05.07.2019 21:57:41
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BERLINER MORGENPOST: In der Eskalationsfalle / Leitartikel von Michael Backfisch zu USA-Iran
Der vollständige Leitartikel: Die Geschichte des Atom-Streits zwischen Amerika und dem Iran ist eine Geschichte von sich gegenseitig hochschaukelnden Eskalationen. US-Präsident Donald Trump war das Nuklearabkommen, das sein Amtsvorgänger Barack Obama mit ausgehandelt hatte, von Beginn an ein Dorn im Auge. Er gibt sich nicht zufrieden mit einem auf mindestens zehn Jahre befristeten Vertrag. Er will die Mullahs durch harsche Sanktionen in die Knie zwingen. Also: Kernwaffenverzicht für immer, Stopp des Raketenprogramms und Einstellung der Hilfe für schiitische Milizen zwischen Libanon und Jemen. Das Problem besteht darin, dass Trump Drittstaaten in Mithaftung nimmt. Fast alle europäischen Firmen haben den Iran verlassen, weil sie ihr US-Geschäft nicht verlieren wollen. Teheran fühlt sich durch diese Sanktionskeule verraten. Das Kalkül der Regierung - Rücknahme der Strafmaßnahmen gegen Absage an Atomwaffen - ging nicht auf. Der Handelsboykott der Amerikaner erstickte jegliche wirtschaftliche Erholung im Keim. Insbesondere die drastische Reduzierung der Öl-Exporte trifft den Iran hart. Die Führung versuchte im Gegenzug, durch dosierte Nadelstiche ihr Eskalationspotenzial aufblitzen zu lassen. Die Angriffe gegen Tanker im Persischen Golf tragen die Handschrift der iranischen Revolutionsgarden oder verbündeter Kräfte. Die nächste Stufe ist eine zunächst begrenzte Verletzung des Nuklearvertrags. Teheran will ab Sonntag Uran höher anreichern als erlaubt. Dies ist vor allem an die Adresse der Europäer gerichtet. Sie sollen durch die unausgesprochene Drohung, der Iran bewege sich Schritt für Schritt Richtung Atombombe, weichgeklopft werden und für eine Kompensation der US-Sanktionen sorgen. Man darf annehmen, dass der Iran den Kurs der stufenweisen Eskalation nicht überreizt. Die Regierung müsste bei einem eklatanten Verstoß des Nuklearabkommens damit rechnen, dass der UN-Sicherheitsrat in voller Breite Strafmaßnahmen verhängt. Andererseits sitzt die Führung in Teheran in der Eskalationsfalle. Die Talfahrt der eigenen Wirtschaft, die galoppierende Inflation könnten die Hardliner zu unüberlegten Handlungen verleiten. Auch Trump ist in der Konflikt-Mechanik gefangen. Er hat die Mullahs mit seinem in letzter Minute abgeblasenen Militäreinsatz einschüchtern wollen. Der Chef des Weißen Hauses liebt den Auftritt als Muskelmann. Nicht auszuschließen, dass er in einem gewissen Moment Luftschläge auf einzelne Ziele im Iran anordnet. Zumal die Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr ihre Schatten vorauswirft. Einstweilen baut Trump jedoch auf wirtschaftlichen Druck und das Apokalypse-Szenario. Sollte sich die iranische Wirtschaft dem Kollaps nähern, wird sich die Regierung schon bewegen, lautet seine Marschroute. Zwischen Berlin, Paris und London sieht man das wesentlich skeptischer. Intern ist von einer Venezuela-Variante die Rede. Im ökonomischen Chaos könnten die Revolutionsgarden in Teheran das Ruder übernehmen, wird befürchtet. Massenelend würde mit politischer Unterdrückung einhergehen - wie im Regime des venezolanischen Machthabers Nicolás Maduro. All diese Aussichten sind düster. Die Akteure in Washington und Teheran sind derart ineinander verbissen, dass nur eine dritte Kraft einen Weg aus dem Dilemma zeigen könnte. Europäer, Russen und Chinesen müssten den Iran über die Atom-Frage hinaus zu Zugeständnissen bewegen - und zwar mit üppigen wirtschaftlichen Anreizen, die dieser nicht ablehnen kann. Warum nicht eine diplomatische Großoffensive?
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