12.12.2014 11:15:00
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Goldman Sachs: Eurozone – besser, schlechter oder einfach weniger schlimm?
In den aktuellen „Macro Insights“ fokussieren sich die Experten von Goldman Sachs Asset Management (GSAM) auf die Marktentwicklung der Eurozone sowie die Situation für europäische Unternehmen.
Für das kommende Jahr gehen wir generell davon aus, dass sich das globale Wachstum weiter langsam beschleunigt und die Inflation auf einem niedrigen Niveau verharren wird. Daher bevorzugen wir riskantere Anlagen, insbesondere Aktien gegenüber Zinspapieren. Diese Einschätzung wird durch drei wichtige Makroentwicklungen der letzten Monate untermauert: Zum einen stützt der rapide Verfall der Ölpreisnotierungen unseren weitgehend positiven Wachstumsausblick. Dies hängt teilweise mit den effektiv höheren Realeinkommen zusammen, die sich aus der Ölverbilligung ergeben und den Nettoimporteuren zugute kommen sollten. Zweitens erhöhen die Zentralbanken in der Eurozone und Japan – den Schwachstellen der Weltwirtschaft – gerade ihre finanziellen Anreize. Die Fed hingegen hat in den USA die quantitative Lockerung beendet, wodurch die Entwicklung der Industriemärkte in unterschiedliche Richtungen verstärkt an Bedeutung gewinnt. Drittens haben sich die Märkte trotz des jüngsten Volatilitätsanstiegs gut behauptet und wir erwarten keine strukturelle Verlagerung hin zu einem Marktumfeld mit hoher Volatilität.
Europa konnte sich Mitte 2013 aus der Rezession befreien, das Wachstum blieb jedoch in 2014 selbst hinter den niedrigsten Erwartungen weiter zurück. Die generelle Prognose für 2015 wurde zudem drastisch gesenkt und liegt mit 1,2 Prozent jetzt näher an unserer hauseigenen Schätzung von 1 Prozent. Doch obwohl unser Makroausblick bescheiden bleibt, haben Aktienanleger unserer Meinung nach guten Grund, etwas optimistischer zu sein.
In Sachen Konjunktur sehen wir nach wie vor große Hürden. Unsere Inflationsprognose für die Eurozone fällt noch pessimistischer aus, da wir im kommenden Jahr anstelle eines Anstiegs auf 1 Prozent einen Rückgang auf 0,4 Prozent erwarten. Die fallenden Energiepreise üben einen kurzfristigen Abwärtsdruck auf die Inflation aus. Daneben gibt es aber auch noch längerfristige strukturelle Faktoren, die das Wachstum geschwächt haben und sich nicht so schnell beseitigen lassen dürften. Bei knapp über Null dürfte das Wachstum seinen Tiefpunkt erreicht haben und es sollte keinen schärferen Abschwung in Europa geben. Als großer Exporteur dürfte die Eurozone zudem Auftrieb durch den schwächeren Euro und die anziehende Erholung in anderen Regionen, allen voran den USA, erhalten. Als Nettoimporteur von Energie wird Europa vom jüngsten Rückgang der Ölpreise profitieren. Mit einem Kaufprogramm für Staatsanleihen rechnen wir im ersten Quartal 2015 und glauben, dass die verstärkten Stimulationsmaßnahmen der EZB die Wirtschaft stützen dürften. Bezüglich des Ausmaßes dieser finanziellen Stimulationen bleiben wir allerdings skeptisch.
Tatsächlich gibt es für die Eurozone bereits erste positive Anzeichen, da viele Unternehmen mit ihren Ergebnissen für das dritte Quartal die Erwartungen übertroffen haben. Erfreulich dabei ist, dass die höheren Gewinne von einer unerwartet guten Umsatzentwicklung getragen werden. Verhaltenere Prognosen seitens der Unternehmen, diversifizierte Märkte und die Euro-Schwäche sind allesamt Faktoren, die gute Aussichten für Aktien versprechen.
Für 2014 rechnen wir mit einem Gewinnwachstum von rund 6 Prozent. Diese Rate könnte sich im kommenden Jahr selbst mit nur 1–2 Prozent BIP-Wachstum und ohne große Strukturreformen verdoppeln. Außerdem liegen die Bewertungen mittlerweile leicht unter ihrem historischen Durchschnittswert, sodass europäische Aktien selbst ohne weiteren KGV-Anstieg zweistellige Erträge erzielen könnten. Der Aktienzyklus geht nun von der „Hoffnungsphase“, in der die Performance größtenteils von höheren Kurs-Gewinn-Verhältnissen getrieben wird, über in die „Wachstumsphase“ mit Gewinnwachstum als Haupttreiber. Daher halten wir es für möglich, dass die Eurozone im Vergleich zu anderen Regionen höhere Veränderungsraten aufzeigen wird.
Die Wirtschaft der Eurozone zeigt kaum weiteres Abwärtsrisiko und die Lage sollte sich dank der geldpolitischen Bemühungen und der Normalisierung des Bankensektors langsam aufhellen. Dieses Szenario verschafft den Aktien Spielraum für Kursanstiege, da die Unternehmensgewinne von einem anziehenden globalen Wachstum und einem schwachen Euro profitieren. Unserer Meinung nach wird das Gewinnwachstum die Aktienmärkte beflügeln, wobei angesichts der geringen Erwartungshaltung endlich mit positiven Überraschungen zu rechnen ist.
Insgesamt sind auch wir der Ansicht, dass die Eurozone ihren wirtschaftlichen Tiefpunkt vermutlich erreicht hat. So gesehen stellt sich die makroökonomische Lage jetzt weniger schlimm dar, während der Unternehmenssektor wirklich besser dastehen dürfte.
Weltweit betrachtet gehen wir davon aus, dass die USA das globale Wachstum weiter anführen und dabei die kurzfristigen Zinsen nach oben treiben werden. Lokal ausgerichtete US-Titel sollten von diesem Umfeld profitieren, weshalb wir in Hochzinsanleihen und Aktien übergewichtet sind. Im Zuge der anhaltenden wirtschaftlichen und geldpolitischen Divergenz zwischen den größten Industrienationen rechnen wir für diese Länder mit attraktiven taktischen Anlagegelegenheiten. Längerfristig überzeugen uns auch die Schwellenmärkte, wo wir strategisch übergewichtet sind. Mit steigender Volatilität sehen wir dort eine immer breitere Renditestreuung und jede Menge Wertpotenzial als Belohnung für einen aktiven Managementstil. Wir sind aufgrund des steigenden Dollarkurses vorsichtig gegenüber potenziellen Finanzierungsproblemen, glauben aber, dass die Anleger reformorientierten Ländern weiter den Vorzug geben werden. Länder, die sich wie Brasilien durch leicht identifizierbare Probleme und ansprechende Bewertungen auszeichnen, könnten mit einer glaubwürdigen Agenda eine gute Performance verzeichnen. Wir bevorzugen Indien, vermissen dort aber noch eine konkretere Politik. Für China schließlich sind wir optimistisch gestimmt, da das Land Herausforderungen aktiv angeht.
Die vollständigen „GSAM Macro Insights“ im englischen Original im pdf-Dokument

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