheit sehen - und einen neuen Weg, ihr ­autoritäres Regime als Fortsetzung alter politischer Traditionen erscheinen zu lassen.

Selbst Jack Ma bekennt sich

Konfuzius’ Prinzipien lassen sich durchaus auf die moderne Geschäftswelt übertragen. Viele Unternehmer praktizieren heute erfolgreich einen Kapitalismus chinesischer Prägung. Sie reden über Spiritualität, Philosophie und Moral und wie ihr Managementstil mit Chinas Tradition übereinstimmt. Roland-Berger-Chef Bouée: "Es ist, als ob sie das Bedürfnis hätten, so ihre Glaubwürdigkeit als wahre Söhne und Töchter Chinas unter Beweis zu stellen - und nicht als abtrünnige Vertreter einer fremden amerikanischen Kultur zu erscheinen."

Der Multimilliardär Jack Ma, der mit Alibaba den chinesischen Internetmarkt dominiert, ist nicht der einzige Vorzeigeunternehmer, der konfuzianisches Gedankengut propagiert. Auch der visionäre Li Shufu, Chef des größten chinesischen Autobauers Geely, gehört zu ihnen. Ferner Liu Chuanzhi, Gründer von Lenovo, dem ersten chinesischen Computerhersteller, der 2005 die PC-Sparte von IBM kaufte. Oder Li Ka-shing, milliardenschwerer Herrscher über Chinas größtes privates Wirtschaftsimperium Hutchison Whampoa.

Besonders deutlich zeigt sich im Geschäftsalltag die starke Rolle der Hierarchie. "Der Chef ist die Vaterfigur", zitiert das "Manager Magazin" den Evonik-Vorstand Yu Dahai, einen Deutsch-Chinesen, der von sich sagt: "Ich bin Deutscher mit konfuzianischen Wurzeln." Der Chef mime nicht den allmächtigen CEO im westlichen Sinne. "Die Mitarbeiter in chinesischen Unternehmen erwarten von ihm auch im Privatleben Hilfestellung." Das könne etwa ein Kredit für den Kauf einer Wohnung sein oder gar Hilfe bei der Suche nach einem Ehepartner.

Auch die politische Führung übernimmt jetzt gern konfuzianisches Gedankengut und formt daraus eine nationalistische Ideologie. In ihrem Bestreben, China wieder als große Weltmacht zu etablieren, setzt die Kommunistische Partei auf die jahrtausendealte Kultur des Landes. Parteikader müssen Vorlesungen über Konfuzius und andere klassische chine­sische Philosophen besuchen. Schulbücher werden überarbeitet und enthalten jetzt Texte, die traditionelle moralische Wer­te propagieren. Die Regierung gründete in 120 Ländern Konfuzius-Institute - Schulen, in denen Chinas Kultur und Sprache gelehrt werden.

Ist das konfuzianische System dem westlichen gar überlegen? Bouée glaubt nicht an einen Kampf der Kulturen. Er denkt, dass es zu einer Annäherung kommen wird und dass daraus ein Hybridmodell mit chinesischen und amerikanischen Elementen entsteht. Oder, wie Alibaba-Chef Jack Ma es formuliert, eine "Mischung aus fernöstlicher Weisheit und westlichen Unternehmenspraktiken".

Investor-Info

Chinesisches Neujahr
Reisen und Harmoniestreben

Am Montag, dem 8. Februar, hat in China das neue Jahr begonnen. Traditionell dauern die Feierlichkeiten 15 Tage und enden mit dem Laternenfest. Die Börsen sind eine Woche lang geschlossen. Viele Chinesen sparen sich ihren gesamten Jahresurlaub auf, um über Neujahr zu ihrer Familie zu reisen. Milliarden von Menschen sind im ganzen Land unterwegs - die größte jährliche Migrationsbewegung der Welt. 2015 ließ die Regierung zum Jahreswechsel über den Staatssender eine besondere Gala ausstrahlen. Die Show stand unter dem Motto: "Harmonie in der Familie lässt ­alles gelingen". Sie sollte alte konfuzianische Werte wie die ehrfürchtige Verehrung der ­Eltern und Ahnen wiederbeleben.

Chinas Wirtschaft und Börse
Im Jahr des Feueraffen

Nach dem traditionellen Mondkalender ist in China das Jahr des Feueraffen angebrochen. Der Affe gilt dort als klug, gerissen und zuweilen frech. Anleger müssen sich - glaubt man chinesischen Horoskopen - auf ein ereignisreiches Jahr einstellen. Tatsächlich stehen über der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas derzeit viele Fragezeichen. Chinas Wachstum schwächt sich ab, das ist nicht zu verkennen. Zum Teil ist dies eine Folge der wirtschaft­lichen Neuausrichtung, wie sie Peking ­anstrebt: weg vom rein exportgetriebenen Wachstum, hin zu mehr Binnenkonsum.

Chinas Aktienmarkt hat nach dem Hoch des vergangenen Jahres einen heftigen Absturz erlebt. So büßte der Festland-Index CSI 300 fast 50 Prozent seines Werts ein. Zuvor ­waren die Aktienkurse regelrecht explodiert. Getrieben wurde die Hausse nicht zuletzt von der Regierung, die Aktienanlagen als Alternative zu Investments im aufgeblähten Immobilienmarkt förderte. An den Festlandbörsen in Shanghai und Shenzhen sind überwiegend chinesische Privatanleger aktiv, die eine ausgeprägte Zockermentalität haben und ihre Investments vielfach auf Kredit finanzieren. 2016 dürfte Chinas Aktienmarkt nach Ansicht vieler Experten volatil bleiben. Die Nervosität verstärkten auch Anfang dieses Jahres ein­geführte Handelsregeln an der Börse, die mittlerweile wieder abgeschafft wurden.

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