WTI
Problem Ölpreis-Dominanz |
07.03.2015 08:00:02
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Aufbruchstimmung: Kursfantasie in Arabien
Elegant und ästhetisch, aber doch völlig fremd - so wirken arabische Schriftzeichen auf Europäer, die der Sprache nicht mächtig sind. Anders, ganz anders ist die Schrift, und ganz anders sind auch Kultur und Gesellschaft in den Ländern der Arabischen Halbinsel. Kleidung, Umgangsformen, Gesetze, Staatsaufbau und auch die Wirtschaft unterscheiden sich von dem, was in Deutschland geläufig ist.
Reisende, die Dubai, Katar oder Bahrain das erste Mal besuchen, blicken mit Staunen auf die pompösen Bauwerke. In der Wüste am Ufer des Persischen Golfs sind Mega-Citys entstanden - mit modernster Architektur und Gebäuden, die hoch in den Himmel ragen. Die Einnahmen aus dem Ölgeschäft haben den Boom möglich gemacht.
Doch auch Anleger reiben sich verwundert die Augen. In Dubai und Katar haben sich die Aktienkurse in den vergangenen fünf Jahren beinahe verdreifacht. Grund für die Hausse war neben einem starken Wirtschaftswachstum eine Aufwertung durch den Indexanbieter MSCI. Dieser hatte Mitte 2013 entschieden, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate vom Grenzmarkt (Frontier Market) zum Schwellenland (Emerging Market) zu befördern. Allein die Ankündigung der Aufnahme in den MSCI Emerging Markets Index, dem viele Investoren folgen, ließ die Kurse anziehen.
Im größten Land der Region, in Saudi-Arabien, ging es dagegen gemütlich zu. An der Börse der Hauptstadt Riad stiegen die Aktiennotierungen in den vergangenen fünf Jahren nur um rund 40 Prozent. Doch in den kommenden Monaten steht ein Umbruch bevor, der die Kurse beflügeln dürfte: Die Börse in Riad, zurzeit noch weitgehend abgeschottet vom globalen Finanzmarkt, will künftig Anlegern aus der ganzen Welt den Einstieg ermöglichen. Der genaue Zeitpunkt der Marktöffnung steht zwar noch nicht fest. Es gilt jedoch als sicher, dass der Schritt bis Jahresende vollzogen wird.
Schub für die gesamte Region
Die Öffnung des saudischen Marktes dürfte der ganzen Region einen Schub geben. Denn Saudi-Arabiens Volkswirtschaft ist mit Abstand die größte unter den sechs Ländern, die sich im Golf-Kooperationsrat zusammengeschlossen haben. Zu diesem Bund gehören neben Saudi-Arabien Oman, Katar, Bahrain, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate, von denen Dubai und Abu Dhabi die bekanntesten sind.Sobald der saudische Aktienmarkt offen für Ausländer ist, kommt eine Aufnahme in die prominenten MSCI-Indizes in Betracht. Die dürfte zwar nicht vor 2017 erfolgen, doch sie erscheint angesichts der Größe des saudischen Marktes unumgänglich - der zweite Meilenstein für den Finanzplatz Saudi-Arabien.
Schon in diesem Jahr könnte der Einstieg internationaler Investoren die Kurse antreiben. "Zurzeit machen Ausländer an der Börse in Riad nur einen Anteil von 1,1 Prozent aus", sagt Bassel Khatoun, Chef für arabische und nordafrikanische Aktien bei Franklin Templeton. "Sobald sich der Markt öffnet, rechnen wir mit einem Anteil von zehn Prozent." Ungefähr 50 Milliarden Dollar würden dadurch in Bewegung geraten.
Die ausländischen Anleger würden dem Markt auch mehr Stabilität verleihen. Momentan dominieren Privatanleger den Handel in Riad mit einem Anteil von 90 Prozent. Finden künftig institutionelle Anleger den Weg dorthin, dürfte das die Volatilität senken. "Institutionelle legen meist langfristig an und schätzen ein gering schwankendes Umfeld", sagt Khatoun. Ebenso würden sie die Liquidität erhöhen und für effizientere Preise sorgen.
