„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ (Mark Twain, Karl Valentin et al.) Diese Aussage würden wir unterschreiben. Wie kann man vernünftige Aussagen in Zeiten machen, in denen Zinsen nach fast zehn Jahren wieder etwas steigen, der Ölpreis ins Bodenlose fällt, Währungen verrückt spielen, wo keiner weiß, ob unsere so positive konjunkturelle Situation in Deutschland erhalten bleibt? Zeiten, in denen die Schwellenländer doch deutlich schwächeln und plötzlich Flüchtlingsströme einsetzen. Das alles passiert, während die Digitalisierung die Wirtschaft und unser gesamtes Leben gerade grundlegend ändert, wo keiner weiß, ob und wie unser Gesellschaftssystem das alles aushalten kann. Aber sich zu drücken wäre dann doch etwas zu einfach!

Makroumfeld: Unterschiedliche Entwicklungen Die Zinserhöhung in den USA wurde lange hinausgezögert, da die Fed sicher sein wollte, dass sich die US-Wirtschaft auf einem nachhaltigen Kurs befindet. Die Wachstumsraten sind zwar geringer als vor der Finanzkrise, aber die Arbeitslosigkeit ist niedrig. Daneben ist die Inflationsrate in den USA unter der von der Zentralbank angestrebten – und nichts fürchten Politiker und Banker mehr als Deflation. Zurzeit wird die amerikanische Wirtschaft durch den niedrigen Rohölpreis kräftig durchgeschüttelt. Insbesondere die im letzten Jahrzehnt aufgebaute heimische Öl- und Gasindustrie im Fracking-Bereich leidet stark und ihre Anleihe-Finanzierungen stehen auf wackeligen Beinen.

Auf der anderen Seite ist dieser niedrige Ölpreis ein großes Konjunkturpaket. Der durchschnittliche Benzinpreis in den USA fiel von Mitte 2014 bis heute von 3,70 auf unter 2,00 US-Dollar. Damit steht den Konsumenten mehr Geld zur Verfügung.

In Europa zeigt sich ein geteiltes Bild. Während Deutschland laut des scheidenden IFO-Präsidenten Prof. Hans-Werner Sinn boomt, sieht das Bild in Italien, Frankreich und Spanien nicht so rosig aus. Zwar gelingt es in den meisten Ländern die Wirtschaften zu stabilisieren – ein deutlicher Aufschwung ist allerdings nicht zu erkennen. Die gute Nachricht ist, die Arbeitslosenraten in Italien und Spanien sind zumindest leicht gefallen.

Während Mitte des vergangenen Jahres Griechenland die Schlagzeilen bestimmte, ist es dort sehr ruhig geworden. Ob die Auflagen, die erfüllt werden müssen, um neue Hilfsgelder zu bekommen alle wirklich umgesetzt werden, ist jedoch mehr als fraglich. Das Flüchtlingsthema überlagert aber zurzeit die Griechenlandproblematik. Dazu ist viel diskutiert und geschrieben worden, aber eines ist klar: Die politischen Herausforderungen sind immens und werden neben den anderen wirtschaftlichen Problemen zunehmend zu Spannungen in Europa und insbesondere in der Eurozone führen.

Und was passiert in Asien? Asien ist groß und vielfältig. Zurzeit wird China mit Asien gleichgesetzt. Auch China steht inmitten eines großen Umbruchs. Wachstumsraten von knapp 10 Prozent sind Geschichte. China als ewig wachsender Exporteur und rohstofffressender Riese gehört auch der Vergangenheit an. Das hat mehrere Gründe: Der wichtigste ist wohl in der Umorientierung der chinesischen Politik zu suchen. Die Regierung verschiebt die Akzente auf eine Stärkung des Binnenmarktes und auf den heimischen Konsumenten. Der Dienstleistungsbereich expandiert rasant und die Digitalisierung lässt tausende von spannenden Start-ups aus dem Boden schießen. Eine neue und gute Entwicklung. Verständlich war die Reaktion der Börsen im August, als die schwächeren Wachstumszahlen aus China bekannt wurden. Der Tenor war: China kauft nicht mehr so viele Güter im Ausland ein – besonders Deutschland sollte darunter leiden. Inzwischen zeigt die Realität, dass bisher die Effekte nicht so groß sind, wie befürchtet; auch wenn die deutsche Automobilindustrie deutliche Absatzrückgänge in China vermeldet.

