02.05.2013 20:09:00

Westdeutsche Zeitung: Der historisch tiefe Leitzins wird wenig Positive bewirken - Riskantes Festhalten an der Schulmeinung Ein Kommentar von Martin Vogler

Düsseldorf (ots) - Hemmungslos flutet die Europäische Zentralbank (EZB) ganz Europa mit billigem Geld. Für nur 0,5 Prozent können sich jetzt Banken bei der EZB Geld besorgen - und das ohne Mengenbegrenzung. Die Risiken dieses Dumpings blendet die Zentralbank aus. Sie lässt sich allein von der Hoffnung treiben, dass vor allem Geldinstitute in notleidenden Ländern die Gelegenheit beim Schopf packen, ihre Unternehmen und Privatleute ebenfalls mit billigem Geld zu versorgen. Diese mögen damit kräftig investieren oder einkaufen gehen. Dann spränge endlich die Konjunktur an, sagt die Schulmeinung. Doch das Kalkül wird kaum aufgehen.

Denn der Leitzins ist nicht mehr das alles dominierende Steuerungsinstrument. Die Finanzkrise hat auch ihn beschädigt. Schon frühere Senkungen wirkten sich in Krisenländern kaum aus. Und wenn es diesmal doch anders wäre: Selbst bei niedrigeren Marktzinsen ist es zweifelhaft, ob deshalb die marode Wirtschaft etwa in Griechenland wieder auf die Beine käme. Für viele Südländer war das gestern eher ein symbolischer Schritt.

Staaten mit intakteren Strukturen wie Deutschland hingegen benötigen keine künstlichen Impulse durch niedrigere Zinsen. Sie müssen sogar Risiken fürchten: Für internationale Geldanleger werden sie noch ein Stück uninteressanter, Mini-Zinsen ziehen gerne eine höhere Staatsverschulung nach sich, und - auch wenn es im Moment anders aussieht - das Inflationsrisiko steigt.

Unter der Politik des billigen Geldes leiden besonders die normalen Bürger, die nicht weltweit nach einem besseren Platz für ihr "Vermögen" suchen können. Die EZB-Entscheidung bedeutet nämlich, dass Sparer weiterhin enteignet werden, weil die Zinsen niedriger als die Inflationsrate sind. Sie bedeutet, dass Wohnen in den eigenen vier Wänden immer unerschwinglicher wird, weil professionelle Investoren und vermögende Privatleute dank des billigen Geldes für eine sichere Anlage fast jeden Preis bezahlen. Und die Entscheidung bedeutet auch, dass die gesetzliche und private Altersversorgung künftig noch ein Stück magerer als erwartet ausfallen wird.

Da tröstet der Gedanke nicht, dass bei 0,5 Prozent kaum Spielraum nach unten zu sein scheint. Und übrigens: Die Finanzwelt kennt auch negative Zinsen.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

Pressekontakt: Westdeutsche Zeitung Nachrichtenredaktion Telefon: 0211/ 8382-2370 redaktion.nachrichten@wz.de <a href="http://www.wz-newsline.de">www.wz-newsline.de</a>

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