07.02.2014 18:41:36
|
Was Karlsruhes Verzicht für das OMT bedeutet
Von Hans Bentzien
Das Bundesverfassungsgericht hat im Verfahren um das Staatsanleihekaufversprechen der EZB den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um eine Vorabentscheidung gebeten. Die Luxemburger Richter sollen sagen, ob die von der Europäischen Zentralbank (EZB) für den Notfall zugesagten Outright Monetary Transactions (OMT) mit europäischem Recht in Einklang stehen.
Nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts tun sie das nicht. Aber die Karlsruher Richter haben ihren Luxemburger Kollegen auch gleich vorgeschlagen, wie man diesen Verstoß reparieren könnte: Man könnte etwaige Staatsanleihekäufe der EZB in der Menge begrenzen, oder der EZB einen bevorrechtigten Gläubigerstatus einräumen, der sie vor den Auswirkungen eines Schuldenschnitts schützen würde.
Was der EuGH aus diesen Vorschlägen macht, wird über die Wirksamkeit des OMT und die künftigen Beziehungen beider Gerichte entscheiden.
Juristen sind zunächst einig darüber, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, den EuGH anzurufen, eine Meilenstein in der europäischen Rechtsgeschichte ist. Von Anfang an war zwar allen klar, dass es gute Gründe für solch eine Überweisung gab. Dagegen sprach allerdings, dass Karlsruhe das zuvor noch nie gemacht hat.
Nun hat es, und das Entsetzen bei Euro-Kritikern ist groß. "Das ist ein erstaunlicher Vorgang, weil das Verfassungsgericht damit seine Kontrollfunktion abgibt und den EuGH als uneingeschränkt zuständig für europäische Angelegenheit anerkennt", sagt der Londoner Europarechtler Gunnar Beck. Letzen Endes überantworte das Gericht damit die Entscheidung über die Frage, wie weit die Kompetenzen der EU auszulegen sind, dem EuGH. Und der ist bekanntermaßen sehr europafreundlich.
Wie werden die Luxemburger Richter mit den Vorschlägen aus Karlsruhe umgehen? Darüber gehen die Meinungen auseinander. "Meine Prognose ist, dass der EuGH teilweise auf die Vorschläge des Bundesverfassungsgerichts eingehen wird", sagt Bert Van Roosebeke, Referent beim ordoliberalen Centrum für europäische Politik (CEP) in Freiburg.
"Es wäre sehr problematisch für das künftigen Verhältnis der Gerichte zueinander, wenn der EuGH sich voll gegen das Bundesverfassungsgericht stellen würde", meint der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart, der eine der klagenden Parteien vertritt.
Europarechtler Beck dagegen glaubt das nicht: "Ich halte es für unwahrscheinlich, dass der EuGH diesen Vorschlägen folgen wird", sagt er.
Tatsächlich wäre das OMT-Programm dann auch nicht mehr das, was es derzeit ist - "a priori unbegrenzt". Wir erinnern uns: OMT kommen zum Einsatz, wenn die Staatsanleihezinsen eines Landes aus Sicht der EZB zu hoch sind, wenn sie zumindest teilweise deshalb zu hoch sind, weil die Finanzmärkte unterstellen, dass das Land gegen seinen Willen zu einem Euro-Austritt gezwungen werden könnte und wenn sich das Land in einem Hilfsprogramm des Rettungsfonds ESM befindet.
Bisher ist das Programm nie zum Einsatz gekommen, es ist noch nicht mal ein ausformuliertes Programm, sondern nur ein Beschluss des EZB-Rats. Und gegen den hatten verschiedene Personen und Gruppierungen in Karlsruhe geklagt.
Nach den Mitteilungen des Verfassungsgerichts ist klar, dass es die Bedenken der Kläger weitgehend teilt: Ja - es hält so beschriebene Staatsanleihekäufe für eine unerlaubte Staatsfinanzierung mit der Notenpresse, es sieht auch eine Überschreitung des EZB-Mandats und es sieht einen "ausbrechenden Rechtsakt".
Aber trotzdem soll nun der EuGH darüber befinden, ob die EZB gegen EU-Recht verstößt. Der Grund: Deutschland hat Kompetenzen nur unter der Maßgabe an die europäische Ebene abgegeben, dass sich europäische Institutionen an gemeinsam vereinbarte Regeln halten. Ob das zutrifft, soll nun der EuGH entscheiden. Nach Meinung von Gunnar Beck ist es "ausgeschlossen", dass der EuGH das OMT als rechtswidrig einstufen wird.
Und Staatsrechtler Degenhart meint: "Der EuGH sieht sich als Motor der Integration, und dass der EuGH hier über seinen Schatten springt und uneingeschränkt das Programm verwirft, ist nicht unbedingt zu erwarten."
Gleichwohl werden die tatsächlichen Möglichkeiten der EZB, selektiv Staatsanleihen bestimmter Mitgliedsstaaten zu kaufen, durch die Kritik der deutschen Verfassungsrichter beschränkt. Nahezu alle Beobachter gehen davon aus, dass die EZB das OMT jetzt auf Eis legen wird, wenn sie auch öffentlich das Gegenteil behauptet.
Nach Degenharts Einschätzung würde es "der Achtung vor dem Gericht entsprechen, dass die EZB bis zur endgültigen Entscheidung durch EuGH und am Ende BVerG keine Schritte unternimmt, die irreversibel sind, und seinen Bedenken Rechnung trägt." Auch die Ökonomen Hans-Werner Sinn (ifo Institut) und Marcel Fratzscher (DIW), in der Sache selbst entgegengesetzter Meinung, glauben nicht, dass die EZB das OMT in der jetzigen Situation aktivieren würde.
Gut, dass es - dank EZB - an den Märkten gerade ruhig ist.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@wsj.com
DJG/hab/jhe
(END) Dow Jones Newswires
February 07, 2014 12:10 ET (17:10 GMT)
Copyright (c) 2014 Dow Jones & Company, Inc.- - 12 10 PM EST 02-07-14
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!