Öl-Dominanz als Problem
Die Wirtschaft der sechs Golf-Staaten wird vom Energiesektor dominiert. Die Einnahmen aus dem Ölgeschäft steuern zwischen 20 und 50 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Diese Abhängigkeit vom Öl ist Fluch und Segen zugleich.Ein Segen, weil das Öl den Ländern einen beinahe unermesslichen Reichtum verschafft hat. So gehören die Staatsfonds aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zu den wohlhabendsten der Welt mit einem Vermögen von jeweils rund einer Billion US-Dollar. Die einheimische Bevölkerung erhält soziale Wohltaten und zahlt minimale oder überhaupt keine Steuern. Großzügige Geschenke an die Bürger sind üblich.
Die Reserven sorgen zudem für eine hohe finanzielle Stabilität. Alle sechs Golf-Staaten tragen ein Investment-Grade-Rating, das sie als verlässliche Schuldner ausweist. Ebenso sorgt das Geld für ein hohes Durchhaltevermögen, wenn die Einnahmen aus dem Ölgeschäft etwas dürftiger ausfallen - so wie dies aktuell der Fall ist.
Denn momentan zeigt sich, dass der Fokus auf das Ölgeschäft auch eine Last sein kann. Ein Preisverfall wie im zweiten Halbjahr 2014, als die Notierungen des schwarzen Goldes um 50 Prozent einbrachen, reißt große Löcher in die Staatshaushalte. Mit ihren Kapitalreserven können die Golf-Staaten dies zwar zunächst kompensieren. Doch eine lang anhaltende Schwäche des Rohstoffs würde sie vor Probleme stellen. "Kurzfristig wird der niedrige Ölpreis die Länder nur wenig belasten", sagt Akhilesh Baveja, Fondsmanager des Magna MENA. "Erst wenn der Preis für mindestens zwei Jahre niedrig bleibt, werden wir Auswirkungen auch außerhalb des Ölsektors spüren." Dann könnten Subventionen und andere staatliche Hilfen zurückgefahren werden.
Schreck für Anleger
Dass der Ölpreis dauerhaft auf einem derart niedrigen Niveau bleibt, ist zwar unwahrscheinlich, und an den Terminbörsen weisen die künftigen Kontrakte bereits auf höhere Stände hin. Doch der Preisverfall hat den Anlegern einen gehörigen Schrecken eingejagt. Die Aktienkurse in der Golf-Region gaben im dritten Quartal 2014 deutlich nach - im Dezember kam es sogar zu einem regelrechten Ausverkauf. Von diesem konnten sich die Kurse zwar mittlerweile erholen. Aber von den Börsenständen des Spätsommers sind sie, in lokaler Währung gerechnet, noch immer weit entfernt.Templeton-Manager Khatoun warnt jedoch davor, den Blick nur auf den Energiesektor zu richten: "Es wäre fatal, die Golf-Staaten auf Öl zu reduzieren." Denn andere Sektoren seien wesentlich attraktiver. Dies zeigt der Vergleich der Wachstumszahlen. "Während das Wachstum im Ölsektor in den vergangenen zwei Jahren bei jährlich 0,9 Prozent lag, wuchs die Wirtschaft jenseits dieser Branche um mehr als fünf Prozent", sagt er. Für besonders aussichtsreich hält er die Bereiche Infrastruktur, Banken und Konsumgüter. Managerkollege Baveja schätzt darüber hinaus Versicherungen und den Gesundheitssektor.
