19.07.2013 18:53:58

Westdeutsche Zeitung: Angela Merkel und die NSA-Affäre - Die Kanzlerin blickt nach vorn Ein Kommentar von Werner Kolhoff

Düsseldorf (ots) - Peer Steinbrück hat Angela Merkel aufgefordert, die Späh-Affäre zu ihrem persönlichen "Irak" zu machen, sich wie ihr Vorgänger Gerhard Schröder offen und standhaft gegen den amerikanischen Partner zu stellen. Gestern hat die Kanzlerin in der ihr eigenen Hase-und-Igel-Art reagiert: Ich bin schon da. Sie zitierte wie zum Hohn Schröders Satz, dass nicht das Recht des Stärkeren gelte, sondern die Stärke des Rechts. Freundlich im Ton hat Merkel den USA nicht einen Krieg verweigert, sondern eine Art Krieg erklärt. Erstens die Durchsetzung von deutschem und europäischem Recht für alles, was auf deutschem und europäischem Boden stattfindet. Und zweitens: Die Formulierung einer industriellen europäischen Internetstrategie.

Würde beides realisiert, wäre das eine weit in die Zukunft reichende Antwort auf die Schnüffelei der NSA. Und sie wäre besser als der Blick zurück, der unter dem Stichwort "Aufklärung" gemacht wird. Denn dann hätte das Ausspionieren auch der Industrie und der Politik in Europa den USA keinen Vorteil gebracht, sondern gegenteilige Effekte ausgelöst: Die langfristige Abschottung der europäischen Datenströme und mehr noch, die Herausbildung einer eigenen europäischen IT-Industrie.

Und in der Tat: Warum nur Google, Facebook, Apple, Twitter, Intel, Microsoft, Youtube und Co., die mit dem Geheimdienst alle so bereitwillig kooperieren, warum nicht eine eigene IT-Industrie, die europäischen Rechtsstandards unterliegt? Zumal nicht nur der laxe Umgang der US-Anbieter mit Daten den hiesigen Ansprüchen widerspricht, sondern auch ihre ständige kulturelle Zensur.

Freilich - nur mit Ankündigungen der Kanzlerin können sich die besorgten Wähler auch nicht abspeisen lassen. Schröder hat bei Irak tatsächlich nein gesagt, Merkel aber bei ihrem Acht-Punkte-Internetprogramm noch gar nichts erreicht. So wie nicht ausgemacht ist, dass bessere Datenschutzabkommen mit den USA gelingen, so ist fraglich, ob man überhaupt eine eigene europäische Internet-Industrie aufbauen kann. Der Ankündigung muss also eine konkrete politische Praxis folgen; der nächste EU-Gipfel schon könnte sich damit beschäftigen. Merkel sollte dafür sorgen, dass er es tut, falls sie ernst genommen werden will.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

Pressekontakt: Westdeutsche Zeitung Nachichtenredaktion Telefon: 0211/ 8382-2370 redaktion.nachrichten@wz.de <a href="http://www.wz-newsline.de">www.wz-newsline.de</a>

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