22.08.2020 11:28:38

Wissing: FDP will Reformmotor in nächster Bundesregierung sein

BERLIN (dpa-AFX) - Ungeachtet magerer Umfragewerte kämpft die FDP nach Darstellung ihres designierten Generalsekretärs Volker Wissing darum, bei der Bundestagswahl 2021 in Regierungsverantwortung zu kommen. Der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister ist überzeugt: Die FDP wird gebraucht für eine Bundesregierung, die sich an der Sozialen Marktwirtschaft orientiert.

Frage: Die FDP hat seit Monaten maue Umfragewerte - woran liegt das?

Antwort: So etwas hat mehrere Gründe. Ein ganz wesentlicher Grund ist, dass in dieser Corona-Pandemiephase die Regierung im Mittelpunkt steht. Und deswegen haben wir als Oppositionspartei im Bund einen relativen Nachteil. Aber das wird sich jetzt ändern, weil die wirtschafts- und finanzpolitischen Themen wieder stärker in den Fokus rücken. Es geht in den kommenden Monaten darum: Wie kommen wir durch diese Krise? Und wie können wir Arbeitsplätze sichern? Vor diesem Hintergrund hat die FDP eine Aufgabe im Parteiensystem und der stellen wir uns. Wir lassen uns nicht von Umfragen irritieren. Daraus kann man bestenfalls ableiten, dass wir unsere Themen und Inhalte noch stärker voranbringen müssen.

Frage: Gibt es hausgemachte Probleme?

Es gibt immer die Möglichkeit als Partei, sich auch zu verbessern, was die innere Aufstellung angeht. Die Fragen hat sich unser Bundesvorsitzender Christian Lindner gestellt. Und er hat diese Fragen auch beantwortet.

Frage: Schadet der FDP die Affäre Kemmerich in Thüringen noch? Immerhin war die Empörung groß, als dieser sich mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen ließ.

Antwort: Wenn Missverständnisse über die klare Haltung einer Partei in der Öffentlichkeit entstehen, ist das nie gut. Deswegen arbeiten wir daran, diese Missverständnisse konsequent auszuräumen.

Frage: Wie will die FDP stimmungsmäßig und am Ende auch ergebnismäßig wieder nach oben kommen?

Antwort: Das Wichtigste, was wir zu tun haben, ist, den Menschen ein klares Signal zu senden: Wir haben ein Konzept, um in Deutschland den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern. Wir wollen die Soziale Marktwirtschaft wieder stärken.

Frage: Manche haben die FDP schon für überflüssig erklärt.

Antwort: Die FDP wird gebraucht, nachdem die Bundesregierung sich jetzt sehr stark von staatlicher Seite in die Wirtschaft eingemischt hat. Das kann auf Dauer so nicht bleiben. Die Unternehmensbeteiligungen, die Staatsbeteiligungen müssen zurückgeführt werden, und zwar so schnell wie möglich. Ansonsten verzichten wir auf die marktwirtschaftliche Effizienz. Das kostet Arbeitsplätze. Und am Ende sind die Menschen die Leidtragenden. Wir wollen dem etwas entgegensetzen - in einem Team mit einer starken Aufstellung.

Frage: Dazu muss die FDP im kommenden Jahr aber erst mal in eine Regierung gewählt werden.

Antwort: Natürlich ist es immer die wichtigste Aufgabe, dass die Menschen Vertrauen zur Politik haben. Wir arbeiten jetzt daran, die Menschen davon zu überzeugen, dass die FDP einen guten Beitrag zur Regierung der Bundesrepublik Deutschland leisten kann. Wir wollen im nächsten Jahr erfolgreich in eine Bundesregierung einziehen.

Frage: Welche Koalition können Sie sich vorstellen?

Antwort: Ich halte nichts davon, sich frühzeitig mit Koalitionsspekulationen zu beschäftigen. Es geht nicht darum, welche Koalitionen sich Politiker selbst wünschen. Sondern es geht darum, welchen Beitrag die FDP leisten kann, um eine marktwirtschaftlich geprägte Bundesregierung bilden zu können. Die FDP wird nicht alleine regieren können, sie kann aber ein Reformmotor in Deutschland sein.

