16.10.2015 23:02:38

Westfalenpost: Knut Pries zur Verhandlung der EU mit der Türkei

Hagen (ots) - Hat die EU den türkischen Präsidenten tatsächlich zum "obersten Grenzschützer" gemacht? Das meint Rebecca Harms, Co-Vorsitzende der Grünen im Europa-Parlament. Die Kritik greift dem Vollzug der Dinge etwas vor. Ob der Deal mit Ankara nach dem Besuch der Kanzlerin am Sonntag steht und was genau die europäische Seite dazu liefern wird, ist ungewiss. Aber in der Tendenz liegt Harms richtig. Der Weg zur Linderung des Flüchtlingsproblems führt über den jähzornigen Halbdemokraten Erdogan. Prinzipiell gilt für die Länder, aus denen und durch deren Gebiet die Massen der Zuwanderer kommen, die Devise "mehr für mehr". So haben es Merkel und Co. noch einmal in der Schlusserklärung des Gipfels bekräftigt. Soll also heißen: Wer mit den Europäern im Sachen Flüchtlinge intensiver kooperiert, darf auf zusätzliche Unterstützung rechnen. Insbesondere die Türkei. Da ergibt eine umgekrempelte Fassung des Mottos eher Sinn: Mehr für Weniger. Je energischer Ankara sich ins Zeug legt, den Treck gen Westen auszudünnen, desto ungenierter kann es Gegenleistungen einfordern. Dass die Türkei finanzielle Unterstützung für die Aufnahme der Syrien-Vertriebenen erwartet, ist recht und billig. Unschöner ist schon, wenn Erdogan auf einmal von Juncker, Tusk und Co. beflissen poussiert wird. Das ist, wenn auch unfreiwillig, Wahlkampfhilfe für die Partei des Präsidenten. Doch dabei wird es kaum bleiben. Merkel bringt nach Istanbul nicht nur ein dringendes Anliegen mit, sondern auch eine völlig unausgegorene, widersprüchliche Position der EU zu ihrem (angeblichen) Beitrittskandidaten. Es wäre eine Überraschung, wenn Erdogan daraus nicht mehr machen würde, als nach dem Brüsseler Gipfel bereits erkennbar ist.

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