23.08.2016 23:02:48
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Westfalen-Blatt: zu 70 Jahre NRW
Aber warum? Die Briten führten das nördliche Rheinland und Westfalen 1946 mit der »Operation marriage« zusammen, weil sie das Herz der deutschen Schwerindustrie, das Ruhrgebiet, nicht aufspalten wollten. Und da der Pott nun mal zur Hälfte westfälisch, zur Hälfte rheinisch ist, entstand Nordrhein-Westfalen. Gleichzeitig hoffte man unter Einbeziehung ländlicher Regionen, die durchaus vorhandene Angst vor einem kommunistisch dominierten Ruhrgebiet bannen zu können. Es war also eine Zweckehe, und sie ist es in vielen Teilen geblieben.
Der Westfale fühlt sich bis heute regelmäßig von »denen da in Düsseldorf« benachteiligt, wenn es etwa um die Landesentwicklung und die Verteilung von finanziellen Ressourcen geht. Und der Rheinländer interessiert sich schlichtweg nicht für das, was jenseits des Ruhrgebietes passiert. Der Kölner Kabarettist Jürgen Becker hat Westfalen sogar als »DDR von NRW« bezeichnet, weil bei der Gründung des Bundeslandes »für Westfalen nix übrig blieb« - kein Regierungssitz, keine Rundfunkanstalt, keine Zukunftsindustrie.
In derlei althergebrachten karnevalistischen Frotzeleien steckt
ein Fünkchen Wahrheit. Der lautsprecherische Rheinländer weiß sich
halt besser zu verkaufen als der zur Wortkargheit neigende Westfale
auch noch im 21. Jahrhundert. Dabei sind es OWL, Sauer- und
Siegerland sowie das Münsterland, die wirtschaftlich
überdurchschnittlich stark sind. Während NRW insgesamt wegen des seit
Jahrzehnten im Strukturwandel feststeckenden Ruhrgebiets im
Ländervergleich bei der wirtschaftlichen Entwicklung blamabel
schlecht abschneidet, stehen die drei westfälischen Regionen dank des
kraftstrotzenden Mittelstandes richtig gut da. Erst in den
vergangenen Jahren hat man dies in den rheinischen Schaltzentralen
wahrgenommen.
Unter dem Strich bieten 70 Jahre NRW wenig Grund zum Feiern, sollten jedoch Anlass zum Nachdenken geben. Denn das größte Bundesland kann mehr, müsste eigentlich aufgrund seiner kulturellen Vielfalt, seiner Wirtschaftskraft und Hochschullandschaft wie einst zu Wirtschaftswunderzeiten Motor der Republik sein. Davon ist es weit entfernt.
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Pressekontakt: Westfalen-Blatt Chef vom Dienst Nachrichten Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
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