Richtig in Fahrt kam der Markt 2010. Banken waren wegen der Finanzkrise bei der Kreditvergabe an Unternehmen knausrig und Investoren suchten im Niedrigzinsumfeld nach ertragsstarken Anlagemöglichkeiten. Die Emittenten von Mittelstandsanleihen machten sich das gesteigerte Interesse zunutze und sammelten auf diesem Weg frisches Kapital ein. Auch Privatanleger setzten bei der Jagd nach Rendite auf die Titel, die mit einer Verzinsung von sieben, acht oder mehr Prozent lockten. Doch diese Rechnung ging nicht für alle auf.
Jüngstes Beispiel für drohende Verluste ist die HKW Personalkonzepte. Das Unternehmen hatte 2011 zehn Millionen Euro eingesammelt und wollte den Haltern der Papiere bis 2016 jährlich einen Zins von 8,25 Prozent zahlen. Im Dezember 2013 stellte HKW einen Insolvenzantrag, da die Liquidität zur Zinszahlung fehlte. Der Kurs der Anleihe brach von über 90 Euro auf rund sechs Euro ein. Die Investoren halten es also für äußerst unwahrscheinlich, dass ihre Forderungen bedient werden.
Wie riskant solche Papiere sein können, zeigt eine aktuelle Studie der Ratingagentur Scope. Dieser zufolge befand sich Ende Oktober jedes achte Papier im deutschen Markt für Anleihen kleiner und mittelständischer Unternehmen im sogenannten "Distressed"-Bereich. Scope gibt dieses Urteil ab, wenn der Kurs unter 65 Prozent ihres Nennwertes liegt. Investoren wollen für solche Papiere also weniger als 65 Euro zahlen für jeweils 100 Euro, die sie am Laufzeitende bei einer vollständigen Tilgung durch das Unternehmen zurückerhalten würden.
Vor dem Aus steht der Markt für Mittelstandsanleihen trotz dieser Zahlen nicht. Experten rechnen mit weiterem Wachstum. Vermögensverwalter Kollenda spricht von einem Reifeprozess und einer zunehmenden Professionalisierung dieses noch jungen Segments des deutschen Kapitalmarktes, nachdem sich gerade viele Privatanleger eine "blutige Nase" geholt hätten.
Investoren verlangen von den Unternehmen immer häufiger Sicherheiten und lassen sich die Risiken besser bezahlen. Die Ratingagentur Scope rechnet für 2014 mit einer Zunahme besicherter Anleihen um 20 bis 30 Prozent. Zudem hätten die Unternehmen den Anleihekäufern noch 2010 jährliche Zinskupons in Aussicht gestellt, die durchschnittlich 480 Basispunkte über dem risikolosen Zinssatz gelegen hätten. Von Januar bis Oktober 2013 sei es bereits ein mittlerer Renditeaufschlag von 700 Basispunkten gewesen. Dieser Trend dürfte auch 2014 andauern.
Kleine und mittelständische Unternehmen scheinen aber gewillt, diesen Preis zu zahlen. Denn trotz des erwarteten Kostenanstiegs dürfte das Emissionsvolumen im neuen Jahr laut Scope um bis zu zehn Prozent steigen. Gerade kleinere Emittenten mit oftmals geringen Anleihenvolumina dürften es allerdings schwer haben, Abnehmer zu finden. So rechnet die Beratungsgesellschaft Kirchhoff Consult zwar ebenfalls mit einem Wachstum des Emissionsvolumens in Euro, die Anzahl der Platzierungen dürfte aber deutlich sinken.
Die "Mittelstandsanleihe" ist also längst keine Selbstläufer mehr. Ein Beispiel: Die Wallenborn Adria Wind musste im August 2013 eine Platzierung absagen. Auch nach einer Verlängerung der Zeichnungsfrist war das Interesse der Investoren zu klein geblieben. Die Häufung von Negativschlagzeilen habe die Investoren vorsichtiger gemacht, sagte Dirk Schiereck, Professor für Unternehmensfinanzierung an der TU Darmstadt. Gerade dieser Tritt auf die Euphoriebremse sorge hoffentlich für ein stabiles, nicht ausuferndes Wachstum./mis/zb
--- Von Michael Schilling, dpa-AFX ---