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27.05.2024 23:11:00
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Arbeitsbedingungen im Fokus: So leiden KI-Entwickler unter dem Wettbewerb von NVIDIA, Amazon und Google
• Knappe Deadlines
• Qualität rückt in Hintergrund
KI-Trend löst Konkurrenzkampf aus
Die Einführung von ChatGPT im November 2022 hat einen regelrechten Trend um künstliche Intelligenz (KI) losgetreten. Der KI-Chatbot des Startups OpenAI sorgte in den Köpfen der Öffentlichkeit zum Teil erstmal für ein Verständnis dessen, was große Sprachmodelle leisten können. Die Folge: Nahezu jedes große Tech-Unternehmen hat es sich auf die Fahne geschrieben, ebenfalls KI-gestützte Anwendungen und Produkte anzubieten. So hat etwa der Suchmaschinenkonzern Google mit Gemini unlängst einen eigenen KI-Assistenten ins Leben gerufen, der Nutzer von ChatGPT abgreifen soll. Auch der chinesische Internetkonzern Baidu.com hat ein ChatGPT-Äquivalent vorgestellt. Mit Grok, dem KI-Bot von Elon Musks Startup xAI, betritt ein weiterer Kandidat den Ring. Und der Chipdesigner hat NVIDIA hat sich mittlerweile ebenso einen Namen in der KI-Branche gemacht.
Doch der zunehmende Konkurrenzkampf hat seinen Preis. Neue Funktionen und schnelle Veröffentlichungen sind an der Tagesordnung. Um sich gegen ihre KI-Konkurrenten durchzusetzen, verlangen Tech-Firmen von ihren Mitarbeitern das Einhalten knapper Deadlines und die Bereitschaft, Überstunden zu leisten, wie nun aus einem Bericht des US-amerikanischen Fernsehsenders "CNBC" hervorgeht.
Knappe Deadlines und verworfene Projekte
Als Beispiel für das Wettrüsten in der Branche nennt der Sender einen bei Amazon tätigen KI-Engineer, der im vergangenen Jahr einen plötzlichen Arbeitsauftrag erhielt, der ihn das komplette Wochenende beschäftigte und ihn dazu zwang, seine Freizeitpläne abzusagen. So habe der Mitarbeiter des Cloud-Riesen am Freitagabend den Arbeitsauftrag mit der Deadline Montagmorgen erhalten. Obwohl der KI-Experte das Projekt vervollständigte, wurden die Ergebnisse von Amazon nicht weiter verwendet, da man sich doch in eine andere Richtung entwickeln wolle.
Amazon: "Anekdote eines einzelnen Mitarbeiters"
Handelte es sich dabei nur um einen Einzelfall? Ein Sprecher des Konzerns erklärte gegenüber CNBC, dass man "sich auf die Entwicklung und den Einsatz nützlicher, zuverlässiger und sicherer generativer KI-Innovationen" konzentriere, "die das Kundenerlebnis neu erfinden und verbessern". Amazon stehe seinen Mitarbeitern hier mit Rat und Tat zur Seite. "Es ist ungenau und irreführend, die Anekdote eines einzelnen Mitarbeiters zu verwenden, um die Erfahrungen aller Amazon-Mitarbeiter zu charakterisieren, die im Bereich KI arbeiten", klagte der Unternehmenssprecher an.
Ähnliche Fälle bei Google und Microsoft
Wie weitere Recherchen von CNBC ergaben, handelt es sich beim besprochenen Fall jedoch keineswegs um eine Ausnahme in der Branche. So berichteten auch KI-Entwickler von Google und Microsoft gegenüber dem TV-Sender von ähnlichen Vorgehensweisen. Die Kritik an den Arbeitsbedingungen fällt umfassend aus: Nicht nur seien die Zeitpläne in der Regel viel zu knapp angesetzt, durch KI-Funktionen von Mitbewerbern werde bei den Entwicklern zusätzlicher Druck aufgebaut. Ob die erarbeiteten Funktionen jedoch auch tatsächlich zum Einsatz kommen, stehe auf einem anderen Blatt, so die Brancheninsider laut dem Sender.
Kurze und ungenügende Einarbeitung
Neben dem Aufschließen zur Konkurrenz - oder gar deren Übertreffen, nannten die Entwickler die Bemühen der Unternehmen, die Erwartungen ihrer Investoren nicht zu enttäuschen. Um der hohen Nachfrage nach KI-Lösungen Herr zu werden, habe man außerdem Mitarbeiter aus anderen Teams in die neugeschaffenen KI-Abteilungen versetzt. Aufgrund der straffen Zeitpläne komme es aber meist nicht zu einer umfassenden Einarbeitung und Weiterbildung der "Springer", wie der Bericht offenbarte.
