26.09.2016 17:30:46

ANALYSE/Die Krise von Air Berlin stößt Airline-Konsolidierung an

   Von Archibald Preuschat

   FRANKFURT (Dow Jones)--Eigentlich könnte die Welt für europäische Airline-Manager in Ordnung sein: Der Ölpreis verharrt seit längerem auf niedrigem Niveau und lässt die Spritrechnung sinken. Eigentlich sollten darum die Gewinne steigen. Doch die Terrorangst lässt den touristischen Verkehr einbrechen und Überkapazitäten drücken die Erträge. Die von Lufthansa-Chef Carsten Spohr seit langem angemahnte Konsolidierung des stark fragmentierten europäischen Airline-Sektors bringen nun aber zwei ganz andere Faktoren in Gang: der Brexit und vor allem die Finanzkrise bei Air Berlin. Das könnte neue Bündnisse nach sich ziehen und ehemals erbitterte Konkurrenten zu Partnern machen. "Alle Bälle sind in der Luft", fasst es ein Brancheninsider zusammen. Eine Übersicht über mögliche Konstellationen:

TUI hätte beim Absturz von Air Berlin am meisten zu verlieren Insbesondere bei der deutsche Tuifly, Teil des jetzt in London gelisteten pan-europäischen Touristkkonzerns TUI AG, bereitet die Zukunft von Air Berlin Sorge. Für den Touristikkonzern hat eine eigene Airline einen wichtigen Vorteil, nämlich Flexibilität. Meiden Urlauber nach Terroranschlägen und mißglücktem Militärputsch etwa die Türkei, dann fliegen die Jets auf die Kanaren. Müsste die TUI die Flugkapazitäten im Voraus einkaufen, ginge ihr diese Flexibilität verloren.

   Auf der anderen Seite ist eine eigene Airline keine preiswerte Angelegenheit für die TUI. Doch deren Chef Friedrich Joussen konnte sich den Luxus leisten, dank Air Berlin. 14 seiner Jets flogen im sogenannten wet-lease für Deutschlands noch zweitgrößte Airline. Das bedeutet, Air Berlin mietet die Flugzeuge einschließlich Cockpit-Crew, Kabinenpersonal, Wartung und Versicherung an. Der 2009 zunächst auf 10 Jahre geschlossene Vertrag ist für die TUI attraktiv, weil er gut dotiert ist, und auch weil das unternehmerische Risiko gänzlich bei Air Berlin liegt.

   "Angesichts der wirtschaftlich schwierigen Situation der Air Berlin stehen wir natürlich immer wieder mit ihr selbst sowie mit anderen Airlines und Partnern in Gesprächen und loten Möglichkeiten für Kooperationen aus. Alles andere wäre nicht verantwortungsvoll, denn wir müssen unsere wirtschaftlichen Interessen aus dem Air Berlin Vertrag wahren und vorbereitet sein, dass der heutige Air Berlin Anteil unseres Flugprogramms in Deutschland gesichert ist, auch für den Fall, dass sich die Lage bei Air Berlin weiter verschlechtert", nehmen Tuifly-Geschäftsführer Jochen Büntgen und Aufsichtsratschef Henrik Homann in einer internen Mitarbeiter-Kommunikation kein Blatt vor den Mund.

   Wie solche Gespräche enden könnten, glaubt die Süddeutsche Zeitung zu wissen. Diese berichtet in ihrer Montagsaugabe, dass die 14 Jets, die Tuifly für Air Berlin betreibt zusammen mit 17 Maschinen der österreichischen Tochter FlyNiki in eine gemeinsame Gesellschaft mit Tuifly eingebracht werden.

Lufthansa vergrößert Eurowings und hält sich Ryanair auf Distanz Und auch Lufthansa bedient sich wohl beim Wettbewerber. 40 Jets von Air Berlin sollen im wet-lease künftig für die Low-Cost-Tochter Eurowings fliegen, die erst kürzlich angekündigt hatte, ab dem kommenden Frühjahr auch auf der Balearen-Insel Mallorca Maschinen stationieren zu wollen, einer einstigen Air-Berlin-Hochburg. Die Gerüchte könnten bereits am kommenden Mittwoch bestätigt werden, wenn sich der Aufsichtsrat von Deutschlands größter Airline zu seiner nächsten turnusgemäßen Sitzung trifft.

