18.08.2017 21:43:56

Allg. Zeitung Mainz: Besondere Zeit / Kommentar von Reinhard Breidenbach zum Anschlag von Barcelona

Mainz (ots) - Einst kämpften die Katalanen gegen den Faschisten Franco. Heute haben sie ein eigenes Autonomiestatut; das ist nicht leicht für die Zentralregierung in Madrid, und man kann mit guten Gründen bezweifeln, ob viel Autonomie in Europa gut ist, oder ob der Kontinent damit nicht zerfällt. Aber eines ist ganz besonders wichtig an Tagen wie diesen. Wenn die Katalanen singen: "Wir haben keine Angst", dann ist das für ganz Europa ein Fels der Hoffnung im Kampf gegen den Terror. Es geht um Solidarität, und da sind Rituale bedeutsam. Dass tiefe Erschütterung zum Ausdruck gebracht wird, ist keine Floskel. Und wenn der deutsche Innenminister erklärt: "Wir beten mit den Angehörigen", dann ist das mehr als ein Lippenbekenntnis. Es herrscht, jedenfalls in der westlichen Welt, kein Ausnahmezustand. Barcelona ist trotz der vielen Toten nicht Aleppo, und das ist, es mag zynisch klingen, ein wichtiger Vorteil. Aber es herrschen schon besondere Zeiten, und die erfordern ganz konkrete Maßnahmen. Die Gesetzeslage scheint, jedenfalls in Deutschland, sortiert. Man muss Gesetze allerdings auch anwenden wollen. Das betrifft in Sonderheit die Abschiebung terroristischer Gefährder. Genauso nötig ist es aber, nicht in jedem muslimischen Asylbewerber einen Gefährder zu vermuten. Und zu erkennen: Es ist ein unmöglicher Zustand, dass Flüchtlinge ertrinken. Nicht zuletzt: Der Anschlag von Barcelona beweist einmal mehr, dass sich Städteplaner und Architekten rasch viel einfallen lassen müssen, um sensible Orte effizienter zu schützen. Sicherheit ist auch eine Frage von Geld, von Planstellen bei der Polizei, bei Richtern und Staatsanwälten, bei Geheimdiensten, nicht zuletzt auch in der Präventions- und Integrationsarbeit. Geld, das man tatsächlich nur einmal ausgeben kann; Prioritäten zu setzen und sie flexibel und stetig zu überprüfen, ist eine schwierige Kunst, aber alternativlos. Es kann dann sein, dass der deutsche Bürger fragt, warum das Geld jetzt gerade für Flüchtlinge ausgegeben wird und nicht für die deutsche Kita. Solche berechtigten Fragen muss man aushalten und beantworten, womöglich dahingehend, dass die Kita auch ausländischen Kindern hilft, später in Deutschland zu arbeiten. Ganz vieles ist Kopfsache in diesem großen Themengeflecht. Umso erschütternder, dass der US-Präsident eine völkerrechtswidrige, kriminelle Exekution muslimischer Gefangner lobpreist, mag sie nun vor 120 Jahren stattgefunden haben oder nicht. Ein weiteres Zeichen intellektueller und moralischer Verwahrlosung, ein erneuter Tiefpunkt in der nach unten offenen Trump-Skala, leider wohl nicht der letzte.

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Pressekontakt: Allgemeine Zeitung Mainz Alexandra Maus Newsmanagerin Telefon: 06131/485980 online@vrm.de

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