28.07.2025 14:49:00
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Zollstreit - wiiw: "Quasi das Schlimmste abgewendet"
Vieles unklar
Im Detail ist freilich vieles unklar. "Es ist nur ein sehr allgemeiner Rahmen ohne ein konkretes Dokument", relativierte der wiiw-Experte das Ergebnis der Verhandlungen. "Die gesamte Trump-Geschichte ist schwammig." Es soll eine Reihe von Ausnahmen bzw. Quoten geben. Möglicherweise gelte "first come, first served". Man werde erst in den nächsten Tagen sehen, was aus dem Zoll und was aus den Quoten wird "und was gilt, wenn Trump eine andere Idee hat".
Offen sei etwa auch, wie es bei den pharmazeutischen und chemischen Produkten genau aussehe. "Auch wenn es über alles ginge, wären die 15 Prozent keine Katastrophe für die Volkswirtschaft", betonte Holzner mit Blick auf die EU. "Die volkswirtschaftlichen Effekte wären nahe null, aber für Firmen in einzelnen Sektoren kann das unangenehm werden."
Infolge der jüngsten Abmachung dürften die EU-Exporte in Richtung USA einem Simulationsmodell des wiiw zufolge um rund ein Sechstel (17,4 Prozent) zurückgehen, die US-Lieferungen in die Union um nur 3,5 Prozent. Das wäre in etwa das Ausmaß, das auch auf Japan zutreffe. Andere US-Handelspartner steigen in dem "Handelskrieg" wesentlich schlechter aus - China etwa müsse fast mit einer Halbierung (minus 44,9 Prozent) seiner Exporte in die USA rechnen, während die US-Lieferungen dorthin um 1,2 Prozent laut wiiw steigen dürften. In weiterer Folge hinzu kämen freilich Zweit- und Drittrundeneffekte, sagte Holzner mit Blick auf die weitere Entwicklung der Wechselkurse und die zu erwartende Verlagerung der Handelsströme.
USA droht spürbarer Inflationsanstieg
"Irgendwann werden die Zölle auch tatsächliche Wirkungen auf die Preise in den USA haben", ist sich der Ökonom sicher. Die Vereinigten Staaten hätten mit einem zusätzlichen Inflationsanstieg um 3 Prozentpunkte zu rechnen. In allen anderen Weltregionen dürften die Preise hingegen zwischen 0,5 und 1 Prozentpunkten gedämpft werden.
In der EU würden sich die Vorteile für die Konsumentinnen und Konsumenten mit den Nachteilen für Produzenten dem derzeitigen "Deal" zufolge vorerst mehr oder weniger aufheben, so Holzner. Es seien kaum negative Wohlstandseffekte zu befürchten. Die Verbraucherinnen und Verbraucher könnten zunächst mit 0,4 Prozent niedrigeren Preisen rechnen und mit einer um 0,3 Prozent sinkenden Produktion. "Jene, die sich bei den Exporten auf die USA fokussiert haben, sind klarerweise sehr unangenehm betroffen", relativierte der Ökonom.
"Für Österreich ist es gut, dass wir ein Land der 'Hidden Champions' sind, mit Firmen in Weltmarktnischen, wo es vielleicht nur ganz wenige Anbieter gibt", sagte der Ökonom. "Das ist für Österreich ein ziemliches 'Asset', aber es wird Exporteure in die USA geben, die total im Preiswettbewerb sind, wo 15 Prozent den entscheidenden Unterschied machen", gab Holzner zu bedenken.
USA sind wichtiger Gaslieferant
"Eine Reihe offener Fragen" gebe es auch im Energiebereich: "Wer kontrolliert wirklich, ob die vereinbarten Energieimporte tatsächlich eingehalten werden", fragt sich Holzner. Laut EU-Vereinbarung mit den USA soll die Union drei Jahre lang jährlich Flüssiggas (LNG) im Wert von 250 Mrd. Dollar abnehmen, also in Summe im Wert von 750 Mrd. Dollar. Allein die Entwicklung der Energiepreise sei eine darin enthaltene Variable. Auch die konkrete Umsetzung ist unklar, auch wenn viele Energieunternehmen staatlich seien. "Da müsste man eine Koordination machen."
2024 habe die EU Energieprodukte im Volumen von 375,9 Mrd. Euro von außerhalb der Union bezogen, erklärte Holzner unter Verweis auf entsprechende Eurostat-Daten. So seien 45 Prozent der Gas-Importe aus den USA gekommen - fast ebenso viel wie aus Norwegen (46 Prozent). Weiters stammten demnach 16 Prozent aller Ölproduktimporte aus den USA.
Ebenfalls fragwürdig dürfte die Investitionszusage der EU in den USA im Ausmaß von 600 Milliarden Dollar sein. "Es ist eine Zeit der Ungewissheit, wer möchte jetzt große Investitionen durchführen, wenn sich das Ziel ständig bewegt", fragt sich Holzner. Planungssicherheit sei mit Präsident Trump nicht gegeben "Er sagte heute das eine, morgen das andere - das ist ein grundlegendes Problem." Die EU habe nun "alle Abhängigkeiten von den USA" - diese sei der Hauptabsatzmarkt, der Hauptenergielieferant und sei bisher der transatlantische Sicherheitsgarant - Stichwort NATO - gewesen.
(Das Gespräch führte Birgit Kremser/APA)
kre/ivn
ISIN WEB http://www.wiiw.ac.at/

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