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die meisten Schwellenländer in den letzten zwei Jahren markante Rücksetzer in ihrer Entwicklung erfahren haben. Besonders ausgeprägt ist das in Russland und Brasilien der Fall. In Brasilien tobt eine Krise ausgelöst durch unsolide Fiskalpolitik, Inflation und Korruption – die die Gesellschaft, Wirtschaft und Währung heftig schädigen.

Indien dagegen versucht mit einer Regierung, die viel stärker wirtschaftsorientiert ist, die wichtigsten Probleme wie den Ausbau der Infrastruktur und der Bildungsmöglichkeiten zu bewältigen und scheint – trotz vielfältiger politischer Störfeuer – auf einem guten Weg zu einer neuen Identität zu sein.

Anleihemärkte: Wertvolle Stabilisatoren

Wenn die Zinsen bei nahe null sind und dort verharren, sind die Anleiheerträge auch nahe null. Dies war vergangenes Jahr durchgängig der Fall. Trotzdem war viel Bewegung im Markt, ausgelöst von wechselnden Faktoren – mal war es China, mal war es eine starke US-Wirtschaft, mal waren es die Aussagen der Fed.

Manche zinstragende Papiere verloren sogar deutlich an Wert. Wie bereits erwähnt, leiden die Ölproduzenten in den USA stark unter dem niedrigen Ölpreis; sie sind häufig mit sogenannten High-Yield Anleihen finanziert. Dort gab es nicht nur dramatische Kursverluste, sondern auch Ausfälle durch Pleiten. Generell waren jene Sektoren im Anlagebereich im vergangenen Jahr unter Druck, die sich in den Jahren zuvor besonders gut entwickelt hatten. Das gilt insbesondere für Schwellenländer-Anleihen. Dort zogen die Anleger bedeutende Summen ab, mit der Konsequenz fallender Kurse.

Es ist weitestgehend auszuschließen, dass die Zinsen im Jahr 2016 fallen und somit Kursgewinne bei zinstragenden Papieren auftreten. Aufgrund der US-Zinswende und der Tatsache, dass die EZB wohl weitgehend ihr Pulver in Sachen Zinssenkungen verschossen hat, gehen wir davon aus, dass mit steigenden Fed-Zinssätzen auch die Anleiherenditen steigen werden. Das bedeutet, dass sich zwar die laufende Verzinsung erhöht, allerdings werden auch Kursverluste auf bestehende Portfolios zu verzeichnen sein. Anleiheportfolios werden im Jahre 2016 zwar keine hohen Beiträge zur Wertentwicklung liefern, bleiben aber in diesen unsicheren Zeiten ein wertvoller Stabilisator.

Aktienmärkte: Volatilität bleibt

Die Aktienmärkte schwankten noch viel stärker als die Anleihen. Bis Mitte Dezember 2015 gab es allerdings keine wirklichen Gewinner: Der Dax, der japanische Leitindex Nikkei 225, der holländische Aktienmarkt sowie die breiten europäischen Aktienindizes  waren einstellig im Plus. Italien, Österreich und Japan etwas mehr als plus 10 Prozent, wogegen die Schweiz und Schweden im Bereich um null lagen. Die USA, Großbritannien und Spanien bildeten die Schlusslichter unter den größeren Märkten mit einem einstelligen Minus.

Es war kein allzu einfaches Jahr. Die vielzitierte Volatilität war zum Teil enorm. Der chinesische Aktienindex der Börse Shenzhen begann das Jahr 2015 mit einem Indexstand von 3530. Er stieg dann in der chinesischen Börseneuphorie um über 50 Prozent (5380), um dann, als die Ängste wegen des geringeren Wirtschaftswachstums in China um sich griffen, im Sommer auf 2950 zu fallen. Bis zum Ende des Jahres 2015 erholte sich der Index wieder und konnte für das gesamte Jahr ein einstelliges Plus ausweisen. Was hier so lapidar beschrieben wird, war für die Investoren und Börsianer ein sehr stressvolles und unkalkulierbares Ereignis.

Generell wurden die Börsen 2015 durch Fusionen und Übernahmen belebt. Nachdem bereits 2014 ein gutes Jahr für M&As  war, wurde im Jahr 2015 ein neuer Rekord aufgestellt. Über 4 Trillionen USD wurden dabei umgesetzt. Herauszustellen sind hierbei große Transaktionen im Technologie- und Pharmabereich. Auch interessant ist die deutliche Zunahme von Transaktionen mit chinesischen Käufern.

