24.05.2016 17:50:45
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Adidas will bei der Produktion neue Wege gehen
Von Natali Schwab
ANSBACH (Dow Jones)--In der Automobilindustrie ist es bereits Alltag: An automatisierten Produktionslinien werden die Fahrzeuge abhängig von der Nachfrage gefertigt und ausgeliefert. Die Sportartikelindustrie jedoch hinkt hier noch deutlich hinterher. Doch das soll sich ändern.
Der Sportschuhhersteller adidas will die Produktion revolutionieren. Ein automatisiertes, flexibles Fertigungsmodell soll es dem Unternehmen erlauben, zunächst Schuhe je nach Bedarf und auf die Kundenwünsche zugeschnitten zu produzieren. Dazu hat Adidas zusammen mit der Firma Oechsler eine Pilotfabrik im fränkischen Ansbach gestartet. Oechsler ist seit rund zehn Jahren Partner von Adidas bei der Herstellung von Sohlen.
"In der Schuhproduktion sind wir beim Thema Automatisierung im Gegensatz zu anderen Industrien noch ganz am Anfang", sagte der Vorstandsvorsitzende Herbert Hainer anlässlich der Vorstellung der Pilotfabrik in Ansbach. Adidas erhofft sich durch das Projekt mehr Effizienz, Schnelligkeit, eine höhere Flexibilität und schlussendlich auch eine bessere Qualität.
500 in der Pilotfabrik produzierte Paar Laufschuhe sollen in diesem Herbst erstmals auf den Markt kommen. Die Serienfertigung soll möglichst im kommenden Frühjahr starten. Dafür baut Adidas eine 4.600 Quadratmeter große Fabrik in der Nähe von Ansbach, die von Oechsler betrieben werden wird. Eine weitere "Speedfactory" ist für 2017 in den USA vorgesehen.
Noch ein Nischenprojekt Beide Fabriken sollen in den nächsten drei bis fünf Jahren eine Kapazität von zusammen einer Million Paar Schuhe jährlich haben, Tendenz steigend. Das ist nicht viel, verglichen mit den 301 Millionen Paar Schuhen, die 2015 von Adidas hergestellt wurden. "Wir können nicht in einem Jahr die Welt revolutionieren", sagte Gerd Manz, der Projektleiter der Speedfactory.
So wird der Grundbedarf weiter in Asien hergestellt, etwa einfache Modelle für den Massenmarkt, wie zum Beispiel die weltbekannte Adilette. Da sich Adidas zum Ziel gesetzt hat, mittelfristig um rund 10 Prozent jährlich zu wachsen - was zusätzlich etwa 30 Millionen Paar Schuhe im Jahr bedeuten würde - soll auch die Produktion in Asien ausgebaut werden.
Auch Hainer drückt auf die Bremse: Es werde einige Jahre dauern, bis ein "signifikanter Teil" der Produktion in Asien durch Speedfactorys abgelöst werden könne. "Wir werden langsam an die Sache herangehen", sagte Hainer. Denn die Qualität der Produkte etwa müsse stimmen. "Auf mittlere Sicht wollen wir jedoch Speedfactorys in allen wichtigen Absatzmärkten haben", betonte der Adidas-Chef.
So rücke Adidas näher an die Konsumenten. Denke man das Projekt zu Ende, so Projektleiter Manz, könne irgendwann schlussendlich auch in den Läden direkt nach den individuellen Wünschen gefertigt werden. Doch das ist noch Zukunftsmusik.
Schnelle Trendwechsel brauchen Flexibilität Der Hintergrundgedanke von Adidas bei der Speedfactory ist, dass sich Trends in der Sportartikelindustrie ähnlich wie in der Mode immer mehr beschleunigen. Was heute "in" ist, kann morgen schon wieder in den Regalen liegen bleiben. Neue Materialien und Technologien wechseln immer schneller.
"Das Problem, das wir heute haben ist, dass die Produktionskette zu langsam ist", sagte Manz. "Es erlaubt keine Flexibilität."
So ist es heute Normalität, dass die Wertschöpfungskette - sprich die Herstellungsschritte - über ganz Asien verteilt ist. Verschiedene Zulieferer liefern einzelne Komponenten, die schlussendlich an einem Ort zu einem Schuh zusammengefügt werden. Viel geschieht davon noch in Handarbeit.
Dazwischen gilt es immer wieder, lange Transportwege zu überwinden. Allein die Zeit auf dem Schiff, die das Endprodukt dann braucht, um in den Verkauf zu gelangen, dauert Manz zufolge 40 bis 45 Tage. Das nimmt Unternehmen wie Adidas sowohl die Flexibilität, etwa, was Stückzahlen angeht, als auch die Möglichkeit, auf spezielle Kundenwünsche einzugehen.
