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30.10.2015 21:07:41

WAZ: Im Zeichen einer Regierungskrise. Leitartikel von Andreas Tyrock zum Koalitionsgipfel

Essen (ots) - Die Flüchtlingskrise gilt zu Recht als eine der größten Herausforderungen Deutschlands seit dem Zweiten Weltkrieg. In ihr spiegelt sich das unendliche Leid von Menschen, die Opfer von Hass und Gewalt geworden sind. Die ihre Kinder nehmen und sich auf den Weg in die Fremde machen, um zu überleben. In der anderen Welt, in Europa, vor allem in Deutschland, treffen sie auf ein ungeheures Maß an Hilfsbereitschaft. Sie treffen aber auch auf Radikale, für die Worte wie Nächstenliebe oder Toleranz keine Werte sind, die mit dumpfen Parolen Stimmung machen oder gar Flüchtlingsheime anzünden. Und sie treffen auf sehr, sehr viele Menschen, die nichts mit rechtem Gedankengut am Hut haben, die sich aber gleichwohl mit ihren Vorbehalten und Ängsten allein gelassen fühlen. Die zwar sehr wohl wissen, dass es in unserer zivilisierten, aufgeklärten Gesellschaft ein Gebot der Mitmenschlichkeit ist, diesen Opfern von Krieg und Gewalt zu helfen. Deren Angst aber dann Überhand nimmt und sich in Ablehnung zu wandeln droht, wenn sie das Vertrauen in diejenigen verlieren, die Lösungen finden sollen. Hier liegt ein Blick auf das politische Handeln nahe. Jeder weiß, dass der Flüchtlingsstrom nicht mit einem Knopfdruck abzuschalten ist. Jeder weiß, dass Zäune und Mauern Hunderttausende Menschen nicht aufhalten können. Jeder weiß, dass es die eine und richtige Lösung nicht gibt. Doch jeder muss mit Recht erwarten, dass sachlich, mit Weitsicht und vor allem gemeinsam um die beste Lösung gerungen wird. Dies ist weder in der EU noch in der Bundesregierung der Fall. Während Europa nicht als Wertegemeinschaft auftritt, sondern sich als Ansammlung von (vor allem wirtschaftlichen) Einzelinteressen entlarvt, sind Handeln und Auftritt der Berliner Regierungskoalition unwürdig und erbärmlich. Insbesondere der unionsinterne Streit offenbart, dass die Koalition in dieser Verfassung die immensen Herausforderungen nicht meistern wird. Sie ist überfordert, ihre Handlungsfähigkeit gefährdet, eine Regierungskrise droht. Das Gipfeltreffen am Sonntag könnte schon die letzte Chance sein.

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Pressekontakt: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Zentralredaktion Telefon: 0201 - 804 6519 zentralredaktion@waz.de

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