Gute Bedingungen
Unterstützt wird das Wachstum von einer Bevölkerung, die zu den jüngsten weltweit zählt. "In Saudi-Arabien beispielsweise sind 67 Prozent der Einwohner jünger als 30 Jahre", sagt Khatoun. Auch auf Unternehmensseite finden sich gute Bedingungen. So zahlen Firmen keine oder geringe Steuern. Zudem erhalten sie Zugriff auf billige Energie, die Lohnkosten sind relativ niedrig, und der Erwerb von Land wird subventioniert.So gut die Aussichten in verschiedenen Sektoren auch sind: Die Region steht vor großen Herausforderungen. Zum einen sind die Länder darauf angewiesen, Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft zu schaffen. Denn die bereits heute aufgeblähten Staatsunternehmen können den Ansturm der jungen Menschen, die auf den Arbeitsmarkt strömen, mittelfristig nicht mehr verkraften. Dann hätte das hohe Bevölkerungswachstum sogar negative Folgen: Fehlende Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt könnten zu sozialen Unruhen führen oder die Menschen in die Arme radikaler Gruppierungen treiben.
Zum anderen müssen die Golf-Staaten ihre Wirtschaft diversifizieren, um weniger abhängig vom Öl zu sein. Teilweise zeigen sich erfolgversprechende Ansätze. So haben sich Dubai und Bahrain zu wichtigen Finanzplätzen entwickelt, in Dubai sind Tourismus und Konsum eine zusätzliche Stütze. In Saudi-Arabien siedelt sich mehr und mehr Industrie an - beispielsweise aus der Petrochemie, der Aluminiumverarbeitung oder der Düngemittelherstellung. "Der Rest der Region ist aber noch immer stark abhängig von Investitionen des Staates", sagt Magna-Fondsmanager Baveja.
Für Anleger hat dies aber auch etwas Gutes. "Weil die Region selbst über so viel Kapital verfügt, ist sie nicht abhängig von ausländischem Geld", so Baveja. Sollte in einer globalen Krise Kapital abgezogen werden, dürfte das weniger große Probleme verursachen als in anderen aufstrebenden Märkten.
Investoren müssen sich bewusst sein, dass ein Einstieg in die Region eine riskante Angelegenheit ist. Auf märchenhafte Kurszuwächse folgten immer wieder auch brutale Abstürze. Die Chancen der Golf-Staaten sollten sich risikobereite Anleger trotzdem nicht entgehen lassen.
Investor-Info
Magna MENA
Spitzenrendite
Der Magna MENA von Charlemagne Capital investiert in Nordafrika und den Nahen Osten. Aktien aus Saudi-Arabien machen zurzeit mehr als die Hälfte des Portfolios aus, Titel der Vereinigten Arabischen Emirate ein Viertel. Ägypten hat einen Anteil von 13 Prozent. Manager Akhilesh Baveja investiert relativ ausgewogen in unterschiedliche Branchen. Der eher kleine Fonds, der im Februar 2011 aufgelegt wurde, erzielte in den vergangenen drei Jahren den höchsten Wertzuwachs in seiner Vergleichsgruppe.
Franklin MENA
Langjährig erfolgreich
In den vergangenen Jahren gehörte der Franklin MENA regelmäßig zu den besten Fonds für nordafrikanische und arabische Aktien. Das von Manager Bassel Khatoun verwaltete Vermögen steckt zu einem Drittel in saudischen Titeln, die Vereinigten Arabischen Emirate haben einen Anteil von einem Viertel. Ägypten, Kuwait und Katar folgen mit Gewichtungen von 15 bis acht Prozent. Titel aus dem Finanzsektor dominieren. Wegen der soliden Leistung und der stabilen Fondsgröße unser Favorit.
db X-trackers MSCI GCC Select
Golf-Region pur
Ganz neu auf dem Markt ist der db X-trackers MSCI GCC Select (ISIN: IE00BQXKVQ19). Der ETF folgt dem MSCI-Index für die sechs Golf-Staaten. Das Kürzel GCC steht für Gulf Cooperation Council, den Golf-Kooperationsrat, in dem sich die Länder zusammengeschlossen haben. In dem Index hat Saudi-Arabien einen Anteil von zwei Dritteln. Der ETF mit einer Jahresgebühr von 0,65 Prozent ermöglicht einen sehr fokussierten Einstieg in die Region, ist aber mit einem Vermögen von zehn Millionen US-Dollar noch sehr klein.
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