14.10.2015 10:12:00
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Oddo Meriten: Deutschland kann Schocks der vergangenen Monate gut wegstecken
Bruno Cavalier, Chefvolkswirt von Oddo & Cie, geht davon aus, dass Deutschland die aktuellen Herausforderungen – allen voran die Abschwächung des Welthandels – gut wegstecken und auch in den kommenden Jahren zu den solidesten Ökonomien in Europa gehören wird.
Die Abschwächung des Welthandels, der VW-Skandal, die Flüchtlingswelle, aber auch die weiter steigenden Einkommen stellen Herausforderungen für die deutsche Volkswirtschaft dar. Denn das Erfolgsmodell der vergangenen Jahre gründete auf einer wettbewerbsfähigen Exportwirtschaft, hochwertigen Industrieprodukten, einer Lohnzurückhaltung und dem Streben nach ausgeglichenen Haushalten. Dennoch geht Bruno Cavalier, Chefvolkswirt von Oddo & Cie, davon aus, dass Deutschland diese Schocks – allen voran die Abschwächung des Welthandels – gut wegstecken und auch in den kommenden Jahren zu den solidesten Ökonomien in Europa gehören wird.
Mit Blick auf die Entwicklung der Exporte merkt Cavalier an, dass sich die Verlangsamung des Wachstums in den Schwellenländern zwar ohne Zweifel als Bremsklotz für die deutschen Ausfuhren erweisen werde. So lange sich die Nachfrage aus Europa weiter stabilisiere, erscheine das Exposure zu den als am riskantesten geltenden Emerging Markets jedoch erträglich. Der vor dem Hintergrund sinkender Arbeitslosigkeit in den vergangenen Jahren zu beobachtende Anstieg der Löhne, der mittlerweile die Zunahme der Produktivität übertreffe, habe hingegen zu einer relativen Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsposition Deutschlands geführt.
Herstellungskosten seien für exportorientierte Unternehmen zwar wichtig, bei deutschen Produkten spiele jedoch die Qualität eine noch größere Rolle. Dies gelte besonders für die Automobilindustrie, die derzeit in den Skandal um von VW manipulierte Abgaswerte verstrickt sei. Allerdings seien diese Vorgänge ein VW-spezifischer und kein systemischer Schock, durch den alle deutschen Automobile plötzlich zu minderwertigen Fahrzeugen degradiert würden, so Cavalier. Auch sei kaum erkennbar, dass die Käufer deutscher Werkzeugmaschinen oder Chemieprodukte vor diesem Hintergrund andere Entscheidungen treffen würden. Die zugegebenermaßen völlig anders gelagerten Fälle um Parmalat, Enron, BP und Tepco hätten gezeigt, dass die Auswirkungen auf Geschäftsklima und Verbrauchervertrauen moderat und vorübergehend seien.
Mit Blick auf die Flüchtlingswelle merkt der Ökonom an, dass sich die zu ihrer Bewältigung nötigen Ausgaben auf kürzere Sicht als Mini-Stimulus erweisen dürften, die das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,3% bis 0,6% erhöhten. Die öffentliche Hand sei angesichts der Prognose eines Überschusses von 0,5% des BIP für 2016 in der Lage, diese Kosten zu tragen. Über den Tag hinaus sei jedoch entscheidend, wie gut die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt, das Bildungssystem, den teils bereits überhitzten Wohnungsmarkt und die deutsche Gesellschaft insgesamt gelinge. Dessen ungeachtet müsse darauf bedacht sein, in die „Flüchtlingskrise“ nicht die Entscheidung über das „Wohl“ oder „Wehe“ des deutschen Modells hineinzulesen.

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