18.02.2025 09:34:39
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WAHL 2025/Besondere Umstände: Fünf Fragezeichen vor der Wahl
BERLIN (dpa-AFX) - Wenige Tage vor der Bundestagswahl sind die Unwägbarkeiten aus Sicht des Meinungsforschers Manfred Güllner so groß wie selten zuvor. "Ich kann mich nicht erinnern, dass das jemals so unsicher und knapp war, wer überhaupt eine Koalition bilden kann", sagte der Gründer des Instituts Forsa der Deutschen Presse-Agentur. "Es könnte bei dieser Wahl zum ersten Mal der Fall sein, dass es für eine Zweierkonstellation ohne die AfD nicht reicht."
Diese Bundestagswahl ist nicht nur wegen des vorgezogenen Termins und des kurzen Winterwahlkampfs speziell. Sie fällt in eine besondere politische Lage.
Fünf Parteien oder neun
So könnten aus Güllners Sicht diesmal vergleichsweise wenige Stimmen viel verändern im künftigen Bundestag. Zwar sind die Unionsparteien CDU/CSU mit ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz in Umfragen mit etwa 30 Prozent stabil Nummer eins. Dahinter folgen unverändert die AfD mit 20 bis 21 Prozent, die SPD mit 15 bis 16 Prozent und die Grünen mit 13 bis 14 Prozent.
Wackliger ist die Situation jedoch für drei kleine Parteien. Die Linke hatte in jüngsten Umfragen zumindest 6 bis 7 Prozent und lag damit über der Fünf-Prozent-Hürde. Das Bündnis Sahra Wagenknecht und die FDP erreichten jeweils nur 4 bis 5 Prozent. In den Bundestag einziehen könnte mit Einzelabgeordneten auch der Südschleswigsche Wählerverband, für den die Fünf-Prozent-Hürde nicht gilt.
Die Koalitionsfindung wird schwierig
Damit würden die Strömungen in der Bevölkerung abgebildet, erläuterte der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer der dpa. Anders gesagt: Würden drei Parteien knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, könnten im Extremfall fast 15 Prozent der Stimmen nicht im Bundestag repräsentiert sein. Doch betonte Vorländer: "Wenn viele Parteien im Parlament sind, wird die Regierungsbildung schwierig, und womöglich wird eine Dreierkonstellation nötig."
Genau darüber brütet auch Meinungsforscher Güllner. "Wir können vor der Wahl gar nicht die vielen verschiedenen Varianten genau durchrechnen, denn geringe Verschiebungen haben diesmal große Auswirkungen darauf, welche Koalitionen möglich sind", sagte Güllner. Vorläufig sieht er es so: "Wenn von den drei kleinen Parteien nur die Linke reinkommt, würde es nach jetzigem Stand der Umfragen für ein Zweierbündnis von CDU/CSU und SPD reichen." Für Schwarz-Grün würde es hingegen bereits knapp.
Erstmals mit neuem Wahlrecht
Kleinere Unsicherheiten schafft auch das neue Wahlrecht, mit dem der Bundestag von zuletzt 736 Abgeordneten auf 630 geschrumpft wird. Dafür wurden sogenannte Überhang- und Ausgleichsmandate abgeschafft. Anders als bisher hat nicht mehr jeder Wahlkreissieger zwangsläufig sein Direktmandat sicher. Vielmehr muss auch das Ergebnis der Zweitstimmen einer Partei passen. Zugleich gilt aber die Sonderregel weiter, dass eine Partei mit drei gewonnenen Direktmandaten entsprechend dem Anteil ihrer Zweitstimmen ins Parlament kommt. Es könnte nach Schließung der Wahllokale viele Stunden dauern, bis genau feststeht, wer im Bundestag sitzt.
Drei Parteien, die nicht regieren wollen oder sollen
In einem Punkt legt Güllner sich immerhin fest: "Ausgeschlossen ist eine rot-rot-grüne Regierung, auch wenn BSW und Linke reinkommen." Das BSW betont auch maximale Distanz zu einer Koalition mit Union, SPD oder Grünen. Die Linke wiederum macht Wahlkampf mit dem Slogan: "Alle wollen regieren, wir wollen verändern." Bei der AfD ist es andersherum: Mit der Rechtsaußenpartei wollen die übrigen Parteien nicht koalieren.
"Diese politische Situation baut Druck auf die Parteien der demokratischen Mitte auf, sich zu einigen", sagte Experte Vorländer. Eine Demokratie müsse Probleme lösen, sonst wachse die Unzufriedenheit. "Das ist sozusagen ein heilsamer Zwang für die Parteien." Trotzdem müssten Parteien auch unterscheidbar bleiben. "Aus diesem Dilemma kommt man kaum heraus." Vorländers Schlussfolgerung: Große Probleme sofort anpacken vor dem nächsten Wahlkampf.
Die Welt guckt zu und mischt sich ein
Besonders ist nicht nur die Lage in Deutschland, sondern auch international. Zum einen scheinen wegen der Krisen und Kriege in der Ukraine, im Nahen Osten und wegen der US-Politik so viele Bälle in der Luft, dass Wählerinnen und Wähler verständlicherweise den Überblick verlieren. Zum anderen schauen internationale Partner in der Nato und der EU genau, welche Regierung Deutschland bekommt.
Und dann wären da noch die Kommentare von der Seitenlinie. "Es gibt keinen Platz für Brandmauern", sagte US-Vizepräsident J.D. Vance zuletzt in München. US-Regierungsberater Elon Musk bekannte sich noch eindeutiger zur AfD. Und in Moskau fand Außenminister Sergej Lawrow ebenfalls freundliche Worte für die AfD sowie für das BSW. Es gebe in ihren Äußerungen "viel Vernünftiges", sagte Lawrow Mitte Januar./vsr/DP/zb
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