"Ein großer Haufen Unsinn"
Darüber hinaus fehle oftmals das Verständnis für die Arbeit, die in den Abteilungen geleistet wird, so CNBC weiter. "Oft wird man gebeten, eine Lösung für ein Problem zu finden, das es nicht gibt, und zwar mit einem Tool, das man nicht verwenden möchte", erklärte etwa der unabhängige Software-Ingenieur Morry Kolman gegenüber dem Sender. So fehlen oftmals konkrete Anwendungsfälle für die neu entwickelten Funktionen, weshalb es diese oft auch nicht bis zur Realisierung schaffen. Ein weiterer Entwickler, der nicht angeben wollte, in welchem Unternehmen er genau arbeitet, erklärte, dass man sich mit Investoren gut stellen wolle, um an Gelder zu kommen - im Endeffekt komme dabei aber oft nur "ein großer Haufen Unsinn" heraus. Eine Entwicklerin bei Google fügte hinzu, dass sich die Arbeit anfühle, als würde man "das Flugzeug bauen, während man es fliegt".
Burnout und Depressionen an der Tagesordnung
Bei den betroffenen Mitarbeitern führt dieses Vorgehen aber nicht nur zu Frustration, sondern hat zum Teil auch gesundheitliche Folgen. Durch den immensen Druck, die langen Arbeitszeiten und die dynamischen Anforderungen seien auch psychische Erkrankungen wie Burnout und Depressionen keine Seltenheit, so der Bericht. Kolman erklärte etwa, dass es bei der Auswahl eines Projekts "schwer ist, herauszufinden, wo es sich lohnt, seine Zeit zu investieren". "Und das ist sehr förderlich für Burnout in dem Sinne, dass es schwer ist, an etwas zu glauben", so der freie Entwickler. Auch die interviewte Google-Mitarbeiterin sieht Burnout-Fälle als Ergebnis von Wettbewerbsdruck, straffen Zeitplänen und einem Mangel an Ressourcen. So werde die für ein Projekt erforderliche Mitarbeiteranzahl oft nicht erreicht, sodass sich der Druck auf deutlich weniger Schultern verteilt.
Bedenken fallen hinter Geschwindigkeit zurück
Bei ihren Vorgesetzten scheinen die Ingenieure mit ihren Problemen hingegen auf taube Ohren gestoßen zu sein. So stehe die Arbeitsgeschwindigkeit über jeglichen Bedenken, nicht nur auf personeller Ebene. Sicherheitsprobleme, Überwachungsbedenken sowie Auswirkungen von leistungsfähigen KI-Modellen auf das Klima rücken dem Bericht zufolge in den Hintergrund, stattdessen sei das oberste Ziel, mit Vorreiter und Platzhirsch OpenAI mithalten zu können - zur Not eben auch mit mangelnder Qualität. Ein KI-Ingenieur bei Microsoft erklärte etwa gegenüber dem Sender, dass man sich in einem ständigen Konkurrenzkampf befinde, bei dem Ethik und Sicherheitsvorkehrungen immer weiter in den Hintergrund rücken.
Arbeitsbedingungen auch bei Startups Standard
Stellten die Tech-Riesen während der Corona-Pandemie noch massig neue Mitarbeiter ein, sind die Branchenakteure nun nicht mehr vor Entlassungen geschützt. Und auch wenn NASDAQ-Größen wie Alphabet und Amazon kontinuierlich Stellen abbauen, werden KI-Teams doch weiter aufgebaut, so CNBC. Doch von den Problemen des KI-Hypes sind nicht nur etablierte Unternehmen betroffen, auch bei Startups sehe der Arbeitsalltag ähnlich aus, wie es weiter heißt. So herrsche auch in kleineren Unternehmen, die von "wirklich großen VC-Firmen finanziert werden, welche eine 10-fache Rendite erwarten", ein hoher Druck, erklärte Datenwissenschaftler Ayodele Odubela gegenüber CNBC. "Sie versuchen, das Eisen zu schmieden, solange es heiß ist", fügte sie hinzu.
Wie lange sich der Konkurrenzkampf - auf den Schultern der Entwickler - noch fortsetzen wird und ob sich ein klarer Branchengewinner herauskristallisiert bleibt, wie so oft, abzuwarten.
Redaktion finanzen.at
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