14.06.2013 19:26:58

WAZ: Mehr als Obamas Datenraub - Kommentar von Ulrich Reitz

Essen (ots) - Gegen Barack Obama war George Orwells Big Brother ein Waisenknabe. Technologisch jedenfalls. Der Große Bruder von 1948 hatte nur Kameras, Mikrofone und Spione, mit deren Hilfe er seinen Überwachungsstaat einrichten konnte. Der US-Präsident kann seine Überwachungsmaschinerie mit Hunderten von Milliarden Daten füttern, die er von uns allen hat. Allerdings haben wir unsere Daten nicht Obama gegeben. Er hat sie sich genommen. Der US-Präsident ist ein Datendieb. Bestraft werden kann er dafür nicht. Der internationale Datenklau ist legal. Das ist die eine, die böse Seite eines neuen Phänomens, das Big Data heißt, weil Regierungen und Firmen inzwischen aus unvorstellbar großen Datenmengen ihre Schlüsse ziehen können. Die gute Seite von Big Data sieht so aus: Die Datenfahnder trieben Bin Laden in Pakistan auf. Der US-Geheimdienst NSA leitete den deutsch-pakistanischen Mail-Verkehr der Sauerland-Terroristengruppe an den Bundesnachrichtendienst weiter. Mit Datenanalysen machen US-Polizisten amerikanische Städte sicherer. Und so weiter. Die Daten kommen von uns, ob wir wollen oder nicht. Jeder Nutzer des Internets hinterlässt Fußabdrücke, die ihn identifizieren und berechenbar machen. So verkauft Amazon uns Bücher, bevor wir wissen, dass wir sie wollen. Die Spielekamera der neuen X-Box ist auch eine Überwachungskamera. Jedes Smartphone und Navi ist zugleich eine Wanze. Wer glaubt, beim Telefonieren nur zu telefonieren, ist naiv. Wer telefoniert, füttert eine gigantische Datenmaschine. Unsere Welt wird intelligenter, Experten sagen: smarter. Ein Hafen kann viel mehr Schiffsladungen abfertigen, weil die Schiffe dem Hafen automatisch mitteilen, wann sie mit wie viel Ladung ankommen. Es wird auf unseren Straßen weniger Staus geben, weil die große Maschine weiß, wer wann wo lang fährt. Im Supermarkt liegt nur noch frisches Brot, weil bekannt ist, wann wir es kaufen. Ärzte können Krebs besser behandeln, weil sie unsere Genome in Minuten statt Monaten entschlüsseln und weltweit Krebsarten und Therapien abgleichen können. Diese Big-Data-Revolution ist sehr viel mehr als Obamas Datenraub.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Zentralredaktion Telefon: 0201 - 804 6519 zentralredaktion@waz.de

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