Vor Fed-Entscheid |
02.09.2024 20:47:00
|
Zinssenkungen kein Heilmittel: Marktstratege warnt vor drohender US-Rezession
• JPMorgan passt Rezessionsrisiko nach oben an
• Konjunkturelle Abschwächung auch in Deutschland
Marktstratege warnt vor Rezession
Im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung glaubt das Investmentforschungsunternehmen BCA Research laut CNBC, dass die US-Wirtschaft kurz vor einer Rezession steht und die von der US-Notenbank erwarteten Zinssenkungen nicht ausreichen werden, um die Märkte aus dieser Krise zu retten.
Erst vergangene Woche hielt der US-Notenbankpräsident Jerome Powell beim geldpolitischen Symposium in Jackson Hole eine Rede, in der er davon sprach, dass inzwischen der richtige Zeitpunkt gekommen sei, um die Geldpolitik anzupassen. Die Inflation habe erheblich nachgelassen, während ein starker Anstieg der Arbeitslosigkeit vermieden werden solle. Der Zeitpunkt und das Tempo der Zinssenkungen würden jedoch von den wirtschaftlichen Daten abhängen.
Garry Evans, Chefstratege für globale Vermögensallokation bei BCA Research, erklärt gegenüber CNBC jedoch: "Jeder einzelne von uns glaubt mittlerweile, dass es eine Rezession gibt, und das ist genau das Gegenteil von dem, was der Markt glaubt."
Evans wies auf Anzeichen einer wirtschaftlichen Abschwächung hin, darunter auch den "sich verschlechternden" Arbeitsmarkt in den USA. Laut dem US-Arbeitsministerium stieg die Arbeitslosenquote im Juli auf 4,3 Prozent und erreichte damit den höchsten Wert seit Oktober 2021. Ein Indikator für die Produktionsaktivität in den USA fiel im selben Monat auf den niedrigsten Stand seit acht Monaten.
"Es gibt Dinge, die derzeit ziemlich schnell zusammenbrechen", erklärt der Stratege. "Ein paar Zinssenkungen werden eine Rezession nicht verhindern. Eine durchschnittliche Rezession dauert zehn Monate … Es dauert etwa ein Jahr, bis die Zinssenkungen der Fed tatsächlich beginnen, der Wirtschaft einen Anschub zu geben."
Am Markt gehe man davon aus, dass der Leitzins Ende nächsten Jahres bei 3 Prozent liegen werde. Derzeit liegt er bei 5,3 Prozent. "Das wird nicht passieren, es sei denn, es kommt zu einer Rezession", so Evans.
Eine Rezession liegt in der Regel vor, wenn das reale BIP eines Landes zwei Quartale in Folge schrumpft. Im letzten Jahrhundert hat es mehr als ein Dutzend Rezessionen gegeben, von denen einige bis zu anderthalb Jahre andauerten. Obwohl die USA offiziell nicht in einer Rezession sind, zeige eine Umfrage von Affirm, dass etwa drei Fünftel der Amerikaner dies dennoch annehmen, so CNBC.
JPMorgan sieht wachsende Risiken
Und auch die Experten der US-Bank JPMorgan sehen ein wachsendes Risiko für eine Rezession. Wie Benzinga berichtet, teilte die Bank am 15. August mit, dass die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA und weltweit im Jahr 2024 auf 35 Prozent gestiegen sei, verglichen mit einer Schätzung von 25 Prozent zur Jahresmitte. Obwohl sich die Inflation abzuschwächen scheint, sind die Hauptgründe für diese erhöhte Wahrscheinlichkeit ein schwächeres Wirtschaftswachstum und ein weniger robuster Arbeitsmarkt als erwartet.
Bruce Kasman, Chefökonom bei JPMorgan erklärte: "Nachrichten aus den USA deuten auf eine stärker als erwartete Abschwächung der Nachfrage nach Arbeitskräften und erste Anzeichen für einen Stellenabbau hin."
Zudem hätten die globale Industrieproduktion und die Eurozone an Schwung verloren - Sektoren, die zuvor als Wachstumstreiber galten.
Kasman betonte jedoch, dass die entscheidenden Rezessionsrisiken - wie ein anhaltender Rückgang der Gewinnmargen, Spannungen auf den Kreditmärkten oder Schocks auf den Energie- und Finanzmärkten - weiterhin nicht gegeben seien. Diese Einschätzung veranlasste JPMorgan dazu, die Wahrscheinlichkeit einer Rezession nur leicht auf 35 Prozent anzuheben. Mit Blick in die Zukunft schätzt JPMorgan die Wahrscheinlichkeit einer Rezession bis Ende 2025 auf 45 Prozent. Trotz der anhaltenden Unsicherheiten in der politischen Landschaft bleibt die langfristige Einschätzung der Rezessionsrisiken stabil.
Auch deutsche Wirtschaft fürchtet Rezession
Und auch in Deutschland steigt die Sorge vor einer Rezession. Wie Merkur berichtet, würden sich die Hinweise darauf, dass eine Rezession bevorstehen könnte, mehren. Zahlreiche Warnsignale untermauern dieses Bild und deuten auf eine schwierige Situation der deutschen Wirtschaft hin.
Die Arbeitslosenquote ist zuletzt auf 3,4 Prozent gestiegen, die Auftragslage in der Industrie bleibt laut Einkaufsmanagerindex schwach, die Investitionen nehmen ab, und das Konsumklima hat sich im September laut GfK unerwartet stark verschlechtert. Zudem gibt es zahlreiche Unternehmensinsolvenzen, und ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) könnte das deutlichste Warnsignal sein: Im Vergleich zum Vorquartal fiel das BIP preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,1 Prozent. "Nach dem leichten Anstieg im Vorquartal hat sich die deutsche Wirtschaft im Frühjahr wieder abgekühlt", sagte Ruth Brand, Präsidentin des Statistischen Bundesamtes.
Und auch die Bundesbank erwarte in den kommenden Monaten eine anhaltende Konjunkturflaute. Dennoch prognostiziere sie für das dritte Quartal ein leichtes Konjunkturplus. Damit würde Deutschland einer "technischen Rezession" zunächst entgehen.
Ob die Zinssenkungen in den USA noch rechtzeitig, oder doch schon zu spät kommen - und die USA einer Rezession entgehen kann, bleibt abzuwarten. Auch die Entwicklung der deutschen Wirtschaft wird sich in Zukunft zeigen.
Redaktion finanzen.at
Dieser Text dient ausschließlich zu Informationszwecken und stellt keine Anlageempfehlung dar. Die finanzen.net GmbH schließt jegliche Regressansprüche aus.
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!
Weitere Links: