27.07.2020 07:30:00
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Osteuropas Populisten sahnen ab
Rückblick auf die vergangenen Woche
Müsste man einen Sieger des Brüsseler Verhandlungsmarathons in der vergangenen Woche küren, so hieße er zweifellos Viktor Orbán. Der Mann hat Chuzpe. Der ungarische Quasi-Diktator hat die Europäische Union zielgenau an ihrem schwächsten Punkt getroffen: dem Zwang zur Einstimmigkeit. So konnte er allein mit der Androhung seines Vetos durchsetzen, dass die europäische Ratsrunde die in Artikel 2 des Lissabonner Vertrags formulierten Grundwerte der europäischen Staatengemeinschaft über Bord werfen musste. Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind demnach „die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet“, steht dort geschrieben.
Egal. Als es ums Geld ging, taugte das, was die Europäische Union als Wertegemeinschaft eigentlich zusammenhalten sollte, plötzlich nicht einmal mehr als Verhandlungsmasse. „Wer nicht bereit ist, die Rechtsstaatlichkeit zu akzeptieren, sollte die EU sofort verlassen.“ Diesen Satz sprach zynischer Weise ausgerechnet Viktor Orbán, der sich sichtbar einen Spaß daraus machte, seine demokratisch gesinnten Amtskollegen am Nasenring durch die Brüsseler Manege zu führen. Krachenden Beifall erhielt Ungarns Ministerpräsident aus Polen, Tschechien, Bulgarien und Rumänien, die allesamt eine Kontrolle der Vergabe der Fördergelder aus dem 750-Milliarden-Euro-Hilfsfonds der Europäischen Union ablehnten. Und so kommt es, dass ausgerechnet die Staaten, die schon in der Flüchtlingskrise jede Verantwortung und Solidarität ablehnten und die von der Corona-Krise vergleichsweise wenig betroffen sind, im kommenden Jahr, wenn die Auszahlung des Hilfspakets startet, die höchsten Zahlungen aus dem Fördertopf erhalten – Ungarn zum Beispiel erneut deutlich mehr als das schwer von der Pandemie gezeichnete Italien.
Es ist wohl eine Ironie der Geschichte, dass die Europäische Union, die letzte Staatengemeinschaft, in der die freiheitlich liberalen Ideen noch mehrheitlich lebt, ausgerechnet die Kleptokraten in ihrer Mitte am üppigsten speist, die diese Ideen am vehementesten ablehnen. In der Geschichte steckt eine weitere Paradoxie, der sich Orbán und Co. offensichtlich nicht bewusst sind: Sollte die Union aufgrund solcher Aktionen wie in der vergangenen Woche tatsächlich einmal zerbrechen, wäre für die größten Nutznießer Schluss mit lustig. Ohne die Geldspritzen aus Brüssel säßen die Staaten am äußeren Rand Europas bald auf dem Trockenen.
Drei. Zwo. Eins. Nicht aufregen. Durchatmen. Es gibt ja auch eine gute Nachricht. Das 750-Milliarden-Hilfspaket wird zwar erst ab Mitte kommenden Jahres ausgezahlt, doch seine Wirkung wird es schon vorher entfalten. Denn das Geld will gut investiert sein. Wer davon profitieren will, muss jetzt damit anfangen, zu planen und zu investieren. Schon allein das wird wie eine Konjunkturspritze dienen. Europa wird durch die Ankündigung des großzügigen Konjunkturpakets aus seiner Lethargie gerissen. Große Zahlen wirken allein schon aufgrund ihrer Größe. Ob die avisierten Euros tatsächlich fließen, spielt dabei oft nur eine untergeordnete Rolle. Vielleicht lässt sich der finanzielle Aderlass in – sagen wir mal – unsachgemäße Verwendungszwecke ja noch irgendwie eindämmen. Mit etwas Glück zieht das Europäische Parlament, das über die Vorlage des Europäischen Rats demnächst abstimmt, noch ein paar Filter ein. Es wäre doch schön, wenn Victor Orbán nicht der Letzte bliebe, der am Ende lacht.
Ausblick auf die wichtigsten Termine in dieser Woche
Am Dienstag veröffentlicht Standard & Poor's den S&P/Case-Shiller Immobilienpreisindex, der Veränderungen der Wohnimmobilienwerte in 20 Regionen der USA beinhaltet. Dieser Bericht ist nicht nur ein Indikator für die Gesundheit des US-Immobilienmarktes, sondern letztlich auch des gesamten Konsumklimas in den USA. Denn die US-Amerikaner leben bekanntermaßen auf Pump – und dafür beleihen sie gerne ihre Häuser. Ein schrumpfender Immobilienpreisindex ist deshalb immer auch ein heftiges Warnsignal.
Am Mittwoch verkündet die US-Notenbank Fed zunächst ihre aktuelle Zinssatzentscheidung. Anschließend erklärt das FOMC (Federal Open Market Committee) ihre Geldpolitik und gibt einen Ausblick auf die Zukunft. Da könnte es am Mittwoch spannend werden. Die Demokraten fordern ein Drei-Billionen-Paket für die Wirtschaft, die Republikaner wollen da nicht zurückstehen. In einem Wahljahr könnte es nicht bei Wunschdenken bleiben. Die Fed könnte der Versuchung unterliegen, dem politischen Ansinnen der Politiker zu folgen und die Trassen für die neuen Schuldenpläne mit Nullzinsen zu untermauern.
Am Donnerstag veröffentlicht das Statistisches Bundesamt die aktuellen Zahlen zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts. Spannend ist nur die Frage, ob das deutsche BIP in diesem Jahr ein- oder zweistellig schrumpft.
Am Freitag folgen die BIP-Zahlen für den Rest der Eurozone. Ein zweistelliges Minus gilt hier bereits als ausgemacht.

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