   Lufthansa schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Konzern-Chef Carsten Spohr hat stets betont, mit Eurowings eine aktive Rolle bei der Konsolidierung des europäischen Airline-Sektors spielen zu wollen. Dazu besteht jetzt Gelegenheit. Zum anderen will die Lufthansa aber auch einen unkontrollierten Zusammenbruch des Wettbewerbers verhindern, der andere Low-Cost-Airlines, insbesondere Ryanair, auf den Plan rufen könnte. Gegen deren aggressive Preisstruktur auf Air-Berlin-Rennstrecken wie München-Berlin anfliegen zu müssen, wäre deutlich lästiger. Auf der anderen Seite kann Lufthansa auf eigene Strecken zu ihrem Drehkreuz München auch nicht verzichten.

Etihad: Außer Spesen nicht viel gewesen Die Golf-Airline Etihad hat mehr als 1 Milliarde Euro in Air Berlin gepumpt, deren größter Einzelaktionär mit knapp 30 Prozent Anteil sie auch ist. Darlehen, Bürgschaften und ein generöser Preis für das Air-Berlin-Vielflieger-Programm Topbonus bringen diese Summe zusammen. Genützt hat es nicht viel. Anders als bei anderen Beteiligungen, etwa Alitalia, Air Serbia oder der schweizerischen Darwin Airline, die jetzt unter dem Namen Etihad Regional fliegt, zeichnet sich der Turnaround der deutschen Beteiligung noch nicht mal in Ansätzen ab. Eigentlich hatte ihn Air-Berlin-CEO Stefan Pichler für das zweite Halbjahr in Aussicht gestellt, dann aber wegen Terroranschlägen in Europa bis auf weiteres vertagt. Ob die jüngsten Initiativen, Economy-Class-Passagieren in Low-Cost-Manier für Getränke und Snacks zur Kasse zu bitten und gleichzeitig auf 4 Sitzen pro Flug eine Business Class anzubieten, das Blatt wenden, wird von Branchenbeobachtern stark bezweifelt. Letztlich ist die angedachte Zerschlagung von Air Berlin die Rückabwicklung der von Ex-CEO Joachim Hunold eingeleiteten Strategie, durch Zukäufe unkontrolliert zu wachsen.

   Immerhin, ganz ohne Trostpreis wird Etihad-CEO James Hogan bei der angedachten Zerschlagung von Air Berlin wohl nicht sein. Wenn auch nicht sofort, so doch zu einem späteren Zeitpunkt könnte Etihad im Code-Share, also unter den Flugnummern beider Airlines, auch Lufthansa fliegen, so lautet eine Überlegung. Dies entbehrt nicht einer gewissen Komik. Hatte die Lufthansa doch vehement gegen die Code-Share-Praxis von Etihad auf Air-Berlin-Flügen gewettert.

Easyjet: Gefangen auf der Insel Das Nachsehen im derzeit laufenden Konsolidierungsprozess hat wohl Easyjet. Ihr wurde bereits ein Einstieg bei Air Berlin nachgesagt, der sich dann aber wohl im Sande verlaufen hat. Auch mit Tuifly hat Easyjet Gespräche geführt, wissen Aufsichtsratsmitglieder des deutschen Charterfliegers. Offenbar auch ohne Erfolg. "Eine Kooperation oder ein Einstieg von Easyjet bei Tuifly ist allerdings weder in Vorbereitung noch wird dies angestrebt", heißt es in dem Schreiben des Tuifly-Mamagements an die Mitarbeiter, in das Dow Jones Einsicht hatte. Eine missliche Situation für die Briten. Denn ob die Flugrechte innerhalb der EU nach einem Brexit bestehen bleiben, steht in den Sternen. Natürlich könnte Easyjet eine deutsche Gesellschaft gründen. Diese hätte aber erstmal keine Slots, also Zeitfenster, in denen bestimmte Strecken bedient werden können. Und diese Slots sind teilweise Mangelware. Wenn Easyjet beispielsweise die Route Stuttgart-Palm samstags um 6 Uhr morgens bedienen wollte, würde das an fehlenden Slots scheitern. Sollte es Easyjet nicht gelingen, doch noch an der laufenden Konsolidierungswelle teilzuhaben, könnte das den britischen Billigflieger stark beschränken.

   Kontakt zum Autor: archibald.preuschat@wsj.com

   DJG/apr/kla

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   September 26, 2016 10:59 ET (14:59 GMT)

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