Aber genau das wünscht sich der "neue Kunde", der in einem digitalen Zeitalter aufwächst. Wer wenige Sekunden benötigt, um sich eine App auf seinem Mobiltelefon oder seinem Tablet herunterzuladen, will nicht Wochen auf einen neuen Trendschuh warten.
Gesamte Wertschöpfungskette in einer Fabrik Die Speedfactory soll diese Konsumentengruppe bedienen. Ziel ist es, in einer Fabrik die komplette Herstellungskette zu konzentrieren und die Fertigungsschritte miteinander zu verknüpfen, so dass deutlich weniger Arbeiter gebraucht werden als in den großen Produktionsstätten in Asien. Denn derzeit ist noch vieles in der Sportartikelherstellung Handarbeit.
Die neue Fabrik bei Ansbach soll mit 160 Mitarbeitern auskommen. In Asien geht diese Zahl schnell in die Tausend. Maschinen sollen Produktionsschritte übernehmen, die bislang manuell ausgeführt wurden: beispielsweise das Zusammenkleben der Sohlen oder die Zusammensetzung des Schuhs als letzten Schritt.
Dafür hat Adidas mit Oechsler neue Maschinen entwickelt, die jeweils nach Bedarf eingestellt werden können. Durch bestimmte Wärmeverfahren beim Zusammenfügen der verschiedenen Komponenten will Adidas zudem zunehmend auf Klebstoffe verzichten.
Letztendlich entsteht so wie in der Autoindustrie eine Produktionsstraße, an der das Produkt von Anfang bis Ende hergestellt wird. Ganz auf Handarbeit verzichtet Adidas jedoch nicht - und will es auch nicht. Es gebe Fertigungsschritte, die von Menschen immer noch besser und präziser ausgeführt werden könne, als von Maschinen, sagte Hainer. Ein Beispiel ist das Aufziehen des Oberschuhs auf Leisten, um die genaue Passform zu erreichen.
Schnellere Produktion möglich Mit dem neuen Produktionssystem will Adidas gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen würde die Fertigung deutlich beschleunigt. Dauert derzeit etwa die Herstellung eines Schuhs mit der Dämpfungstechnologie Boost 90 Tage von der Bestellung bis zur Auslieferung, könnte das gleiche Modell in der Speedfactory in wenigen Stunden gefertigt werden. Der Kunde, ob Großhändler oder Endabnehmer, bekommt so die Ware deutlich schneller als zuvor.
Dabei kann sich Adidas auf regionale Vorlieben einstellen. Zudem könnten auch individuelle Wünsche der Kunden erfüllt werden, ein Geschäft, das derzeit noch ein Nischendasein führt.
Lagerhaltung wird reduziert Einen weiteren Vorteil erhofft sich Adidas davon, nicht mehr soviel Ware auf Vorrat produzieren zu müssen, sondern sozusagen "just in time" produzieren zu können, zum Beispiel wenn die Nachfrage nach einem Modell größer ist als erwartet. Damit liegen weniger Produkte auf Halde, so dass das Unternehmen bei schwächeren Verkäufen weniger Rabatte geben muss. Praktisch könnte das den Abschied vom Schlussverkauf bedeuten.
Geht die Speedfactory erfolgreich in Serie, könnte dies für Adidas einen weiteren Vorteil haben: Das Unternehmen macht sich von der Fertigung in Asien und den auch dort steigenden Arbeitskosten unabhängiger.
Produktion kehrt zurück nach Deutschland Ob sich die Erwartungen letztendlich erfüllen werden, ist offen. "Wir sind Pioniere auf diesem Feld", sagte Hainer. Er sieht gegenüber der Konkurrenz einen Wettbewerbsvorsprung von ein paar Jahren. Wie viel Adidas in das Projekt investiert, wollte Hainer nicht verraten. Rund 140 Millionen Euro gibt das Unternehmen pro Jahr für Forschung und Entwicklung aus, das Projekt Speedfactory ist ein Teil dieser Kosten.
Auch über mögliche Einsparungen gibt sich der Adidas-Chef, der im Oktober seinen Posten an Ex-Henkel-Mann Kasper Rorsted übergibt, noch zugeknöpft. Schließlich stehe man erst am Anfang. Bedenke man reine Kosten für Logistik und Vorrats- und Lagerhaltung, sei die Produktion in der Speedfactory jedoch günstiger als das alte Verfahren.
Und noch etwas ist wichtig für Hainer: "Wir holen Produktion zurück nach Deutschland." Als er 1987 bei Adidas angefangen habe, wurde damit begonnen, die Fertigung nach Asien zu verlagern, sagte er. Damals habe Adidas noch zehn Fabriken in Deutschland gehabt, von denen gerade mal eine übrig blieb. Jetzt, zu seinem Abschied kehre Produktion wieder zurück.
Kontakt zum Autor: natali.schwab@wsj.com
DJG/nas/sha
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May 24, 2016 11:19 ET (15:19 GMT)
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