18.05.2005 09:37:34

Jürgen Meyer, Julius Bär: "Deutschland profitiert von Osteuropa"

"Wir stehen zwischen dem vorsichtigen Bondinvestor und der zu Euphorie neigenden Spielernatur"

FundResearch: Herr Meyer, seit dem Platzen der Aktienblase im Frühjahr 2000 laufen Value-Titel besser als Growth-Werte. Sind Substanztitel bald wieder out?

Meyer: Value-Titel performen bereits seit einem viel längeren Zeitraum besser als Growth-Aktien. Seit 1990 hat der MSCI Europa Value zum Beispiel rund 1,3 mal so gut abgeschnitten wie der MSCI Europa Growth. Andere Zahlen belegen ebenfalls, daß Value-Portfolios langfristig attraktiver sind als Growth-Depots.

FundResearch: Wie schätzen Sie das Risikoverhalten eines Value-Investors ein?

Meyer: Stecken wir die Spielwiese einmal ab: Am einen Ende steht der eher vorsichtige Bondinvestor, der dann am erfolgreichsten ist, wenn er Risiken rechtzeitig erkennt und umgeht. Chancen gibt es in dem Geschäft nicht – eine Anleihe wird zu 100 % zurückgezahlt – nicht mehr und hoffentlich nicht weniger. Auf der anderen Seite stehen die zu Euphorie neigenden Spielernaturen, die überall Chancen sehen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was alles schief gehen könnte. Wir stehen zwischen diesen beiden Extremen. Wir suchen hohe Renditen in Verbindung mit niedrigen Kursen. Indem wir gute Unternehmen preiswert kaufen, minimieren wir Risiken automatisch.

"Je höher der Gewinn und je niedriger der Kaufpreis, desto besser"

FundResearch: Was heißt das in der Praxis? Wie finden Sie geeignete Value-Titel?

Meyer: Wir versuchen wie ein Eigentümer zu denken. Unsere Grundfrage lautet: Wie lange würde es dauern, bis das Unternehmen seinen heutigen Kaufpreis einschließlich Verbindlichkeiten aus eigener Kraft amortisieren kann? Je höher der Gewinn und je niedriger der Kaufpreis, desto besser für uns.

FundResearch: Sie kalkulieren mit dem Gewinn. Die zukünftigen Erträge sind jedoch eine unbekannte Größe.

Meyer: Richtig, deshalb setzen wir auf Unternehmen, die ein planbares Geschäftsmodell haben.

"Würden wir vom CEO kein gebrauchtes Auto kaufen, rühren wir auch dessen Aktie nicht an"

FundResearch: Worauf achten Sie noch?

Meyer: Grundsätzlich schauen wir auf die klassischen Value-Kriterien wie KGV, abgezinster Free Cash Flow oder Preis/Buchwert. Diese Daten sind alle meßbar, allerdings kann man damit nur die Vergangenheit beurteilen. Die Qualität eines Unternehmens ist dagegen nicht messbar, aber entscheidend für die Zukunft.

FundResearch: Was meinen Sie genau mit Qualität des Unternehmens?

Meyer: Wir machen uns intensiv Gedanken über die Qualität des Geschäftsmodells. Zum Beispiel wer oder was hindert Konkurrenten daran, das Unternehmen oder dessen Produkte zu kopieren? Gibt es Abhängigkeiten von einzelnen Kunden oder Lieferanten? Wird man die Produkte auch in 20 Jahren noch brauchen oder wollen? Die andere Seite ist das Management. Die schönsten Unternehmen lassen sich durch korruptes oder unfähiges Management ruinieren. Wenn wir den Eindruck gewinnen, daß wir vom CEO kein gebrauchtes Auto kaufen möchten, rühren wir auch dessen Aktie nicht an.

"SAP beispielsweise hat faktisch ein Monopol und kann nicht kopiert werden"

FundResearch: Was ist denn wichtiger: Das Management oder das Geschäftsmodell?

Meyer: Beides ist wichtig. Aber Warren Buffett hat einmal gesagt: "Falls ein gutes Management auf ein schlechtes Geschäftsmodell trifft, hat der Ruf des Geschäftsmodells Bestand." Im Übrigen ist es für Aussenstehende viel leichter und damit sicherer, das Geschäftsmodell zu beurteilen als das Management.