Die wichtigsten Faktoren für die Entwicklung der Aktienmärkte 2016 sind die Gewinnentwicklung der Unternehmen und die Zinsen. Die Gewinne wiederum sind abhängig vom Wirtschaftswachstum. Ausgehend davon, dass die konjunkturelle Entwicklung in den USA und Europa leicht positiv sein wird, erwarten wir auch leicht steigende Gewinne.

Wir erwarten leicht steigende Aktienmärkte, allerdings wie im Vorjahr unter starken Schwankungen. Europa könnte sich auch diesmal besser entwickeln als die USA, da der wohl weiter steigende US-Dollar der europäischen Exportindustrie hilft. In Japan sollten der begonnene politische und wirtschaftliche Wandel den Unternehmen zu höheren Gewinnen und dann auch zu höheren Aktienkursen verhelfen. In den Schwellenländern werden sich individuell Chancen ergeben, allerdings ist die begonnene Konsolidierung noch nicht überall beendet.

Währungen: Abwertungswettlauf im vollen Gange Auch die Währungsseite war im vergangenen Jahr relativ turbulent. So gab völlig überraschend die Schweizerische Nationalbank Mitte Januar die Koppelung des Schweizer Franken an den Euro auf. Der Franken wertete daraufhin um über 15 Prozent auf – mit den entsprechend negativen Folgen für die nationalen Unternehmen. Im Verlauf des Jahres stabilisierte sich der Schweizer Franken auf einem gut 10 Prozent niedrigeren Niveau.

Der Euro war bereits mit einer deutlichen Abwertungstendenz ins neue Jahr 2015 gestartet. Seit die Europäische Zentralbank im August 2014 ein Anleiherückkaufprogramm beschlossen hatte und somit die Märkte mit Liquidität flutete, fiel der Euro im Vergleich zum US-Dollar von 1,40 bis 1,21 zu Beginn des Jahres 2015. Dann wurde eine Ausweitung und Verlängerung dieses Ankaufprogrammes verkündet, wodurch der Euro weiter fiel. Schließlich führte die Fed Zinserhöhung zu einem weiteren Rückgang, sodass der Euro Ende des Jahres 2015 etwa bei 1,08 stand. Viele Marktteilnehmer erwarten einen weiteren Rückgang des Euro im kommenden Jahr.

Auch Japan versuchte durch expansive Geldpolitik den Yen zu schwächen, um ihre Exportindustrie anzukurbeln.

Schließlich mussten auch die Chinesen handeln, die ihre Währung traditionell an den US-Dollar gebunden hatten. Der Yuan wurde somit zu stark und die Exportindustrie litt darunter. Im August wertete China daraufhin den Yuan moderat um etwa drei Prozent ab. Trotzdem gab es erhebliche Marktirritationen. Gegen Ende des Jahres wurde die Bindung an den US-Dollar aufgehoben und der Yuan an einen Währungskorb geknüpft, was zu einer weiteren geringen Abwertung führte.

Diese Entwicklungen haben schon eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Abwertungswettlauf, bei dem jedes Land versucht, über eine schwächere Währung Vorteile zu erlangen. Es spricht einiges dafür, dass sich das fortsetzt: Stärkerer US-Dollar und insbesondere schwächerer Yuan.

Rohstoffe: Keine Trendwende in Sicht

Auch bei den Rohstoffen setzte sich der seit Mitte 2011 bestehende Abwärtstrend fort. Seitdem fielen die Preise im Schnitt um 50 Prozent. Der Preisverfall beim Rohöl und Gas (bis zu minus 50 Prozent) fand 2015 die meiste Beachtung. Aber auch Edelmetalle, Zucker und Mais erwischte es heftig. Das hat für die produzierenden Länder zum Teil einschneidende Konsequenzen, während die Konsumenten davon profitierten.

Es ist davon auszugehen, dass bei den meisten Rohstoffen der Boden noch nicht ganz gefunden wurde. Die Hauptgründe dafür sind das schwächere Wachstum in China, das moderate Wirtschaftswachstum in der westlichen Welt, Preiskriege und politische Kalküle beim Rohöl sowie ein steigendes Angebot an Agrargütern durch steigende Flächenproduktivität.

Allerdings gibt es viele Unwägbarkeiten, die die Situation maßgeblich verändern können, wie zum Beispiel ein Krieg im Nahen Osten, der das Rohölangebot reduziert oder El Nino, der die Getreideernten schädigen könnte.

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Quelle: fixed-income.org - Die Plattform für Investoren und Emittenten am Anleihenmarkt.