Frage: Reformen vermissen Sie?

Antwort: Die große Koalition managt gegenwärtig die Corona-Krise. Aber eine Reformpolitik hat sie in den letzten Jahren nicht zustande gebracht. Und in Deutschland gibt es eine ganze Reihe an Reformstau -

etwa im Bereich des Steuersystems und an vielen anderen Stellen. Wenn eine solche Pandemie die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg auslöst, kann danach nicht alles so bleiben, wie es war. Im bevorstehenden Bundestagswahlkampf muss es darum gehen, die Soziale Marktwirtschaft zu stärken. Darauf bereiten wir uns vor.

Frage: Wird die FDP vor der Bundestagswahl eine Koalitionsaussage abgeben?

Antwort: Die Frage stellt sich gegenwärtig für uns nicht. Wir haben jetzt Personalfragen geklärt. Beim Bundesparteitag im September haben wir uns mit inhaltlichen Fragen zu befassen und das neue Führungsteam der Partei aufzustellen. Und dann werden wir unser Wahlprogramm finalisieren und in den Wahlkampf ziehen. Ich halte nichts davon, dass die Parteien in einer solch volatilen Phase alle Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausschließen. Klar ist, dass wir mit extremistischen Parteien nicht zusammenarbeiten. Aber klar ist auch, dass sich eine Partei, die sich der Sozialen Marktwirtschaft verpflichtet fühlt, der Verantwortung stellen muss. Und das wird sie auch.

Frage: Das bedeutet?

Antwort: Christian Lindner hat ein ganz klares Signal gesendet: Er möchte die FDP als Teil der nächsten Bundesregierung sehen. Und auf diesem Weg begleite und unterstütze ich ihn mit ganzer Kraft. Die FDP hat dem Land immer gut getan. Sie hat dafür gesorgt, dass das Land eine wirtschaftlich gute Entwicklung nimmt. An diese Tradition wollen wir im kommenden Jahr anknüpfen.

Frage: Das hätte die FDP schon 2017 tun können - hat aber die Jamaika-Verhandlungen abgebrochen.

Antwort: Es geht jetzt nicht mehr darum, sich mit Jamaika 2017 zu beschäftigen, sondern mit den neuen Chancen, die sich für Deutschland im Jahr 2021 bieten. Das hat die FDP verstanden. Und darauf richtet sie sich personell und inhaltlich aus.

Frage: Krisen sind auch Chancen - welche Chancen birgt die Corona-Krise für die FDP?

Antwort: Als Politiker sieht man eine solche Krise vor allen Dingen als Auftrag, einen Beitrag zu leisten, dass unsere Gesellschaft sich gut entwickelt. Aber: Wenn die Dinge sich verändern, nicht mehr so festgefahren sind, wie das in den vergangenen Jahren der Fall war, dann sind auch Wähler bereit, sich neu zu orientieren. Und deswegen kann die FDP mit einem attraktiven, einem konstruktiven, einem hilfreichen politischen Angebot auch neue Wählerschichten für sich gewinnen. Und genau so werden wir uns bei der Programmarbeit auch orientieren.

Frage: Wie würden Sie Ihr Verhältnis zum Parteivorsitzenden Christian Lindner beschreiben?

Antwort: Wir haben ein enges, freundschaftliches Vertrauensverhältnis. Ich schätze ihn außerordentlich für seine kluge Selbstreflexion auch für seine Empathie anderen Menschen gegenüber.

Zur Person: Volker Wissing ist die Berliner Bühne bestens vertraut. Der 50-Jährige saß von 2004 bis 2013 im Bundestag, war zeitweise finanzpolitischer Sprecher und Vizefraktionschef. Seit 2007 gehört er dem FDP-Bundesvorstand an. 2016 zog der studierte Jurist in den Landtag von Rheinland-Pfalz ein. In Mainz ist er Wirtschaftsminister, stellvertretender Ministerpräsident und FDP-Landesvorsitzender. Der FDP-Bundesparteitag soll ihn am 19. September zum FDP-Generalsekretär wählen./sk/DP/nas

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