FundResearch: Wie unterscheiden Sie gute von schlechten Geschäftsmodellen?

Meyer: Wir mögen es, wenn ein Unternehmen seinen Markt durch Eintrittsbarrieren gegenüber seinen Wettbewerbern schützen kann. SAP beispielsweise hat faktisch ein Monopol und kann nicht kopiert werden. Die Umschulung der Mitarbeiter auf ein Konkurrenzprodukt wäre für die Kunden der SAP teurer als die Lizenzgebühren zu zahlen. Ein anderes Beispiel ist die Deutsche Börse: Auch sie steht hinsichtlich des Geschäftsmodells gut da, weil an Xetra keiner vorbeikommt.

"Bei Audi und BMW bringt allein die Marke Geld"

FundResearch: Nicht immer dominieren Unternehmen ihren Markt. Bei Autos beispielsweise gibt es eine große Konkurrenz.

Meyer: Audi und BMW verkaufen jedoch Autos mit Prestige. Allein die Marke bringt hier Geld. Einen Vorteil, den Seat oder Skoda nicht besitzen.

FundResearch: Schlägt sich dies auch in höheren Börsenkursen nieder?

Meyer: Bei BMW hat sich der Aktienkurs seit 1990 vervierfacht. Ähnliches gilt für die Premium Marke Hugo Boss. Bei VW, der Mutter von Seat und Skoda, hat sich die Aktie seit 1990 dagegen kaum bewegt.

"Sie bezahlen Audi und bekommen den Rest des VW-Konzerns umsonst dazu"

FundResearch: Dennoch zählt VW derzeit neben BMW zu Ihren Favoriten. Warum?

Meyer: VW war 1990 nach der Wiedervereinigung überbewertet, heute ist das Unternehmen jedoch unterbewertet.

FundResearch: Unterbewertet inwiefern?

Meyer: VW wird unter seinem Buchwert gehandelt. Alleine Audi ist soviel wert wie der Gesamtkonzern an der Börse kostet. Anders gesagt: Sie bezahlen Audi und bekommen den Rest des VW-Konzerns umsonst dazu.

FundResearch: Aber mit dem Gewinn bei VW hapert es?

Meyer: Der VW-Konzern erzielt rund 30 Prozent seines Umsatzes in Deutschland. Der deutsche PKW-Markt stagniert seit rund vier Jahren. Daher ist der "deutsche Fuhrpark" heute so alt wie nie zuvor. Wenn dieser Investitionsstau sich löst, sollte VW als Marktführer am meisten profitieren.

"Deutschland ist ein attraktiver Value-Markt"

FundResearch: Wie beurteilen Sie generell deutsche Aktien?

Meyer: Deutschland ist ein attraktiver Value-Markt, im historischen Vergleich sind deutsche Aktien attraktiv bewertet. Zudem ist die Exportdynamik weiterhin sehr hoch. Und nicht zuletzt durch flexiblere und längere Arbeitszeiten werden die Unternehmen wettbewerbsfähiger.

FundResearch: Spricht die Konkurrenz aus Osteuropa nicht gegen deutsche Aktien?

Meyer: Ganz im Gegenteil. Mittel- und Zentraleuropa ist ein zukünftiger Absatzmarkt und eine günstige Einkaufsmöglichkeit für deutsche Unternehmen. Bei Aktien aus Österreich sieht man diesen positiven Effekt bereits.



Im Profil: Dr. Jürgen Meyer

Jürgen Meyer arbeitet seit 1999 für Julius Bär. Von Zürich aus managt er den German Value Stock Fund (ISIN LU 004 816 749 7) sowie den Euroland Value Stock Fund (ISIN LU 010 091 543 7). Seine Anlagephilosophie ist ausschließlich value-orientiert. Vor seinem Eintritt bei Julius Bär studierte Meyer Physik an der Technischen Universität Darmstadt, an der er auch promovierte.



Anmerkung: Weitere Infos (Fondstabelle) finden Sie als PDF im Dateianhang.

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