01.02.2020 16:50:41

VIRUS/GESAMT-ROUNDUP: Evakuierungsflieger umgeleitet - Deutlich mehr Fälle

WUHAN/BONN (dpa-AFX) - Das Bundeswehrflugzeug mit Rückkehrern aus China an Bord ist am frühen Samstagmorgen in der besonders vom Coronavirus betroffenen Stadt Wuhan gestartet. Doch der Flieger mit Ziel Frankfurt/Main durfte nicht wie ursprünglich geplant in Moskau zwischenlanden. Stattdessen sei er nach Helsinki umgeleitet worden, um die Crew auszutauschen und zu tanken, sagte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Samstag in Bonn. "Wir haben die Überfluggenehmigung gehabt, und auch die Landegenehmigung war in Aussicht gestellt. Das hat sich jetzt anders entwickelt."

Es sei dann zunächst wichtig gewesen, dass in Helsinki aufgetankt und die Crew ausgewechselt werden konnte, sagte Kramp-Karrenbauer. "Was jetzt neben der offiziellen Erklärung von mangelnden Kapazitäten am Flughafen in Moskau die Gründe sind, das werden wir sicherlich in der nächsten Woche gemeinsam dann noch mit dem Auswärtigen Amt besprechen." Die Maschine sollte Samstagmittag in Frankfurt/Main ankommen. Durch die Route über Helsinki verzögerte sich die geplante Ankunft erheblich.

Warum Russland die Zwischenlandung verweigerte, war zunächst offiziell nicht bekannt. Hintergrund könnte sein, dass die Regierung in Moskau zuvor die Sicherheitsregeln verschärft hatte. Der reguläre Flugverkehr zwischen Russland und China wurde zu großen Teilen eingestellt. Ankommende Flieger aus China durften an Russlands größten Flughafen Scheremetjewo nur noch an einem Terminal ankommen. Zudem ordnete Kremlchef Wladimir Putin das russische Militär an, ab Samstag russische Staatsbürger aus Wuhan auszufliegen. Nach Angaben der Agentur Tass leben in der Region Wuhan rund 300 Russen.

In dem Bundeswehrflugzeug aus China befänden sich insgesamt 128 Passagiere, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Thomas Gebhart (CDU). Es handele sich um 102 deutsche Staatsbürger, die anderen 26 stünden mit ihnen in familiärer Verbindung. Gebhart sprach von Menschen aus China, Rumänien und den USA.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte in Bonn, die Menschen im Flieger seien alle symptomfrei. Zum Schutz der Betroffenen und der Bevölkerung sei es aber wichtig, dass sichergestellt werde, dass sich niemand infiziert habe. Es gebe eine Inkubationszeit von bis zu zwei Wochen, in der noch keine Symptome auftreten, aber möglicherweise eine Infektion vorliegen könne. Deshalb sei es notwendig, die Rückkehrer für zwei Wochen in Quarantäne unterzubringen. Auch die USA, Japan, Südkorea und andere Länder haben Staatsbürger aus Wuhan geholt oder planen Rückholaktionen.

Nach der Ankunft am Frankfurter Flughafen sollen die Menschen von Medizinern begutachtet und befragt werden. Sollte jemand Symptome zeigen, wird er in die Frankfurter Universitätsklinik in eine Isolierstation gebracht. Passagiere ohne Symptome sollen zu einem Luftwaffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Germersheim gebracht werden, wo sie für zwei Wochen in Quarantäne bleiben müssen.

Rheinland-Pfalz sieht sich gut vorbereitet für die Quarantäne der deutschen Staatsbürger und Familienangehörigen. In der Germersheimer Südpfalz-Kaserne würden die "Menschen, die einiges durchgemacht haben", eine gute und angemessene Betreuung erhalten, sagte die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) in Germersheim. Es stehen insgesamt 128 Zimmer in einem bisher unbewohnten Gebäude auf dem Areal bereit. "Die Betreuung in der roten Zone übernehmen 27 Freiwillige des DRK", sagte Michael Sieland vom Deutschen Roten Kreuz.

In Deutschland gibt es bisher sieben bestätigte Infektionsfälle, alle stehen im Zusammenhang mit der Firma Webasto in Bayern. Darunter sind sechs Angestellte des Autozulieferers, einer davon hat sein Kind angesteckt. "Sie sind momentan alle in sehr gutem gesundheitlichem Zustand", betonte Spahn. Deshalb solle die Bevölkerung "zwar mit Wachsamkeit, aber auch mit der nötigen Gelassenheit" mit dem Thema Coronavirus umgehen, betonte Spahn in Hinblick auf die Angehörigen der Infizierten in Bayern, die nun teilweise von ihrer Umgebung gemieden würden. "Was mir am meisten Sorgen macht, sind die Verschwörungstheorien aller Art, die zurzeit in sozialen Medien verbreitet werden und die nur ein Ziel haben: Unsicherheit zu verbreiten."

Ein weiterer deutscher infizierter Staatsbürger wurde in Spanien registriert. Der Deutsche auf der Kanareninsel La Gomera ist der erste bekannte Fall in Spanien. Er sei mit einem der in Deutschland infizierten Patienten in Kontakt gewesen, teilte die spanische Regierung mit.

In China erlebte die Epidemie am Samstag den bisher höchsten Anstieg der Infektionen und Toten innerhalb eines Tages. Die Gesundheitskommission in Peking meldete einen Zuwachs um fast 2000 auf 11 791 Erkrankte. Die Zahl der Todesfälle kletterte um 46 auf 259. Außerhalb der Volksrepublik wurden bisher in zwei Dutzend Ländern rund 150 Infektionen gezählt.

Nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine "gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite" erklärt hatte, riefen die USA eine eigene "gesundheitliche Notlage" aus. Ausländische Reisende aus China werden wegen des Ansteckungsrisikos nicht mehr ins Land gelassen - mit Ausnahme von Angehörigen von US-Staatsbürgern. Der von US-Präsident Donald Trump erlassene Bann gilt ab Sonntag (23.00 Uhr MEZ). Bislang gibt es sechs Coronavirus-Fälle in den USA.

Auslöser der Ansteckungen in Deutschland waren ein oder zwei chinesische Mitarbeiter des Autozulieferers Webasto. Das Unternehmen nannte neben der bereits bekannten Frau aus China auch einen Mann, der ebenfalls in Deutschland gewesen sei. Alle infizierten deutschen und chinesischen Mitarbeiter seien in längeren Meetings am Firmensitz der Zentrale in Stockdorf gewesen, berichtete das Unternehmen. Die infizierten Chinesen hatten erst nach der Rückkehr in ihre Heimat Symptome gezeigt./hu/DP/zb

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